1. Verbot unlauterer Geschäftspraktiken (§ 1 UWG)

Urteilsveröffentlichung unter Umständen auch nach längerer Prozessdauer gerechtfertigt

(OGH 12.2.2002, 4 Ob 287/01m)

Leitsatz:
Das Begehren einer Urteilsveröffentlichung ist auch noch nach nicht ganz 4 Jahren berechtigt, wenn abhängig vom Aufmerksamkeitsgrad ein entsprechendes Aufklärungsinteresse gegeben ist.

Zusammenfassung:
Die beklagte Partei betreibt in ganz Österreich unter anderem das Augenoptikergewerbe. In den Monaten Juni und Juli 1997 bewarb die Beklagte bundesweit in zahlreichen Medien Brillenfassungen der Marke "Giorgio Armani", wobei sie dabei einen Preisvergleich mit einem Mitbewerber durchführte. Aufgrund des Verdachts, dass es sich bei den ausserhalb der regulären Vertriebswege bezogenen Fassungen der Beklagten um Fälschungen handelt, wurde ein Strafverfahren eingeleitet. Über diesen Vorfall wurde ausführlich in den Medien berichtet.

Das im Strafverfahren erst nach ca 3 Jahren fertiggestellte Gutachten kam dann auch zum Ergebnis, dass die untersuchten Brillenfassungen Fälschungen waren. Das aufgrund der Klage des Schutzverbandes laufende Verfahren wurde nach Vorlage des Gutachtens mit Antrag vom 14.3.2001 fortgesetzt. Die Beklagten boten zwar einen Unterlassungsvergleich an, lehnten aber eine vergleichsweise Bereinigung des Veröffentlichungsbegehrens ab, weil ihrer Ansicht nach eine Veröffentlichung nicht mehr gerechtfertigt sei. Dieser Meinung schlossen sich das Erstgericht und das Berufungsgericht an.

Die ausserordentliche Revision des Schutzverbandes als Kläger wurde angenommen und ist nach Ansicht des OGH auch berechtigt. Die Berechtigung des Begehrens auf Urteilsveröffentlichung hängt grundsätzlich davon ab, ob an der Aufklärung des Publikums im begehrten Ausmaß ein schutzwürdiges Interesse der Klägerin besteht.

Nach Ansicht des OGH hindert eine mitunter durch das Prozessverhalten der Parteien hervorgerufene längere Prozessdauer nicht die Stattgebung des Urteilsveröffentlichungsbegehrens, wenn noch künftige Nachteile für den Kläger oder "Vorteile" für den Beklagten aus der zu Recht beanstandeten Wettbewerbshandlung zu besorgen sind. Die längere Dauer eines Verfahrens darf nämlich keine Prämie für den unterliegenden Teil in der Richtung bilden, dass infolge längerer Zeitdauer von einer Urteilsveröffentlichung Abstand zu nehmen ist. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung hat sich in diesem Zusammenhang nicht auf eine allgemein gültige Zeitspanne zwischen Wettbewerbsverletzung und Verlust des Aufklärungsinteresses festgelegt, sondern stets auf die Umstände des Einzelfalls abgestellt.

Ganz allgemein wird ein berechtigtes Interesse an einer Publikationsbefugnis laut OGH um so länger bestehen, je größer der Personenkreis war, der vom Gesetzesverstoß Kenntnis erlangt hat und je intensiver die Verbreitung des dadurch hervorgerufenen Erinnerungsbildes beim Publikum war. Im Anlassfall ist davon auszugehen, dass die intensiv unter Einsatz verschiedenster Medien durchgeführte Vergleichswerbung der Beklagten auch auf Grund der durch das nachfolgende Strafverfahren ausgelösten Berichterstattung einen überdurchschnittlich hohen Aufmerksamkeitsgrad bei großen Teilen der Bevölkerung erlangt hat. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, dass das Veröffentlichungsinteresse nach noch nicht einmal vier Jahren schon weggefallen wäre, zumal die Beklagte weiterhin Brillen jenes Unternehmens intensiv bewirbt, dessen nachgeahmte Produkte sie früher erworben hat. Dem Klagebegehren des Schutzverbandes war daher samt begehrter Veröffentlichung stattzugeben.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

§ 25 Urteilsveröffentlichung

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