Aktuelle Judikatur

Irreführender Werbevergleich bei Arzneimitteln

Ein Pharmaunternehmen hatte in einer medizinischen Fachzeitschrift in einem ganzseitigen Inserat für sein neues blutgerinnungshemmendes Arzneimittel LIXIANA geworben. Die Werbeeinschaltung mit der plakativen Überschrift „NEUWAHLEN BEI NOAKs“ enthielt weiters in blickfangartiger Weise die Ankündigung „1x täglich LIXIANA“ und unmittelbar darunter, in derselben Größe, die Angaben „Einfach. Eindeutig. Sicherer.“. Sowohl dem Namen LIXIANA auch jeweils den Worten „Einfach“, „Eindeutig“ und „Sicherer“ waren Sternchenverweise und Fußnotenziffern angefügt, die auf (schwer lesbare) kleingedruckte Zusatzinformationen hinwiesen. So war zu „Sicherer“ im Fußnotentext angegeben „Im Vergleich zu Warfarin im primären Sicherheitsendpunkt“; in den Sternchenverweisen zu „Einfach“ und „Eindeutig“ waren Kontraindikationen wie eingeschränkte Nierenfunktion und geringes Körpergewicht angeführt.

NOAKs sind neuere, nicht Vitamin-K-basierte orale Antikoagulantien (blutgerinnungshemmende Mittel), die weniger wirkungsmechanisch bedingte Nachteile aufweisen als die schon älteren Vitamin-K-Antagonisten wie Warfarin (oder Marcumar).
Ein anderes Pharmaunternehmen, das schon einige Jahre zuvor das blutgerinnungshemmende Medikament PRADAXA (ebenfalls ein NOAK) auf den Markt gebracht hatte, klagte auf Unterlassung dieser Werbung. Die Werbeaussage der Beklagten suggeriere nämlich, dass nunmehr das Produkt LIXIANA innerhalb der Gruppe der NOAKs gewählt werden müsse, weil es sich durch die blickfangartig hervorgehobenen Vorteile von anderen NOAKs positiv abhebe. Dies sei jedoch irreführend bzw unwahr. So rechtfertige der Umstand, dass LIXIANA – im Unterschied etwa zu PRADAXA, das zweimal pro Tag eingenommen werden müsse – bloß einmal täglich eingenommen werden müsse, keine Hervorhebung des Arzneimittels als „einfach“, weil auch die Anwendung von LIXIANA – ebenso wie die Anwendung sonstiger NOAKs – nicht einfach sei. Auch die werbliche Hervorhebung der Eigenschaft „eindeutig“ sei nicht gerechtfertigt, weil die Anwendung von LIXIANA vielfach eingeschränkt und der individuellen Nutzen-/Risikoabwägung des behandelnden Arztes unterworfen sei. Schließlich sei LIXIANA auch nicht – wie in der Werbung hervorgehoben werde – „sicherer“. Für einen direkten Anwendungsvergleich zu anderen NOAKs fehle es an entsprechenden Studien und sei LIXIANA nur im Vergleich zum Wirkstoff Warfarin (einem Vitamin-K-Antagonisten und keinem NOAK) getestet worden. Dies ergebe sich zwar aus dem Fußnotentext, er werde jedoch in der Werbung blickfangartig etwas anderes suggeriert, nämlich ein Vergleich zu anderen NOAKs.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung, das Rekursgericht hob diese wieder auf. Der Oberste Gerichtshof stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wieder her (OGH, 20.2.2018, 4 Ob 136/17d), und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Arzneimittelwerbung muss den zweckmäßigen Einsatz eines Arzneimittels fördern, indem sie seine Eigenschaften objektiv und ohne Übertreibung darstellt, und sie darf nicht irreführend sein. Das Irreführungsverbot des Arzneimittelrechts (insb § 6 AMG) hat – als Ausprägung des allgemeinen Irreführungsverbots – spezifisch lauterkeitsrechtlichen Charakter, da diese Norm ähnlichen Regelungszwecken wie das UWG dient. Arzneimittelwerberecht und UWG sind auf alle Sachverhalte im Zusammenhang mit Arzneimittelwerbung kumulativ anwendbar.

