Aktuelle Judikatur

OGH: Zur Irreführung durch Herkunftsangaben

Ebenso wie beim Beschluss des OGH vom 10.12.2020, 4 Ob 108/20s – siehe unsere Meldung vom 3.3.2021 – geht es auch in dieser Entscheidung wieder um Zulässigkeit bestimmter Werbeaussagen betreffend die Herstellung bzw die Herkunft traditioneller Trinkgläser. Die Klägerin, ein Unternehmen mit langjähriger Weinglas-Produktion, wollte einer Mitbewerberin mittels UWG-Klage verbieten, in der Werbung und im Geschäftsverkehr zu behaupten, ihre Trinkgläser würden „im Stil der Venezianischen Glasbläser der Renaissancezeit“ an traditionellen Standorten in Österreich hergestellt, wenn diese in Wahrheit gar keine Produktion in Form einer Manufaktur an einem einschlägigen Standort in Österreich betreibe.

Die Beklagte hatte ihre Gläser wie folgt beworben: „Im Stil der venezianischen Glasbläser der Renaissancezeit und ganz in der Tradition wird die filigrane Artistik der S*****gläser auf die Spitze getrieben und verbindet sie mit zeitgenössischem Design. … Produziert in der EEC und an den Ursprüngen und im Mutterland der kaiserlichen und königlichen Glaskunst im Waldviertel und Böhmen seit 1725. … Glas zu produzieren ist in unseren Wurzeln fest verankert. … Auf unserem Firmensitz in N***** wurde beginnend mit 1725 und ab 1847 unter der Führung der Familie S***** bis 2006 Glas von Weltruhm hergestellt. Anknüpfend an diese große Tradition haben wir ab 2014 unter der Marke S***** den historisch bedeutenden Standort N***** neu belebt und unsere Gläser werden in der EEC hergestellt.“

Dazu wurde im Verfahren festgestellt, dass die Beklagte die von ihr vertriebenen Gläser nicht selbst produziert, sondern die Gläser von anderen Unternehmen in Tschechien, Ungarn und Polen, nicht jedoch in Österreich produzieren lässt. Sie vertreibt eine maschinengefertigte Serie und auch mundgeblasene Gläser, die in Holzformen geblasen werden. Das entspricht insofern der alten venezianischen Herstellungsart, als auch die Venezianer glasklare filigrane Gläser in Holzformen mundgeblasen haben. In Österreich werden die Gläser designt und die Zeichnungen für die zu verwendenden Holzformen gemacht. Die Gläser werden auch in Österreich graviert und verpackt, wobei auch die Verpackung in Österreich produziert wird.

Weiters begehrte die Klägerin, das Gericht möge der Beklagten den Vertrieb von Weiß- und Rotwein- sowie Champagnergläsern untersagen, die mit einer ihrer eigenen Gläserserien „aufgrund ihrer Form, der verwendeten Winkel, der Dünnwandigkeit und Leichtigkeit des Glases sowie der Dimensionen“ verwechslungsfähig seien. Darüber hinaus wurde begehrt, der Beklagten zu verbieten, die von ihr vertriebenen Gläser als „Qualitätsprodukt aus Österreich“ zu bezeichnen und das österreichische Gütesiegel zu verwenden, wenn die betreffenden Gläser nicht aus Österreich stammten und keine Berechtigung zur Führung des Gütesiegels gegeben sei. Schließlich sollte der Beklagten auch verboten werden, Weiß- und Rotwein- sowie Champagnergläser zu vertreiben, die vom früheren Geschäftsführer und Gesellschafter der Klägerin designt worden seien oder den von diesem entwickelten Gläsern entsprächen, an denen die Klägerin die Vertriebs- und Produktionsrechte besitze.

Der OGH bestätigte mit Beschluss vom 20.10.2020, 4 Ob 127/20k – Venezianische Glasbläser, die Abweisung der Klage durch die Unterinstanzen (Zurückweisung der außerordentlichen Revision der Klägerin), wobei die Begründung der Entscheidung erkennen lässt, dass dafür auch „formale“ Kriterien, wie eine zu unbestimmte Fassung des Unterlassungsbegehrens und eine nicht gesetzmäßig ausgeführte Mängelrüge maßgeblich waren. In jedem Fall aber enthält diese Entscheidung interessante, praxisrelevante Aussagen des OGH zur Einschätzung solcher Sachverhalte.
So hielt das Höchstgericht zu den Angaben über die Herstellung und Herkunft der Gläser fest, dass wenn mehrere Produktionsländer inklusive Österreich angegeben sind, daraus insbesondere nicht zu schließen sei, dass sämtliche Produktionsschritte im Inland vorgenommen worden wären. Die mit Hinweis auf altvenezianischen Stil beworbene Glasserie werde im Übrigen tatsächlich handgefertigt, sodass der Umstand, dass die Beklagte daneben auch maschinengefertigte Gläser vertreibt, nicht ins Gewicht falle.

Hinsichtlich der Verwechslungsfähigkeit von Produkten ohne Sonderrechtsschutz bestehe grundsätzlich Nachahmungsfreiheit und sei die Nachahmung gewerblicher Erzeugnisse daher nur bei Hinzutreten besonderer Umstände unlauter, wie bei glatten Leistungsübernahmen, vermeidbaren Herkunftstäuschungen oder einer unangemessenen Ausnützung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts, was hier nicht der Fall sei.

Eine nach § 2 UWG relevante Irreführung liege zwar auch vor, wenn eine langjährige Tradition eines Unternehmens vorgetäuscht werde, aus der das Publikum besondere Erfahrungen, wirtschaftliche Leistungskraft, Qualität, Zuverlässigkeit, Solidität und eine langjährige Wertschätzung innerhalb des Kundenkreises ableitet, zumal bei älteren Unternehmen in aller Regel Vorzüge erwartet werden, die jüngere Unternehmen im Allgemeinen nicht aufzuweisen hätten. Um damit werben zu dürfen, muss der Kern des Unternehmens gleich geblieben sein.

Wie die angesprochenen Kreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hänge aber von den Umständen des Einzelfalls ab. Im konkreten Fall habe die Beklagte im Hinblick auf die Feststellungen, dass sie auf der Liegenschaft des vormals bedeutenden Glasherstellers S***** ihren Firmensitz, ein Büro und ein Lager hat und es dort auch Relikte aus der Zeit der Firma S***** gibt, ausreichend deutlich klargestellt, dass die Tradition, auf die sie sich beruft, nur den Standort betrifft und sie ein neues Unternehmen ohne eigene Glasproduktionstradition führt.

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