Aktuelle JudikaturIrreführende Etikettierung eines Erfrischungsgetränks
Auf dem Frontetikett des in transparenten Plastikflaschen angebotenen Erfrischungsgetränks waren eine Limette, vier Minzblätter und eine aufgeschnittene Zitrone abgebildet. Darüber stand in großer Schrift „bio limo leicht“, darunter (kleiner) „zitrone limette minze“. Auf dem rückseitigen Etikett wurde das Produkt als „Kalorienarmes Zitronenerfrischungsgetränk mit Minze-/Limettengeschmack“ deklariert und war dort angegeben: „Pasteurisiert. Biologisch. Zutaten: natürliches Mineralwasser, Zucker°, Zitronensaft° aus Zitronensaftkonzentrat (5,3%), Apfelsaft° aus Apfelsaftkonzentrat (3,7%), Kohlensäure, natürliche Aromen, Antioxidationsmittel: Ascorbinsäure“, sowie – in einer Fußnote – „(°) aus biologischer Landwirtschaft“. Die natürlichen Aromen bestanden aus Minzaroma und Limetten-Aroma, letzteres allerdings nur als Teil einer Mischung verschiedener Zitrusfrüchte-Aromen. In der Zutatenliste waren Limettensaft, Limettensaftkonzentrat und Minzextrakt richtigerweise nicht angeführt. In der Werbung wurde das Getränk mit den Worten beschrieben „Ihr Fruchtanteil besteht aus Obst aus biologischem Anbau“ und „Die Kombination aus prickelndem … Mineralwasser und Anteilen biologisch angebauter Zitrone, Limette und Minze (…)“.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) sah darin eine unlautere Irreführung im Sinne des § 2 UWG, weil hier der unrichtige Eindruck erweckt werde, die Limonaden enthielten bestimmte Frucht- und/oder Kräuteranteile, obwohl tatsächlich ein oder mehrere dieser angeblichen Zutaten nicht oder nur in Form von Aromen enthalten seien. Das Erstgericht wies die Klage ab. Zwar erwecke die Produktaufmachung und Etikettengestaltung der „bio limo leicht“ den Eindruck, dass im Getränk Zitrone, Limette und Minze vorhanden seien. Diese Zutaten müssten bei einer Limonade jedoch nicht in Form von Limettensaft und Minzextrakt enthalten sein, sondern werde die Verbrauchererwartung schon durch die Verwendung von entsprechenden natürlichen Aromen erfüllt. Das Berufungsgericht wies das Hauptbegehren ebenfalls ab, gab aber dem Eventualbegehren statt, das den ergänzenden Zusatz „und darauf nicht hinreichend deutlich hingewiesen wird“ enthielt, weil durch einen solchen, deutlichen Hinweis die Irreführung vermieden werden hätte können.
Der OGH bestätigte die Rechtsansicht des Berufungsgerichts und sah in der Etikettierung und Bewerbung des Getränks ohne ausreichenden Hinweis, dass tatsächlich ein oder mehrere der vorgeblichen Zutaten in der Limonade nicht oder nur in Form von Aromen enthalten sind und sie insbesondere keinen Limettensaft und/oder keinen Minzextrakt enthält, eine Irreführung der Verbraucher (OGH 23.5.2024, 4 Ob 25/24s). In der hier relevanten Frage, ob und unter welchen Umständen die Produktaufmachung eines Lebensmittels trotz richtiger und vollständiger Deklaration der Zutaten irreführend sein kann, ist, so der Oberste Gerichtshof, nach wie vor die Entscheidung des EuGH C-195/14 (Teekanne) richtungsweisend. Maßgebend für die Frage der Irreführung ist nach dem EuGH der Gesamteindruck der Etikettierung, also „aller Angaben, Kennzeichnungen, Hersteller- oder Handelsmarken, Abbildungen oder Zeichen, die sich auf ein Lebensmittel beziehen und die auf dessen Verpackung angebracht sind“. Wenn einige dieser verschiedenen Elemente unwahr, falsch, mehrdeutig, widersprüchlich oder unverständlich sind, kann es sein, dass das Zutatenverzeichnis, auch wenn es richtig und vollständig ist, nicht geeignet ist, eine Fehlvorstellung des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen. Die von der österreichischen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, wonach ein aufklärender Hinweis eine bereits durch Blickfangelemente hervorgerufene Irreführung nicht verhindern kann, stehen nach wie vor im Einklang mit der Judikatur des EuGH. Die Erfüllung der Kennzeichnungspflicht immunisiert nicht generell gegen Irreführung.
Entgegen den Argumenten der Beklagten wird hier die Irreführung auch nicht aus der (zulässigen) Verwendung von Aromen in einem als „bio“ gekennzeichneten Lebensmittel abgeleitet. Vielmehr soll mit dem Unterlassungsgebot eine Diskrepanz zwischen der durch den Gesamteindruck der Produktpräsentation hervorgerufenen Verbrauchererwartung vermieden werden, die Bio-Limonade enthielte der Geschmacksrichtung entsprechende Frucht- und/oder Kräuteranteile, und der Tatsache, dass zwei der drei Geschmackskomponenten stattdessen nur durch Aromen erzeugt werden.
Im lebensmittelrechtlichen Fachjargon bezeichnet das Wort Limonade Erfrischungsgetränke, in denen nach dem Österreichischen Lebensmittelbuch – anders als bei sog Fruchtsaftlimonaden – überhaupt kein Fruchtsaftanteil enthalten sein muss. Es reicht für eine Limonade also völlig aus, wenn der Geschmack durch (auch nur künstliche) Aromen erzeugt wird. Die Bezeichnung Limo meint also sehr unterschiedliche Arten von Getränken: Am einen Ende des Spektrums findet sich die hausgemachte Limonade aus (nur) reinem Obstsaft, Zucker und Mineralwasser, am anderen Ende hochverarbeitete, industriell hergestellte Softdrinks, die auch oder sogar nur künstliche Aromen enthalten.
Durch die Wortfolge „zitrone limette minze“, die blickfangartige Abbildung von diesen Früchten und Kräutern in naturgetreuer Form, die prominent platzierte Mineralwassermarke, die Farbgestaltung von Verpackung und Getränk selbst und nicht zuletzt durch den Zusatz „bio“ weckt das konkrete Produkt (gewollte) Assoziationen mit einer sehr naturbelassenen, selbstgemachten Erfrischung, für die Mineralwasser mit Früchten oder Kräutern versehen und kaltgestellt wird. Wenn schließlich in der Produktbeschreibung auch noch von „Fruchtanteilen“ die Rede ist, berechtigt dies den Verbraucher jedenfalls zur Erwartung, dass das Getränk solche Anteile für all seine Geschmackskomponenten in tatsächlich erwähnenswerter Menge enthalten muss. Dies trifft aber gerade auf die Limette nicht zu. Zwar wurde das natürliche Aroma tatsächlich unter anderem auch, aber nur in ganz untergeordneter Rolle mit Limetten hergestellt. Tatsächlich verleiht aber ein Zitrusaromagemisch aus vorwiegend anderen Zitrusfrüchten dem Getränk die Limettennote.Zurück zur Liste
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