Aktuelle Judikatur

Irreführung durch Beibehaltung eines als befristet angekündigten Preisnachlasses

Die vorliegende Entscheidung des OGH vom 23.11.2021, 4 Ob 84/21p – Gratis bis Jahresende, enthält eine wichtige Feststellung zur Irreführung durch eine weitere, ununterbrochene Gewährung von Preisnachlässen über das angekündigte Ende des Aktionszeitraums hinaus, welche von der bisherigen, großzügigeren Rechtsprechung in solchen Fällen abweicht. Der OGH betont dabei, dass es hier nicht auf das Verschulden des Werbenden ankommt. Zudem sei auch die Judikatur zur irreführenden Preisgegenüberstellung mit Mondpreisen einschlägig.

Der beklagte Anbieter von Internetdienstleistungen im Glasfasernetzwerk hatte auf Plakaten und im Fernsehen damit geworben, dass Neukunden bei einem Vertragsabschluss bis 28.10.2019 die monatliche Grundgebühr bis Jahresende erlassen werde („Gratis bis Jahresende“). Nachdem der Anbieter jedoch – ohne Unterbrechung – auch (Neu)Kunden, die erst nach diesem Stichtag einen solchen Vertrag abschlossen, die monatliche Grundgebühr für drei Monate erließ und zudem (Neu)Kunden auch schon vor dem Aktionszeitraum für die ersten drei Monate nur eine reduzierte Grundgebühr verrechnet worden war, brachte der VKI (Verein für Konsumenteninformation) eine Klage auf Unterlassung nach dem UWG ein.

Der Beklagte habe hier den irreführenden Eindruck erweckt, ein Vertragsabschluss innerhalb eines bestimmten Zeitraums würde gegenüber späteren Vertragsabschlüssen zu einer Ersparnis führen. Das habe aber nicht der Wahrheit entsprochen, weil der Beklagte auch gleich nach Ende der Aktion seinen (Neu)Kunden das gesamte Grundentgelt für volle drei Monate erlassen habe, was sogar zu einer größeren Ersparnis geführt hätte als das gegenständliche, vermeintlich befristete Angebot. Der Beklagte habe außerdem bereits im Zeitpunkt der Erstellung der beanstandeten Werbung geplant oder es zumindest für möglich gehalten, die Aktion (in ähnlicher Form) zu verlängern. Es liege daher eine unlautere Irreführung im Sinne des § 2 UWG vor (siehe dazu auch Z 7 des Anhangs zum UWG: „Die unrichtige Behauptung, dass das Produkt nur eine sehr begrenzte Zeit oder nur eine sehr begrenzte Zeit zu bestimmten Bedingungen verfügbar sein werde, um so den Verbraucher zu einer sofortigen Entscheidung zu verleiten, so dass er weder Zeit noch Gelegenheit hat, eine informierte Entscheidung zu treffen“). Die beworbene Ersparnis sei überdies ein Vergleich mit Mondpreisen.

Der OGH bestätigte diese Rechtsansicht. Gerade bei Dauerschuldverhältnissen für Dienstleistungen wie Kommunikation, Energie oder Unterhaltung erreichten die Anbieter eine gewisse Kundenbindung, indem sie bei einem Kündigungsverzicht für einen bestimmten Zeitraum besonders günstige Vertragskonditionen in Aussicht stellen. Werbung mit einem (scheinbar) zeitlich befristeten Sonderangebot sei daher durchaus geeignet, solche Kunden zu einem rasch(er)en Anbieterwechsel zu bewegen. Entspricht die Information zur zeitlichen Befristung des Angebots nicht den Tatsachen, erleide der irregeführte Kunde bei zeitlich überlappenden Verträgen durch seine nur scheinbar optimierte Vorgangsweise in Wahrheit finanzielle Nachteile gegenüber einem späteren Anbieterwechsel nach Ende der Bindungsfrist.

Nach der seit 2013 ergangenen EuGH-Judikatur zu Art 6 Abs 1 UGP-RL hänge der irreführende Charakter einer Geschäftspraxis allein davon ab, dass sie unwahr ist, weil sie falsche Angaben enthält, oder dass sie ganz allgemein den Durchschnittsverbraucher in Bezug auf ua die Art oder die wesentlichen Merkmale eines Produkts oder einer Dienstleistung zu täuschen geeignet ist und ihn dadurch voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst, die er ohne diese Praxis nicht getroffen hätte. Liegen diese Merkmale vor, gelte die Praxis als irreführend, ohne dass zu prüfen wäre, ob sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht. Auch unverschuldet objektiv unrichtige Angaben seien daher ein Verstoß gegen Art 6 UGP-RL. Die Bewerbung eines „bis 28. 10. 2019“ (laut Fußnote) bzw „bis Jahresende“ (laut Blickfang) befristeten Sonderangebots sei somit irreführend, wenn – mit oder ohne Verschulden des Werbenden – dieselben oder sogar noch günstigere Konditionen ohne jede Unterbrechung auch danach noch immer gewährt werden.

Weiters liege tatsächlich ein Vergleich mit Mondpreisen vor. Der Beklagte habe im Rahmen einer zeitlich befristeten Aktion mit dem Erlass des Vertragsentgelts für drei Monate geworben, obwohl er bei allen Neuverträgen die Grundgebühr für die ersten drei Monate zur Gänze oder zu 95 % erlasse bzw erlassen habe. Die Irreführung liege damit nicht (nur) in einer künstlichen Verkürzung der Entscheidungsfrist für den Kunden durch Vorgabe einer nicht gegebenen Befristung des „Sonderangebots“. Vielmehr setze der Beklagte seine aktuelle Preisgestaltung auch in Relation zu einem tatsächlich nie verrechneten Phantasiepreismodell und sei damit auch die Rechtsprechung zur irreführenden Preisgegenüberstellung mit Mondpreisen einschlägig. Wer Preise zunächst so festsetzt, dass ihm die generelle Gewährung und werbewirksame Ankündigung von Preisnachlässen möglich ist, verstoße nach ständiger Rechtsprechung gegen § 2 UWG („beworbener Mondpreis“). Ob der Werbende die angebliche Preisreduktion durch sein „Sonderangebot“ dabei als absoluten Eurobetrag, als prozentuellen Rabatt oder wie hier als Gratisbezugszeitraum bei einem Dauerschuldverhältnis umschreibt, sei dabei nicht von Relevanz. In allen diesen Fällen werde eine konkret bezifferte oder zumindest bezifferbare Ersparnis in Aussicht gestellt, indem der Werbende einen Vergleich nicht mit realen, also früher regelmäßig verlangten Preisen, sondern mit überhöhten fiktiven Kalkulationsgrößen anstelle.


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