Die beanstandete Ankündigung ist vergleichende Werbung iSd § 2a Abs 1 UWG, macht sie doch unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die Waren oder Leistungen, die von einem Mitbewerber angeboten werden, erkennbar. Grundsätzlich sind – wie allgemein bei gesundheitsbezogener Werbung – besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbeaussagen betreffend Arzneimittel zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Bei Beurteilung der Irreführungseignung einer Arzneimittelwerbung ist auch dann ein strenger Maßstab anzulegen, wenn sie sich an Fachleute richtet.

Nach diesen Grundsätzen sei, so der OGH, die beanstandete Werbung unzulässig. Auszugehen ist davon, dass die plakative Überschrift „Neuwahlen bei NOAKs“ vom angesprochenen Adressatenkreis der Ärzte, die ihren Patienten Antikoagulantien verschreiben wollen, dahin verstanden wird, dass ein neues Arzneimittel aus der Gruppe der NOAKs auf den Markt gekommen ist, weshalb eine Neubewertung der Auswahlkriterien in dieser Arzneimittelgruppe erforderlich sei. Der Werbevergleich wird daher vom Durchschnittsadressaten kraft der optischen Gestaltung auf den ersten Blick als Werbevergleich innerhalb der genannten Arzneimittelgruppe bezogen.

Dass dieses Verständnis unrichtig ist, ergibt sich nur aus einem aufklärenden Hinweis in einer Fußnote, wo auf einen Vergleich mit Warfarin hingewiesen wird. Dieser Hinweis ist allerdings nicht geeignet, den nach dem ersten Eindruck bereits entstandenen Irrtum über die Vergleichsprodukte aufzuklären, weist doch der Text der Fußnote eine erheblich kleinere Schriftgröße auf als jener der blickfangartigen Ankündigung. Für den durchschnittlichen Arzt erschließt sich somit bei dem Anlass angemessener Aufmerksamkeit aus dem Gesamteindruck der Werbung, dass es sich dabei um einen Vergleich zwischen NOAKs und nicht um einen Vergleich zwischen diesen und einer anderen Arzneimittelgruppe handelt.

Die Begriffe „Einfach“, „Eindeutig“ und „Sicherer“ werden vom durchschnittlichen Arzt in diesem Sinne daher nicht bloß als Bekräftigung der Dosierungsangabe, sondern als weiterführende Anpreisung zusätzlicher Vorzüge des Medikaments außerhalb der Dosierung verstanden. Dieses Verständnis liegt nach Auffassung des Höchstgerichts vor allem deshalb nahe, weil nach der Dosierung und nach jedem der drei Schlagworte ein Sternchenhinweis den Weg zu weiterführenden Informationen weist, die – ginge es allein um erläuternde Bemerkungen zur unkomplizierten Dosierung – überflüssig oder zumindest ungewöhnlich wären.

Zusätzliche Vorzüge des Medikaments der Beklagten gegenüber anderen NOAKs und damit auch dem Produkt der Klägerin sind aber nicht bescheinigt, sodass die Schlagworte „Einfach“, „Eindeutig“ und „Sicherer“ im gegebenen Zusammenhang irreführend und somit unzulässig sind. Der OGH vertritt hier mit ausführlicher Begründung weiterhin eine strenge Linie zur Irreführungseignung von mehrdeutigen Werbebotschaften, auch wenn diese durch nähere Informationen in Fußnotentexten ergänzt werden.

Im Gegenteil: Wie die vorliegende Entscheidung zeigt, können Sternchenverweise auf kleingedruckte Fußnoten nicht nur eine unzureichende Aufklärung bei irreführungsgeeigneten, blickfangartigen Werbebotschaften sein, sondern auch selbst die Irreführung begründen, wenn sie statt die Werbeaussage einzuschränken oder zu konkretisieren ihr einen zusätzlichen, von der vermeintlichen Werbebotschaft abweichenden oder darüber hinausgehenden Inhalt verleihen.

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