1.4 Rechtsbruch

Abgrenzung des Umfangs einer Gewerbeberechtigung

(OGH 13.3.2002, 4 Ob 44/02b)

Leitsatz:
Das Gewerbe der Unternehmensberater umfasst laut OGH auch die Vertretungsbefugnis bei Insolvenzverfahren, sofern keine Anwaltspflicht besteht.

Zusammenfassung:
Der Beklagte ist als Unternehmensberater tätig und vertritt dabei gewerbsmäßig Unternehmer im Rahmen seiner Sanierungskonzepte in Insolvenzverfahren vor Gericht, soweit kein Anwaltszwang besteht. Die klagende Rechtsanwaltskammer sah darin eine über die Befugnis des § 172 Abs 3 GewO zur Vertretung vor Behörden hinausgehende gerichtliche und außergerichtliche Vertretung. Nachdem diese Tätigkeit ihrer Ansicht nach in in den Vertretungsvorbehalt der Rechtsanwälte gemäß § 8 RAO eingreifen würde, brachte sie eine Wettbewerbsklage ein.

Der OGH führt dazu aus, dass für den Umfang einer Gewerbeberechtigung gemäß § 29 GewO zunächst der Wortlaut der den Parteien ausgestellten Gewerbescheine im Zusammenhalt mit den einschlägigen Rechtsvorschriften maßgebend ist. Bleiben danach Zweifel, sind sodann die den einzelnen Gewerben eigentümlichen Arbeitsvorgänge, die verwendeten Roh- und Hilfsstoffe sowie Werkzeuge und Maschinen, die historische Entwicklung und die in den beteiligten gewerblichen Kreisen bestehenden Anschauungen und Vereinbarungen heranzuziehen.

Demnach können die Angaben etwa eines Beruflexikons, die Ausbildungsvorschriften, aber auch Fachstatuten von Fachgruppen der Kammer der gewerblichen Wirtschaft als Beurteilungsgrundlage verwendet werden. Eine derartige Erkenntisquelle ist laut OGH hier auch das vom zuständigen Fachverband Unternehmensberatung und Datenverarbeitung genehmigte "Berufsbild", ist doch innerhalb der Bundeswirtschaftskammer der zuständige Fachverband als juristische Person des öffentlichen Rechts und Selbstverwaltungskörper anerkanntenmaßen berufen, die allgemeinen Anschauungen über den Umfang ihrer Mitglieder zu begutachten und festzulegen.

Dabei wird eine Vertretungstätigkeit in Insolvenzverfahren in der deklarativen Aufzählung des Berufsbilds nicht gesondert aufgezählt, aber auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen. Nach der Ansicht des OGH steht daher die Auslegung des Beklagten über den Umfang der ihm gemäß § 172 Abs 3 Gewo zustehenden Vertretungsbefugnis vor Behörden in keinem offenkundigen Widersproch zum Gesetz, zum Wortlaut seiner Gewerbeberechtigung, dem Berufsbild des zuständigen Fachverbands oder einer höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Der Beklagte durfte seine Auffassung, die beanstandete Tätigkeit sein von seiner Gewerbeberechtigung gedeckt, mit gutem Grund vertreten, zumal der Begriff "Behörde" in der Staatsrechtlehre im Rahmen eines funktionalen Oberbegriff für Gerichte und Verwaltungsbehörden verwendet wird. Der Revision des Beklagten ist daher Folge gegeben worden.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

§ 1 Unlautere Geschäftspraktiken

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