1.2 Behinderung

Billigdieseltankstellen der öffentlichen Hand unzulässig

(OGH 20.4.2006, 4 Ob 61/06h)

Leitsatz:
Die Aktion eines Bundeslandes, Treibstoffe zum Einstandspreis oder zu betriebswirtschaftlich nicht gerechtfertigten niedrigen Verkaufspreisen öffentlich abzugeben, ist als wettbewerbswidrig anzusehen.

Zusammenfassung:
Ein Bundesland hat seit April 2004 in seinen Haustankstellen Dieseltreibstoff zum Einkaufspreis an die Allgemeinheit abgegeben. Dabei sind im Zuge einer publizitätsträchtigen "Kampfansage" vor allem durch den Landeshauptmann gegen die Höhe der Treibstoffpreise die Betriebszapfsäulen der Straßenbauämter (Straßenmeistereien) als öffentliche Billigtankstellen beworben und eingesetzt worden.

Keine dieser Tankstellen hat über eine Gewerbeberechtigung oder eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung verfügt. Es ist auch keine Preisauszeichnung nach den für Betreiber von Tankstellen geltenden Vorschriften erfolgt. Außerdem ist der Einzugsbereich dieser Billigtankstellen bereits mit Tankstellen des Mineralöl- und Brennstoffhandels ausreichend versorgt.

Der Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb hat in diesem Vorgehen mehrfache Verstöße gegen §§ 1 und 2 UWG gesehen und neben einem Missbrauch der öffentlichen Mittel auch eine Gefährdung des Bestand des Leistungswettbewerbs mittels Klage vorgebracht. Aufgrund der fehlenden Bewilligungen und Preisauszeichnungen wurde vom Schutzverband überdies ein sittenwidriger Rechtsbruch argumentiert.

Die beiden Vorinstanzen haben den Begehren des Schutzverbandes im Provisorialverfahren umfassend Folge gegeben, während der OGH nun in seinem Beschluss aufgrund des außerordentlichen Revisionsrekurses der Beklagten die einstweilige Verfügung in seinem Hauptpunkt zwar bestätigt, den weiteren Begehren aber teilweise nicht Folge gegeben hat.

Zunächst führt er aus, dass der Marktzutritt der öffentlichen Hand nicht schon dann verboten ist, wenn die Versorgung durch andere Anbieter sichergestellt ist, sondern erst bei einer Gefährdung des Leistungswettbewerbs. Ist dies wie hier nach Ansicht des OGH bei acht Tankstellen des Landes gegenüber mehr als 200 Tankstellen privater Anbieter nicht der Fall, so unterliegt (nur) die Art und Weise, wie die öffentliche Hand am Wettbewerb teilnimmt, der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung.

Bei dem konkreten Angebot liegt aber ein Verstoß vor, weil das Land hier Machtmittel missbräuchlich eingesetzt hat, welches ihm aufgrund seiner öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur Verfügung stehen. So gibt der Beklagte an den Standorten seiner Straßenbauämter bzw Straßenmeistereien unter Einsatz von Landesbediensteten Dieseltreibstoff zum Einstandspreis an die Öffentlichkeit ab.

Er setzt dabei für Zwecke der öffentlichen Verwaltung gewidmete und durch das Landesbudget getragene Mittel ein, um mit "Kampfpreisen" anderen Anbietern Konkurrenz zu machen. Ein vergleichbares Angebot wäre einem privaten Anbieter, der nicht über die aus der öffentlich-rechtlichen Stellung resultieren Mittel verfügt, keinesfalls möglich. Damit benachteiligt das Land Mitbewerber auf eine Art und Weise, wie dies einem Konkurrenzverhältnis zwischen privaten Anbietern nicht möglich wäre.

So bedeutet schon die Nutzung der für öffentliche Zwecke gewidmeten Infrastruktur ohne jeden der öffentlichen Hand wieder zufließenden wirtschaftlichen Vorteil und ausschließlich für Zwecke der Preisunterbietung nach Meinung des OGH eine sittenwidrige Wettbewerbsverzerrung gegenüber Anbietern, denen diese Möglichkeit nicht zur Verfügung steht. Dieses Verhalten verstößt daher gegen § 1 UWG.

Hinsichtlich des Vorwurfs des sittenwidrigen Rechtsbruchs führt der OGH aus, dass die Bestimmungen der Gewerbeordnung für gewerbsmäßig, also auf Ertrag oder einen sonstigen wirtschaftlichen Vorteil gerichtete Tätigkeiten gelten. Da hier der Beklagte Diesel ohne jeden Aufschlag zum Einkaufspreis abgibt, unterliegt dieser Verkauf nicht der Gewerbeordnung und bedarf daher weder einer Gewerbeberechtigung noch eine Betriebsanlagengenehmigung.

Die vom Schutzverband auch vorgebrachte analoge Anwendung der für Vereine geschaffenen Sonderbestimmung des § 1 Abs 6 GewO auf das Tätigwerden der öffentlichen Hand ist laut OGH von der Rechtsprechung noch nicht thematisiert worden und musste daher von dem Beklagten nicht in Betracht gezogen werden. Das Fehlen der Bewilligungen ist dem Land daher subjektiv nicht vorzuwerfen.

Die fehlende Preisauszeichnung in den Tankstellen der Beklagten verstößt hingegen gegen § 5 der Verordnung betreffend die Preisauszeichnung für bestimmte Leistungen und für Treibstoffe bei Tankstellen und ist geeignet, den Wettbewerb zugunsten der Beklagten zu beeinflussen.

Zugehörige Paragraphen des UWG:

§ 1 Unlautere Geschäftspraktiken

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