Aktuelle Judikatur

Irreführende Werbung mit Downloadgeschwindigkeit

Die Entscheidung des OGH vom 19.12.2023 zu 4 Ob 80/23b enthält wesentliche Feststellungen zur Irreführung durch die Angabe von nicht repräsentativen Datentransfergeschwindigkeiten. Ein Internetanbieter gab auf seiner Website bei einem Tarif eine Downloadgeschwindigkeit von 40 Mbit/s an. Dass es sich dabei um eine Maximalgeschwindigkeit handelte („bis zu 40 Mbit/s“) war erst nach Anklicken von zwei weiteren Links ersichtlich und war zudem nur einer gesondert zu öffnenden pdf-Datei („Entgeltbestimmungen & Leistungsbeschreibung“) zu entnehmen, dass normalerweise 95 % des Tages lediglich eine Geschwindigkeit von (rund) 23 Mbit/s zur Verfügung stehe.

Der klagende VKI beantragte, diese Werbung als irreführend zu untersagen, weil hier eine zur Verfügung stehende Geschwindigkeit angegeben werde, die bei Weitem nicht erreicht wird. Auch Hinweise wie „Angegebene Datentransfergeschwindigkeiten stellen Maximalwerte dar“ oder „bis zu“ reichten nicht aus, wenn – wie hier – die in der Leistungsbeschreibung angegebene normalerweise zur Verfügung stehende Geschwindigkeit mehr als geringfügig, insbesondere mehr als 10 %, unter der behaupteten (Maximal-)Angabe liegt, insbesondere wenn die angegebene normalerweise zur Verfügung stehende Download-Geschwindigkeit nur 57,78 % oder weniger der behaupteten Geschwindigkeit beträgt.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Das Berufungsgericht hielt hingegen den aufklärenden Hinweis „bis zu“ für ausreichend, um eine Irreführung zu vermeiden. Ein Verbraucher rechne selbst bei Festnetz-Anschlüssen damit, dass die Maximalgeschwindigkeit nur selten erreicht werde. Der OGH teilte diese Ansicht nicht und stellte das Ersturteil wieder her.

Bei einer blickfangartigen Aussage bedarf es zur Vermeidung eines irreführenden Gesamteindrucks eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises, mit dem über die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen die Aussage gilt, ausreichend aufgeklärt wird. Je zentraler bestimmte Produkteigenschaften in der Werbung herausgestrichen werden, desto notwendiger ist der Hinweis auf damit verbundene Einschränkungen. Konstant hohe Datenübertragungsraten sind oftmals ein entscheidender Faktor für die Funktionalität von Internetanwendungen. Insofern ist zu erwarten, dass eine Vielzahl von Kunden diesem Leistungsmerkmal bei der Auswahl eines Access-Providers wesentliche Beachtung zuwendet.

Im vorliegenden Fall stellte die Beklagte die Datentransfergeschwindigkeit als die definierende Eigenschaft ihrer Dienstleistung heraus, ohne dass die Tarifinformation selbst erkennen ließ, dass die angegebene Geschwindigkeit nur ein Maximalwert ist. Die Kunden rechneten daher damit, dass ihnen diese Geschwindigkeit immer oder zumindest fast immer geboten werde. Diese Werbung wäre aber auch dann als irreführend anzusehen, wenn darauf hingewiesen wird, dass die beworbene Geschwindigkeit eine Maximalgeschwindigkeit ist. Schon nach Punkt 2.8.1 der Leitlinien zur Auslegung und Anwendung der UGP-RL (2021/C 526/40) können „bis-zu“-Angaben als irreführend eingestuft werden, wenn die Anbieter nicht nachweisen können, dass die Verbraucher die zugesicherten maximalen Ergebnisse unter normalen Umständen erzielen. Insbesondere ist dabei zu fragen, ob die Ergebnisse und Vorteile, die ein Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise erwarten kann, einschließlich möglicher Gegebenheiten oder Beschränkungen klar benannt wurden.

Hier verpflichtete sich die Beklagte ihren Kunden gegenüber für 95 % der Zeit eines jeden Tages nur in etwa die Hälfte der beworbenen Geschwindigkeit zu bieten. Sie sagte die beworbene Geschwindigkeit daher nur für ein Zwanzigstel der Zeit zu – noch dazu, ohne dass der Kunde weiß, wann dies der Fall sein wird. Dies gilt nach den AGB außerdem unterschiedslos für alle Kunden, selbst wenn an ihren konkreten Standorten technisch die Voraussetzungen für deutlich höhere Geschwindigkeiten vorliegen würden. Ein Spitzenwert, der nur selten erreicht wird und von der regelmäßig zur Verfügung zu stellenden Leistung deutlich abweicht, ist bei nicht punktuell, sondern typischerweise über längere Zeiträume hinweg genutzten Produkten und Dienstleistungen für den Durchschnittsverbraucher kein für die Kaufentscheidung relevanter Parameter. Er wird daher selbst bei Hinweisen wie „bis zu“ oder „Maximalgeschwindigkeit“ nicht damit rechnen, dass die bei typischer Nutzung maßgeblichen Leistungsparameter wesentlich von der beworbenen Kennzahl abweichen.

Bei der weiteren Klage des VKI gegen einen anderen Internetprovider mit einem nahezu identischen Sachverhalt (OGH 25.1.2024 zu der Geschäftszahl 4 Ob 99/23x) würde noch erörtert, dass die Rechtsfolgen der EU-Netzneutralitäts-Verordnung (kurz TSM-VO) auf der einen Seite und der UGP-RL bzw des UWG auf der anderen Seite einander nicht ausschließen. Es ist einem Internetserviceprovider nämlich ohne Weiteres möglich, gemäß Art 4 Abs 1 lit d TSM-VO die beworbene Geschwindigkeit im Vertrag anzuführen, auch wenn er seine Werbung mit Datentransfergeschwindigkeiten in Entsprechung von § 2 UWG so formuliert, dass sie beim Durchschnittsverbraucher keine unzutreffenden Erwartungen weckt. Normzweck der TSM-VO ist die gleichberechtigte und nichtdiskriminierende Behandlung des Datenverkehrs bei der Bereitstellung von Internetzugangsdiensten, der Schutz von und die Vertrauensbildung bei Endnutzern, der Erhalt des „Ökosystems“ Internet als Innovationsmotor sowie die Angleichung der Preise und anderen Bedingungen in der Union. Diese Zwecke stehen in keinem Gegensatz zu den Zielen des UWG bzw der RL-UGP, sondern werden durch die Vermeidung irreführender Werbung laut OGH sogar optimal gefördert.

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