Aktuelle MeldungenJahresbericht 2023 der deutschen Wettbewerbszentrale
10.08.2024Die deutsche Wettbewerbszentrale fungiert seit mehr als 100 Jahren vor allem als Hüterin des fairen Wettbewerbs und schreitet als Selbstkontrollinstitution insbesondere bei Wettbewerbsverletzungen in Deutschland effizient ein. Die Beschwerden über unlautere Geschäftspraktiken erhält die Wettbewerbszentrale meist aus der Wirtschaft, von Unternehmen und Verbänden, unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Wettbewerbszentrale. Je nachdem erfolgen in den allermeisten Fällen rasch und außergerichtlich Hinweisschreiben oder eine Beanstandung per Abmahnung. In manchen Fällen ist es dennoch erforderlich, Unterlassungsklage vor den zuständigen Gerichten (bis zum Bundesgerichtshof oder bei Auslegungsfragen zum EU-Recht beim Europäischen Gerichtshof) einzureichen.
Von den rund 6000 wettbewerbsrechtlichen Anfragen und Beschwerden im Jahr 2023 betraf die größte Gruppe der bearbeiteten Fälle mit rund 60 % irreführende, intransparente Werbung sowie fehlende oder fehlerhafte Erfüllung von gesetzlich vorgeschriebenen Informationspflichten.
Die Fallgruppe der Verstöße gegen Marktverhaltensregeln (§ 3a UWG) machte etwa 34 % aller im Jahr 2023 bearbeiteten Fälle aus: Insgesamt waren in diesem Bereich mehr als 1.500 Fälle zu verzeichnen. Es handelt sich dabei etwa um berufsbezogene Regelungen wie z.B. die Handwerks- oder Gewerbeordnung oder um geschäfts- oder produktbezogene Regelungen wie z.B. das Heilmittelwerbegesetz. Diese spezialgesetzlichen Regelungen dienen meist auch dem Verbraucherschutz. So ist beispielsweise der Schutzzweck des Heilmittelwerbegesetzes sowohl der Schutz der Allgemeinheit als auch der Schutz der Gesundheit des Einzelnen. Der einzelne Verbraucher soll vor bestimmten Werbemaßnahmen im Heilmittelwerbebereich besonders geschützt werden. Zur Fallgruppe „Verstöße gegen Marktverhaltensregeln“ zählen außerdem die Fälle wegen Verstößen gegen die SEPA-Verordnung sowie die Fälle unzulässiger Zahlungsentgelte.
Belästigende Werbung, also unerlaubte Telefon-, Fax- oder E-Mail-Werbung, war in insgesamt 66 Fällen und damit rund 1,5 % aller Fälle zu verzeichnen. Besonders der Bereich der unerbetenen E-Mail-Werbung war dabei auf einem neuen Tiefststand.
Etwa 1,1 % der bearbeiteten Fälle betrafen die Fallgruppe der per se verbotenen Geschäftspraktiken (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG).
Insgesamt 201 Fälle betrafen schließlich sonstige Fallgruppen wie etwa aggressive geschäftliche Handlungen, AGB-Fälle, Mitbewerberschutz oder vergleichende Werbung. Um Fragen aggressiver geschäftlicher Handlungen ging es in 15 verzeichneten Fällen, z.B. Fragen zu unzulässiger Beeinflussung oder Laienwerbung.
Ziel der Wettbewerbszentrale ist stets eine außergerichtliche Erledigung zu erreichen. In den mehr als 230 im Jahr 2023 geführten Einigungsstellenverfahren gab es eine sehr hohe Einigungsquote. Diese Einigungsstellenverfahren bieten den Vorteil, dass ohne Inanspruchnahme der Gerichte wettbewerbsrechtliche Themen erörtert werden können. Außerdem sind die Einigungsstellen auch mit Kaufleuten als Beisitzer besetzt, sodass hier neben juristischer Expertise auch die Praxiserfahrung aus der Wirtschaft direkt in die Streitschlichtung mit einfließt.
