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Neue Leitlinien der EU-Kommission zum Lauterkeitsrecht

23.05.2022

Die „Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt (2021/C 526/01) vom 29.12.2021“ ersetzen die bisherigen Leitlinien aus dem Jahr 2016. Die Kommission verfolgt mit dieser, 129 Seiten umfassenden Bekanntmachung den Zweck, die ordnungsgemäße Anwendung der Richtlinie zu vereinfachen und den Inhalt der UGP-RL allen interessierten Parteien wie Verbrauchern, Unternehmen, den Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich der nationalen Gerichte und Angehörigen der Rechtsberufe, in der gesamten EU näher zu bringen. Sie deckt die mit der „Modernisierungs-Richtlinie (EU) 2019/2161 eingeführten Änderungen der UGP-RL ab, die am 28. Mai 2022 in Kraft treten werden. Auch in Österreich werden mit diesem Datum Änderungen im UWG wirksam, die aufgrund der EU-Vorgaben in das Gesetz eingefügt wurden. Da sich der Inhalt und die Reichweite mancher dieser Bestimmungen, die überwiegend in Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung stehen, nicht ohne weiteres erschließen, stellen die Leitlinien eine wertvolle Orientierung bei der praktischen Anwendung der neuen Regeln dar. Wie die Kommission betont, ist diese Bekanntmachung lediglich als „Leitlinie“ gedacht und muss sich jede verbindliche Auslegung der Vorschriften aus dem Wortlaut der UGP-Richtlinie und aus den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ergeben.

Im ersten Teil der Leitlinien erläutert die Kommission den ANWENDUNGSBEREICH DER UGP-RL. Hier wird nach einer kurzen Darstellung des sachlichen Geltungsbereichs der UGP-RL das Zusammenwirken der Richtlinie mit anderen EU-Rechtsvorschriften behandelt. Dabei geht es insbesondere um das Verhältnis der UGP-RL zur Richtlinie über die Rechte der Verbraucher, zur Richtlinie über Preisangaben, zur Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung und um das Zusammenwirken mit der Datenschutz-Grundverordnung, der P2B-Verordnung und den Artikeln 101–102 AEUV (EU-Wettbewerbsvorschriften). Weiters behandelt dieser Teil das Thema Durchsetzung und Rechtsbehelfe, wobei hier das Kapitel „Sanktionen“ angesichts der Einführung von lauterkeitsrechtlichen Geldstrafen von besonderer Bedeutung ist.

Im zweiten Teil mit dem Titel WESENTLICHE KONZEPTE DER UGP-RL wird zunächst die Beziehung zwischen den Geschäftspraktiken der „Schwarzen Liste“ und den Generalklauseln der UGP-RL anhand eines Flussdiagramms veranschaulicht. Im Anschluss daran wird das Konzept des Gewerbetreibenden (im österreichischen UWG wird stattdessen das Wort „Unternehmer“ verwendet) und das Konzept der „Geschäftspraxis“ erläutert. Danach erörtert die Kommission relevante Fragen wie das Vorliegen einer geschäftlichen Entscheidung, den Begriff des Durchschnittsverbrauchers und die berufliche Sorgfaltspflicht. Eigene, umfassende Kapitel sind dann Artikel 6 UGP-RL (Irreführende Handlungen), Art 7 UGP-RL (Irreführende Unterlassungen) und den Artikeln 8 und 9 UGP-RL (Aggressive Geschäftspraktiken) gewidmet.

Im dritten Teil der Leitlinien mit Titel SCHWARZE LISTE UNLAUTERER GESCHÄFTSPRAKTIKEN (ANHANG I) erörtert die Kommission einzelne Ziffern des Anhangs zur UGP-RL, wie Ziffer 9 – Produkte, die legal nicht verkauft werden können, Ziffer 14 – Schneeballsysteme, Ziffer 17 – Produkte zur Heilung von Erkrankungen, Funktionsstörungen und Missbildungen, Ziffer 20 – Verwendung der Angabe „kostenlos“, Ziffer 26 – Ständige Werbung in für den Fernabsatz geeigneten Medien und Ziffer 28 – Direkte Aufforderungen an Kinder.

Im vierten Teil der Leitlinien behandelt die Europäische Kommission die ANWENDUNG DER UGP-RL AUF BESTIMMTE SEKTOREN. Das erste Kapitel trägt die Bezeichnung „Nachhaltigkeit“. Hier wird die wettbewerbsrechtliche Beurteilung von fragwürdigen Behauptungen zum Umweltschutz ebenso erörtert wie das spannende Thema der geplanten Obsoleszenz, wo ein Produkt vorsätzlich mit einer begrenzten Nutzungsdauer geplant oder konzipiert wird, damit es nach einem bestimmten Zeitraum veraltet ist oder nicht mehr funktioniert. Der „digitale Sektor“ bildet den Gegenstand des zweiten Kapitels. Die Kommission weist hier darauf hin, dass die UGP-RL den gesamten Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (online und offline) abdeckt. Sie gilt unabhängig von der jeweiligen Technik und vom Vertriebsweg, Medium oder Gerät, auch für Online-Vermittler, einschließlich sozialer Medien, Online-Marktplätzen, App-Stores, Suchmaschinen, Vergleichsplattformen und verschiedener anderer im digitalen Sektor tätiger Gewerbetreibender. Überdies gelte die Richtlinie auch für Praktiken und Produkte, bei denen Technologien wie Algorithmen, automatische Entscheidungsfindung und künstliche Intelligenz (KI) zum Einsatz kommen. Im Einzelnen werden in diesem Kapitel insbesondere Fragen im Zusammenhang mit Online-Plattformen, Nutzerbewertungen, Suchergebnissen und Influencer-Marketing erörtert. In zwei weiteren Kapiteln befasst sich die Kommission schließlich mit lauterkeitsrechtlichen Aspekten in den Bereichen „Reisebranche und Verkehrssektor“ und „Finanzdienstleistungen und Immobilien“.

Als Anhang ist der Bekanntmachung eine chronologische Liste der in den Leitlinien genannten Urteile des EuGH angefügt, die bis Oktober 2021 veröffentlicht wurden. Die Ende 2021 veröffentlichten Leitlinien enthalten bereits Erläuterungen der Kommission zu den neuen, erst mit 28.5.2022 in Kraft tretenden Bestimmungen. Im Hinblick auf die geplante Umsetzung der diesbezüglichen Vorgaben im österreichischen UWG sind hier insbesondere die ausführlichen Erläuterungen zu den wörtlich übernommenen, neuen Verbotstatbeständen im Anhang Ziffer 23b (Irreführung über die Echtheit von Verbraucherbewertungen) und Ziffer 23c (Irreführung durch gefälschte Bewertungen und Empfehlungen) im Kapitel 4.2.4. „Nutzerbewertungen“, Seite 95 f, zu nennen.

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