Aktuelle Judikatur

Zahlungsaufforderung bei Lieferung nicht bestellter Produkte auch bei bestehender Geschäftsbeziehung unzulässig

Der OGH befasste sich in der Entscheidung 4 Ob 68/18f vom 29.05.2018 mit einer Klage gegen den Medieninhaber und Herausgeber einer österreichischen Tageszeitung sowie mehrerer Magazine. Das Medienunternehmen versandte 2016 an Abonnenten ihrer Tageszeitung ein Schreiben, wonach der einmonatige Gratistest von zwei (nicht bestellten) Magazinen zu einem bestimmten Zeitpunkt ende und der Abonnent die Magazine abbestellen könne, wenn er das Sonderangebot zu einem bestimmten monatlichen Aufpreis nicht in Anspruch nehmen möchte. Der VKI als Kläger stützte sich auf § 1a UWG und begehrte, dem beklagten Medienunternehmen die aggressive Geschäftspraktik zu verbieten, seine Abonnenten zur Ablehnung nicht bestellter Magazine aufzufordern, widrigenfalls diese Magazine künftig zu bezahlen seien.

Strittig war im Verfahren die Anwendbarkeit der Verbotsnorm von UWG Anhang Z 29 (iVm § 1a UWG). Die Beklagte stand zunächst auf dem Standpunkt, der Gesetzgeber schränke UWG Anh Z 29 auf Gewerbetreibende nach der Gewerbeordnung ein, wobei die Tätigkeit einer Medieninhaberin aus der Gewerbeordnung ausgenommen sei. Richtig ist, dass UWG Anh Z 29 auf die (Handlungs-)Aufforderung durch einen „Gewerbetreibenden“ abstellt. Dieser Begriff stammt aus Nr 29 des Anhangs I zur RL-UGP, die weitestgehend wörtlich in den UWG-Anhang übernommen wurde. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben ist das UWG richtlinienkonform auszulegen. Der Begriff „Gewerbetreibender“ ist in Art 2 lit b RL-UGP definiert. Dabei handelt es sich um jede natürliche oder juristische Person, die im Geschäftsverkehr im Rahmen ihrer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt, und jede Person, die im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handelt. Daraus folgt laut OGH, dass dieser Begriff jede geschäftlich tätige Person, das heißt jeden Unternehmer im Sinn des KSchG und UGB umfasst und darunter nicht nur Gewerbetreibende im Sinn der österreichischen Gewerbeordnung fallen.

Zum Inhalt der Verbotsnorm von UWG Anh Z 29 vertrat die Beklagte die Auffassung, dass sie nur eine Vertragsänderung zu einem bestehenden Abonnementvertrag angekündigt und die Zahlungsaufforderung nicht unmittelbar mit der unerbetenen Zusendung der Magazine verbunden habe. UWG Anh Z 29 verbietet eine (unberechtigte) Zahlungsaufforderung (oder eine Rücksendungs- bzw. Verwahrungsaufforderung) an den Verbraucher im Zusammenhang mit der Zusendung nicht bestellter Waren oder der Erbringung nicht bestellter Dienstleistungen. Einer Zahlungsaufforderung ist eine Handlungsaufforderung gleichzuhalten, mit der vom Verbraucher ein Widerspruch verlangt wird, um die vom Unternehmer behauptete Zahlungspflicht abzuwenden. Verpönt ist in diesen Fällen die Belästigung des Verbrauchers durch das Aufdrängen eines Produkts, zumal eine solche Geschäftspraktik mit einer Beeinträchtigung der Verhaltens- und Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers verbunden ist.

Für die Beurteilung ist allein entscheidend, ob die angeführten Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Der Unternehmer darf nicht die Möglichkeit haben, durch die konkrete Ausgestaltung der Geschäftspraktik die Verbotsnorm zu umgehen. Aus diesem Grund ist in UWG Anh Z 29 ausdrücklich festgehalten, dass sich die Zahlungsaufforderung auf die sofortige oder spätere Zahlung beziehen kann. Zur vergleichbaren Rechtslage in Deutschland hat der BGH zu I ZR 134/10 entschieden, dass die Zusendung einer Ware unter Vorspiegelung einer angeblichen (Test-)Bestellung verbunden mit der Ankündigung, dass eine fortlaufende Lieferung von Waren erfolge, falls der Verbraucher nicht innerhalb einer bestimmten Frist widerspreche, den hier fraglichen Tatbestand erfüllt. Auch dadurch werde eine Zwangslage beim Verbraucher hervorgerufen. Diese Überlegungen sind auf die österreichische Rechtslage übertragbar.

Im Anlassfall hat die Beklagte zum schon bestehenden Zeitungsabonnement zusätzlich zwei vom betroffenen Verbraucher nicht bestellte Magazine geliefert und damit das bestehende Zeitungsabonnement im Lieferumfang erweitert. Für diese Erweiterung sollte nach der Testphase bei fehlendem Widerspruch des Verbrauchers ein zusätzliches Entgelt gezahlt werden. Damit handelt es sich bei der inkriminierten Geschäftspraktik um eine nach UWG Anh Z 29 verpönte Handlungsaufforderung im Zusammenhang mit tatsächlich erfolgten, unbestellten Warenlieferungen. Der Beklagten ist daher eine unter allen Umständen unlautere Geschäftspraktik vorzuwerfen. Von dem Verbotstatbestand wird auch die von zusätzlichen Warenlieferungen begleitete Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren – bei behaupteter Entgeltpflicht für den Fall des Unterlassens eines Widerspruchs – verfasst.

Die Tatbestandsmerkmale nach UWG Anh Z 29 können - je nach Ausgestaltung der in Frage stehenden Geschäftspraktik – auch im Rahmen einer Geschäftsbeziehung erfüllt sein. Die Rechtsprechung, wonach mit dem Zusenden nicht bestellter Bücher durch einen Fachbuchverlag samt Erlagschein an mit dem Vertriebssystem vertraute Kunden kein Verstoß gegen § 1 UWG verwirklicht werde (4 Ob 98/94), betrifft die alte Rechtslage und ist durch die Regelung von UWG Anh Z 29 überholt.

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