1.3 Ausbeutung

Abgrenzung der Wettbewerbswidrigkeit des Vertriebs eines kompatiblen Erzeugnisses

(OGH 24.10.2000, 4 Ob 196/00, zB ÖBl 2001, 18 – Lego-Klemmbausteine)

Die Beklagte vertreibt in Österreich Konstruktionsspielzeug aus Kunststoff-Klemmbausteinen. Auch die Klägerin vertreibt Konstruktionsspielzeug, welches überwiegend auch aus Klemmbausteinen besteht, seit 1947 erzeugt wird und überragende Verkehrsgeltung genießt. Für den Betrachter besteht auf den ersten Blick zwischen der Klemmbausteinen der Streitteile kein Unterschied. Sie sind aufgrund ihrer ähnlichen Gestaltung auch untereinander verklemmbar. Die Kataloge und Baukästen der Beklagten tragen allerdings deutlich sichtbare Aufkleber mit dem Hinweis „Diese Baustern-Serie ist kein Lego-Produkt“. Die Klägerin sah dessen ungeachtet darin eine sittenwidrige Ausbeutung gemäß § 1 UWG und brachte Klage ein.

Der OGH führt aus, daß daran festzuhalten ist, daß die Herstellung eines kompatiblen Produkts für sich allein noch nicht als Verstoß gegen § 1 UWG zu beurteilen ist. Dieser Grundsatz hat auch dann zu gelten, wenn der Hersteller des als Vorbild dienenden Produkts einen neuen Markt erschlossen hat. Die Schutzwürdigkeit des Kompatibilitätsinteresses eines Mitbewerbers findet allerdings dort ihre Grenzen, wo kompatibel hergestellte Austauschprodukte nicht auch im Wesentlichen denselben Qualitätsmaßstäben genügen, die der Originalhersteller durch seine Ware gesetzt hat.

Die Beklagte vertreibt nun aber nicht einzelne Bausteine, die zur Ergänzung von L-Baukästen angeboten werden oder erkennbar dafür bestimmt sind, sondern für sich allein verwendbare Systembaukästen. Diese tragen einen deutlichen lesbaren Erzeugerhinweis und den zusätzlichen Vermerk, daß es sich um kein Lego-Produkt handelt. Da der Ankauf eines solchen Systembaukastens mit einem Preis von mehreren hundert Schilling als größere Investition in ein langlebiges Konsumgut zu beurteilen ist, wird der Verbraucher dabei auch einen höheren Grad der Aufmerksamkeit walten lassen.

Die Gefahr, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise beim Erwerb eines Baukastens in den Irrtum verfällt, es handle sich um einen Baukasten der Klägerin, ist daher ausgeschlossen. Der gegen die Beklagte gerichtete Vorwurf sittenwidrigen Handelns ist demnach weder damit zu begründen, daß diese zu Fremdprodukten kompatible Produkte vertreibt, noch damit, daß ihre Produkte mit jenen der Klägerin verwechselt werden können. Der Sicherungsantrag der Klägerin, dem noch in beiden Vorinstanzen stattgegeben wurde, ist daher vom OGH abgewiesen worden.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

§ 1 Unlautere Geschäftspraktiken

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