Dennoch führte die Wettbewerbszentrale im Jahr 2023 insgesamt rund 330 Gerichtsverfahren, in erster Linie Unterlassungsklagen, aber auch Ordnungsmittelverfahren und Vertragsstrafen sowie Aufwendungsersatzklagen. Etwa zwei Drittel der Verfahren konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden.
Die Wettbewerbszentrale initiierte bereits in den vergangenen Jahren laufende Verfahren zur Werbung mit „klimaneutral“ für mehr Rechtssicherheit. Ein Fall liegt aktuell dem Bundesgerichtshof (Az. I ZR 98/23) zur Entscheidung vor, nachdem die Wettbewerbszentrale die vom OLG Düsseldorf (Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 152/22, nicht rechtskräftig) zugelassene Revision eingelegt hat: Das OLG Düsseldorf hatte über eine Werbung für Süßigkeiten in einer Zeitungsanzeige mit den Angaben „Seit 2021 produziert K. alle Produkte klimaneutral“ sowie mit der Angabe „Klimaneutral Produkt“ mit einer URL zu einer weiterführenden Internetseite entschieden. Nach Ansicht des Senats haben Verbraucher ein erhebliches Interesse an der Information, ob die Klimaneutralität (auch) durch eigene Einsparmaßnahmen erreicht werde oder nur durch den Erwerb von CO2-Zertifikaten beziehungsweise durch die Unterstützung von Klimaprojekten Dritter. Wie das Landgericht Kleve (Urteil vom 22.06.2022, Az. 8 O 44/21, nicht rechtskräftig) vertrat es die Auffassung, dass ein QR-Code oder eine Internetseite mit entsprechenden weiterführenden Informationen genügt. Da ein solcher Verweis vorliege, sei die Werbung daher nicht intransparent. Die Wettbewerbszentrale hingegen ist der Auffassung, dass bereits in der Werbung bzw. auf der Verpackung stichwortartig über die grundlegenden Punkte aufgeklärt werden müsste – auch wenn eine detaillierte Erklärung, wie die behauptete Klimaneutralität zustande kommt, erst auf der Internetseite erwartet werden kann.
In einem anderen Fall hatte ein Lebensmittelhersteller in einer Zeitungsanzeige für eine Marmelade mit der Angabe „Klimaneutraler Preis-Leistungs-Klassiker“ geworben. Abgebildet war auch ein Marmeladenglas mit den Angaben „klimaneutrales Produkt“. Weitere Angaben, was hierunter zu verstehen ist oder zumindest der Verweis auf eine Internetseite mit weiteren Informationen, fehlten in der Anzeige oder auf der Verpackung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt die Werbung für intransparent, da die Angabe „klimaneutral“ in der Werbung und auf der Verpackung nicht erklärt werde und auch nicht auf eine weiterführende Internetseite verwiesen werde (OLG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2023, Az. I-20 U 72/22, nicht rechtskräftig).
Weiters will die Wettbewerbszentrale gerichtlich klären lassen, wie weit die Plattformhaftung im Falle von Verstößen durch Drittanbieter gegen formale Marktverhaltensregeln, wie etwa dem EU-Bezeichnungsschutz für Milchprodukte, reicht (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.12.2023, Az. 6 U 154/22 – nicht rechtskräftig). In anderen Fällen ging es beispielsweise um wertvolle Wechselprämien, die gegen die „Strompreisbremse“ verstießen, intransparente Vertragsverlängerung, die Frage der Aufschlüsselung durchschnittlicher Sternebewertungen oder unzulässige Zahlungsentgelte.
Der gesamte Bericht zu 2023 und auch zu den Vorjahren ist unter https://www.wettbewerbszentrale.de/ueber-uns/die-wettbewerbszentrale/verbandsstruktur/jahresberichte-der-wettbewerbszentrale/ abrufbar.Zurück zur Liste
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