1. Verbot unlauterer Geschäftspraktiken (§ 1 UWG)

Ausübung der Tätigkeit eines Steuerberaters durch einen Verein unlauter

(OGH 30.11.2004, 4 Ob 154/04g)

Leitsatz:
Die Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der Rechnungslegung durch einen Verein ist unzulässig, weil dies den Wirtschaftstreuhandberufen vorbehalten ist.

Zusammenfassung:
Ein Verein bewarb seine Tätigkeit mit Postwurfsendungen und bot bei einer Mitgliedschaft Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts und der Rechnungslegung in unterschiedlicher Form an. Die Kammer der Wirtschaftstreuhänder sah darin Tätigkeiten, die ihren Mitgliedern vorbehalten sind.

Der OGH führt dazu zunächst aus, dass der Verein als Beklagter - auch wenn sei satzungsmäßiger Zweck an sich nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet ist - mit der beanstandeten Ankündigung, er erledige für seine Mitglieder Schriftverkehr jeder Art, auch Berufungen (im Mitgliedsbeitrag enthalten) und Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen (gegen Honorar) im geschäftlichen Verkehr handelt. Die Grenze einer dem Wettbewerbsrecht nicht unterliegenden reinen Mitgliederwerbung eines ideellen Vereins ist im Anlassfall durch die beanstandete Ankündigung überschritten, weil sich der Verein mit seinem Leistungsangebot in unmittelbaren Wettbewerb hier mit den Wirtschaftstreuhandberufen stellt.

Auch die Wettbewerbsabsicht ist zu bejahen, nachdem sich der Beklagte nicht im Kernbereich der ihm durch Vereinssatzung aufgetragenen Tätigkeiten bewegt, wenn er seinen Mitgliedern die Erledigung von Schriftverkehr jeder Art anbietet. Betreffen somit die hier zu beurteilenden Handlungen nicht den Kernbereich der in der Satzung des Vereins festgelegten gemeinnützigen Tätigkeit, tritt die druch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr zu vermutende Wettbewerbsabsicht auch nicht gegenüber der Absicht, den satzungsmäßigen Zweck zu erfüllen, völlig in den Hintergrund.

Unstrittig steht fest, dass der Beklagte nicht selbst Berufungen im Abgabenverfahren oder Einkommen- und/oder Umsatzsteuererklärungen verfasst; insoweit ist also eine Verletzung des beruflichen Vorbehaltsbereichs der Mitglieder der Klägerin ausgeschlossen. Der Beklagte wirbt aber auch damit, dass in "erfolgversprechenden Steuerrechtsfragen" und in "Steuerrechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung" ein entsprechend qualifizierter Fachmann eingeschaltet werde. Daraus folgt zwangsläufig, dass im Vorfeld einer solchen Beauftragung vom Beklagten an Hand der an ihn aus dem Mitgliederkreis herangetragenen Sachverhalte beurteilt werden muss, ob im Einzelfall eine erfolgversprechende Steuerrechtsfrage oder eine solche von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt oder nicht.

Eine solche Beurteilung fällt als "Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiet des Abgabenrechts" (§ 3 Abs 1 Z 1 WTBG) bereits in den geschützten Tätigkeitsbereich der zur selbstständigen Ausübung des Wirtschaftstreuhandberufes "Steuerberater" Berechtigten. Insoweit liegt demnach ein Verstoß des Beklagten gegen § 1 UWG vor.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

§ 1 Unlautere Geschäftspraktiken

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