1.4 Rechtsbruch

Abgrenzung des Begriffes „notwendiger Reisebedarf“

(OGH 14.11.2000, 4 Ob 283/00x, zB ÖBl 2001, 105 - Reisebedarf)

Die Beklagte betreibt unter anderem im Bereich des Bahnhofs Wien - Mitte ein Handelsgeschäft, in welchem Tonträger, Mobiltelefone, Büromaterial etc vertrieben werden. Dieses Geschäft war jeweils Montag bis Samstag von 9.00 bis 22.00 Uhr und an Sonn- und Feiertagen von 11.00 bis 22.00 Uhr geöffnet. Dabei verkaufte die Beklagte außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten einen rund 4 kg schweren zweibändigen Bildband, ein Computerprogramm zur Erstellung eines Familienbaumes, einen Sprachkurs auf CD-Rom, eine 5-fach CD-Sammlung und eine DVD-Rom. Weiters erhielt man dort zu diesen Zeiten einen rahmenlosen Glasbilderhalter und eine bespielte Videokassette im VHS-Format. Die Bundesarbeitskammer als Klägerin sah darin einen Verstoß gegen die Öffnungszeiten sowie gegen die Sonn- und Feiertagsruhe und brachte einen Unterlassungsklage ein.

Der OGH führte zunächst aus, daß die Vermutung der Wiederholungsgefahr nur entkräftet wird, wenn der Beklagte besondere Umstände darlegt, die eine Wiederholung seiner Handlung als ausgeschlossen oder zumindest äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen. Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob dem Verhalten des Verletzers in seiner Gesamtheit wichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, daß er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen.

Die Beklagte ist aber auf das Angebot der Klägerin, das Verfahren durch einen Unterlassungsvergleich zu beenden, nicht eingegangen. Sie hat sich darauf berufen, seit Zustellung der Klage nicht mehr gegen die Öffnungszeitenregelung zu verstoßen und sich auch in Zukunft gesetzeskonform verhalten zu wollen. Dabei hat sie auf Anweisungen an ihre Dienstnehmer und auf organisatorische Maßnahmen verwiesen, durch die künftige Gesetzesverstöße verhindert werden sollen, wobei sie allerdings durch äußerst großzügige Auslegung des § 5 lit a ÖffnZeitG und des § 18 Abs 1 ARG die Möglichkeit für Gesetzesverstöße auf ein Minimum reduzieren will.

Nach diesen Bestimmungen dürfen Verkaufsstellen unter anderem in Bahnhöfen für den Verkauf von Reiseproviant, Reiseandenken und notwendigem Reisebedarf (Reiselektüre, Schreibmaterialien, Blumen, Reise-Toiletteartikel, Filme und dergleichen) nach Maßgabe der Verkehrszeiten offengehalten werden. Zweck dieser beider Bestimmungen ist laut OGH, dem Reisenden die Möglichkeit zu geben, seinen Bedarf an bestimmten Artikeln auch außerhalb der gesetzlichen Öffnungszeiten zu decken. Die beispielsweise angeführten Waren zeigen, daß der Gesetzgeber die Freigabe auf Artikel beschränken wollte, die nicht zur auch sonst benötigten Ausstattung gehören, sondern an denen ein Bedarf üblicherweise im Zusammenhang mit dem Antritt einer Reise entsteht. Die weitere Beschränkung „notwendig“ beim Reisebedarf kann nicht nur als für eine Reise unerläßlich aufgefaßt werden, sondern muß auch dahin verstanden werden, daß ein Bedarf an derartigen Artikeln üblicherweise erst unmittelbar vor Reiseantritt wahrgenommen wird.

Es kann daher nicht alles „notwendiger Reisebedarf“ sein, was der Reisende während der Reise ge- und verbrauchen kann. Einer Ausnahme von der Öffnungszeitenregelung – um die Versorgung der Reisenden sicherzustellen - bedarf es nur für den Verkauf von Waren, welche typischerweise unmittelbar vor einer Reise erworben werden. Dazu gehören ebenso wenig wie Bildbände auch Sprachkurse auf CD-Rom, Computerprogramme zur Erstellung eines Familienbaumes, eine 5-fach CD-Sammlung oder DVD-Roms. Alle diese Artikel werden üblicherweise unabhängig von einer Reise erworben und genutzt.

Auch die Anwendung der gegenständlichen Bestimmungen auf Kleingeschenke ist nicht möglich, nachdem der Wortsinn beider Bestimmungen Geschenke nicht deckt. Die analoge Anwendung einer Gesetzesbestimmung setzt aber eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes voraus, und schon daran fehlt es im vorliegenden Fall. Schließlich kann auch ein Bilderhalter nicht unter den Begriff Reisenandenken subsumiert werden. Reiseandenken sind Erinnerungsstücke, die wegen ihres Bezugs zu den vom Reisenden besuchten Städten gekauft werden. Ein Glasbilderhalter hingegen ist völlig neutral, auch wenn er nach seinem Erwerb für Urlaubsfotos verwendet werden mag.

Die Beklagte hat demnach auch während des Verfahrens mehrfach gegen die Öffnungszeitenregelung verstoßen. Ihre weite Auslegung der Ausnahmebestimmungen ist durch das Gesetz nicht gedeckt. Damit fehlt aber für den vom Rekursgericht angenommenen Wegfall der Wiederholungsgefahr jede Grundlage, und dem Revisionsrekurs des Klägers auf Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung war Folge zu geben.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

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