Aktuelle Judikatur

EuGH konkretisiert die Bewertungskriterien bei irreführender Preiswerbung

Ausgangspunkt des Vorabentscheidungsverfahrens war ein gerichtliches Strafverfahren gegen einen dänischen TV-Anbieter wegen Verstoßes gegen das nationale Marketinggesetz. Der Canal Digital Danmark A/S wurde vorgeworfen, irreführende Preiswerbung für ein TV-Paket begangen zu haben, indem es die (günstige) Monatsgebühr für das TV-Abonnement in der Werbung (Fernsehspots, Internet-Banner-Ads) groß herausgestellt, die zusätzlich halbjährlich zu leistende (Satelliten)Kartengebühr jedoch weitestgehend „versteckt“ habe. So wurde etwa in den im Fernsehen und Internet verbreiteten Werbespots die Monatsgebühr im sprachlichen Kommentar zum Film ausdrücklich genannt und in einem Kreis bzw einem Text angezeigt, währenddessen zur halbjährlichen „Kartendienst-Gebühr“ jegliche mündliche Information fehlte und sich ein textlicher Hinweis darauf nur in kleiner Schrift und farblich unauffällig am unteren Bildrand fand. In gleicher Weise war dort auch der Gesamtpreis angegeben, der vom Verbraucher im ersten Jahr – der Mindestlaufzeit – zu entrichten war. In den Banner-Ads (Internetwerbung) wurde die Monatsgebühr und – nur teilweise in kleinerer Schrift – die Gesamtsumme angegeben, jedenfalls aber erfolgte auch hier ganz offensichtlich keine klare Information über die Halbjahresgebühr. Der Vorwurf gegen das Unternehmen bestand daher darin, nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen zu haben, dass zur angegebenen attraktiven Monatsgebühr eine weitere, halbjährlich zu leistende Kartengebühr hinzukomme und daher mit einem irreführenden Preis geworben worden war.

Die dem EuGH vom Gericht in Glostrup (Dänemark) vorgelegten Fragen betreffen die Auslegung der Artikel 6 und 7 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-RL). Das Gericht hatte auch Zweifel an der Vereinbarkeit des nationalen Marketinggesetzes mit der Richtlinie, weil keine Umsetzung der Regelungen des Art 7 Abs 1 und 3 UGP-RL erfolgt war (keine Erwähnung der Berücksichtigung insbesondere der Beschränkungen des Kommunikationsmediums bei der Beurteilung von „irreführenden Unterlassungen“) sondern diese lediglich Inhalt der Gesetzesmaterialien waren (vgl dagegen die Umsetzung in § 2 Abs 4 und 5 öUWG).
In seiner Vorabentscheidung vom 26.10.2017, C-611/14, hielt der EuGH dazu (zusammengefasst) vorweg fest, dass das nationale Gericht die Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts so weit wie möglich im Einklang mit den Zielen der Richtlinie auszulegen habe. Daraus ergebe sich, dass Art 7 Abs 1 und 3 UGP-RL (Irreführende Unterlassungen) dahin auszulegen ist, dass für die Beurteilung, ob eine Geschäftspraxis als irreführende Unterlassung anzusehen ist, der Zusammenhang, in dem diese Geschäftspraxis steht – ua die Beschränkungen des für diese Praxis verwendeten Kommunikationsmediums, die durch dieses Kommunikationsmedium bedingten räumlichen oder zeitlichen Beschränkungen und alle Maßnahmen, die der Gewerbetreibende getroffen hat, um den Verbrauchern die Information anderweitig zur Verfügung zu stellen –, auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich ein solches Erfordernis dem Wortlaut der betreffenden nationalen Regelung nicht ausdrücklich entnehmen lässt.

Art 7 der UGP-Richtlinie sei somit dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen sich ein Gewerbetreibender dafür entschieden hat, den Preis für ein Abonnement so zusammenzusetzen, dass der Verbraucher sowohl eine Monatsgebühr als auch eine Halbjahresgebühr zu entrichten hat, diese Praxis als irreführende Unterlassung anzusehen ist, wenn die Monatsgebühr in der Werbung besonders hervorgehoben wird, die Halbjahresgebühr aber ganz vorenthalten oder nur auf eine weniger auffällige Weise dargestellt wird, soweit eine solche Unterlassung den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie der anderen Maßnahmen, die der Gewerbetreibende tatsächlich getroffen hat, um den Verbrauchern die wesentlichen Informationen zum Produkt zur Verfügung zu stellen, zu prüfen ist.

Was die Möglichkeit des Verweises auf eine Website (mit den entsprechenden Informationen) betrifft, führt der EuGH aus, dass wenn es unter Berücksichtigung der dem Produkt innewohnenden Eigenschaften und der Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums unmöglich sei, sämtliche wesentlichen Informationen zu diesem Produkt bereitzustellen, es zulässig sei, im Rahmen einer Geschäftspraxis nur bestimmte dieser Informationen anzugeben, wenn der Gewerbetreibende für die übrigen Informationen auf seine Website verweist, sofern diese Website gemäß den Anforderungen von Art 7 der Richtlinie 2005/29 die wesentlichen Informationen zu den wesentlichen Merkmalen des Produkts, zum Preis und zu den anderen Bedingungen enthält.

Was die Frage der Auslegung des Art 6 Abs 1 UGP-RL (Irreführende Handlungen) betreffe, so enthalte diese Regelung im Gegensatz zu Art 7 Abs 1 und 2 UGP-RL (Irreführende Unterlassungen) keine Bezugnahme auf räumliche oder zeitliche Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums. Daraus sei, so der EuGH, zu schließen, dass die zeitlichen Zwänge, denen bestimmte Kommunikationsmedien wie TV-Werbespots unterworfen sein können, bei der Beurteilung des irreführenden Charakters einer Geschäftspraxis am Maßstab von Art 6 Abs 1 der Richtlinie nicht berücksichtigt werden können. Werde – wie im vorliegenden Fall – der Preis eines Produkts in mehrere Bestandteile aufgeteilt, von denen einer in der Vermarktung besonders herausgestellt wird, während der andere, bei dem es sich dennoch um einen unvermeidbaren und vorhersehbaren (und nicht unerheblichen) Bestandteil des Preises handelt, ganz vorenthalten oder in weniger sichtbarer Weise dargestellt wird, sei vom nationalen Gericht insbesondere zu bewerten, ob diese Darstellung zu einer falschen Wahrnehmung des Gesamtangebots führen kann.

Ferner ergebe sich aus Art 7 Abs 4 dieser Richtlinie, dass eine Geschäftspraxis, die zuvor als Aufforderung zum Kauf eingestuft wurde, eine Anzahl von Basisinformationen, die in diesem Artikel aufgeführt sind und als wesentlich angesehen werden, enthalten muss, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können. Der EuGH weist hier allerdings darauf hin, dass der Umstand, dass der Gewerbetreibende alle in dieser Bestimmung (abschließend) aufgezählten Informationen in einer Aufforderung zum Kauf bereitstellt, nicht ausschließt, dass diese Geschäftspraxis dennoch als irreführend im Sinne von Art 6 Abs. 1 oder Art 7 Abs 2 dieser Richtlinie eingestuft werden kann.

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