Aktuelle JudikaturAuslegung von Stattpreis-Werbung als Vorlage an den EuGH
Da bei einer Preisreduktion der niedrigste Preis der letzten 30 Tage anzugeben ist und die genaue Auslegung dieser Bestimmung zur Werbung mit Streichpreisen aktuell fraglich ist, wurde in Deutschland ein laufender Rechtsstreit ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof Fragen dazu zur Vorabentscheidung vorgelegt. Besteht eine bloße Informationspflicht des niedrigsten Preises oder muss dieser niedrigste Preis auch der Bezugspunkt für die Ermäßigung sein?
In Deutschland klagte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen die Unternehmensgruppe Aldi Süd, die für deren werbliche Außendarstellung verantwortlich ist. Der Discounter bewarb im Herbst 2022 unter der Überschrift „Unsere 6 Frische-Kracher für dich reduziert“ sechs Lebensmittel (darunter Bananen und Ananas), denen jeweils Preiskacheln zugeordnet waren. Darauf befanden sich zwei Preisangaben: In der Mitte eine größere, mit einem Sternchen versehen, und in der rechten unteren Ecke eine kleinere durchgestrichene. Überlagert wurden diese Preiskacheln von schwarz-rot-gold gestreiften Störern, die eine prozentuelle Ersparnis bzw eine werbliche Hervorhebung zur Preisgünstigkeit enthielten.
Die Preisgestaltung der Werbung sah folgendes vor: Bei den „Fairtrade Bio-Bananen“ lag der reduzierte, aktuell verlangte Preis bei 1,29 Euro. Diesem stellte der Discounter einen durchgestrichenen Preis, nämlich 1,69 Euro, gegenüber. Demnach gäbe es eine Ersparnis von 23% – verglichen mit dem Streichpreis – durch das Angebot. Der niedrigste Preis der letzten 30 Tagen betrug jedoch nur 1,29 Euro, sodass der Rabatt verglichen mit diesem Preis null Prozent betragen würde.
Die „Rainforest Alliance Ananas“ wurde von Aldi Süd als „Preis-Highlight“ beworben. Diese kamen auf 1,49 Euro statt des durchgestrichenen Preises von 1,69 Euro. Bei diesem Angebot wäre die Ersparnis laut Discounter also 20 Cent. Der niedrigste letzte Verkaufspreis der letzten 30 Tage lag hier jedoch bei nur 1,39 Euro, sodass das reduzierte „Preis-Highlight“ 10 Cent teurer war als dieser.
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg bewertete diese Preiswerbung in Bezug auf die Bananen und Ananas von Aldi Süd in Prospekten und online für unlauter und klagte schließlich vor dem Landgericht Düsseldorf.
Hintergrund ist die sogenannte Omnibus-Richtline der EU, die am 28.05.2022 in Deutschland umgesetzt wurde und den Verbraucherschutz stärken soll. Ein Ziel war es, Preisermäßigungen besser einschätzen zu können. Daher heißt es nun im neuen § 11 Preisangabenverordnung (PAngV) in Deutschland: „Wer zur Angabe eines Gesamtpreises verpflichtet ist, hat gegenüber Verbrauchern bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung für eine Ware den niedrigsten Gesamtpreis anzugeben, den er innerhalb der letzten 30 Tage vor der Anwendung der Preisermäßigung gegenüber Verbrauchern angewendet hat.“
Das Gericht stellte fest, dass die Auslegung des zugrundeliegenden Art. 6a Abs. 1 und 2 PreisangabenRL Fragen zur Reichweite der Regelung aufwerfe. Die EU-Kommission vertritt in ihren unverbindlichen Leitlinien die Auffassung, dass sich die Angabe einer prozentualen Ermäßigung auf den ermittelten „vorherigen“ Preis beziehen müsse.
„Dementsprechend ist die Preisermäßigung unter Verwendung des angegebenen „vorherigen“ Preises als Vergleichswert anzugeben, d.h. jede angegebene prozentuale Ermäßigung muss auf dem gemäß Artikel 6a ermittelten „vorherigen“ Preis beruhen. – Wenn beispielsweise die Preisermäßigung mit „50 % reduziert“ bekannt gegeben wird und der niedrigste Preis in den 30 vorangegangenen Tagen 100 EUR betrug, muss der Verkäufer 100 EUR als „vorherigen“ Preis ausweisen, auf dessen Grundlage die Ermäßigung um 50 % berechnet wird, auch wenn der letzte Verkaufspreis der Ware bei 160 EUR lag.“
Die Beklagte hingegen vertritt die Auffassung, die Vorschrift begründe lediglich eine zusätzliche Informationspflicht, enthalte aber keine Vorgabe für die Gestaltung der Werbung.
Das erstinstanzliche Gericht kam hier zu keiner klaren Entscheidung und setzte den Rechtsstreit (Beschl. v. 19.5.2023 – 38 O 182/22) vorläufig aus, um dem Europäischen Gerichtshof zwei Fragen zur Auslegung im Vorabentscheidungsverfahren vorzulegen.
1. Ist Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL dahin auszulegen, dass ein Prozentsatz, der in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung genannt wird, ausschließlich auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein darf?
2. Ist Art. 6a Abs. 1 und Abs. 2 PreisangabenRL dahin auszulegen, dass werbliche Hervorhebungen, mit denen die Preisgünstigkeit eines Angebots unterstrichen werden soll (wie beispielsweise die Bezeichnung des Preises als „Preis-Highlight“), dann, wenn sie in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung verwendet werden, auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 PreisangabenRL bezogen sein müssen?
Nach vorläufiger Auffassung des Düsseldorfer Landgerichts sei die Anforderung bloß als reine Informationspflicht zu verstehen. Sollte dies nicht so sein, dann hätte die Klage der Verbraucherzentrale Erfolg. Die Auslegungsfrage ist daher entscheidungserheblich und der EuGH nun am Wort.Zurück zur Liste
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