Aktuelle Judikatur

Unlauterkeit eines gewerbsmäßigen Abmahnwesens bei Besitzstörungen

Die Antragsgegnerin bot im geschäftlichen Verkehr Abmahnungen bei Besitzstörungen an, und zwar in der Form, dass sie für den (in seinem Besitz gestörten) Kunden bei der Behörde zunächst die Fahrzeug-Halterdaten des Störers („Falschparkers“) ermittle und diesem dann eine Unterlassungserklärung schicke, in welcher sich dieser – zur Abwendung einer Klage – zur Unterlassung und Zahlung einer Pauschale von EUR 399.- auf das Konto der Antragsgegnerin verpflichte, wovon der Kunde 50 % der Pauschale erhalte. Wie betont wurde, werde man ausschließlich auf Meldung und Beauftragung durch Privatpersonen oder Unternehmen tätig. Nach den AGB beauftragte der Kunde („Melder“) mit der Meldung der Störungshandlung gleichzeitig die Antragsgegnerin mit der kostenlosen Bewachung seines Besitzes und räumte ihr „Mitbesitz an der gestörten Liegenschaft“ ein.

Die antragstellende Rechtsanwaltskanzlei sah darin einen unlauteren Rechtsbruch im Sinne des § 1 UWG, weil hier gegen den Rechtsanwaltsvorbehalt gemäß § 8 RAO verstoßen werde. Sie begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, nach der es die Antragsgegnerin zu unterlassen habe, im geschäftlichen Verkehr im Auftrag Dritter Aufforderungsschreiben an Besitzstörer zu versenden, mit denen diese zur Abgabe von Unterlassungserklärungen und/oder zur Zahlung von Geldbeträgen aufgefordert würden und/oder mit denen Vergleichsangebote für das Absehen von der Einbringung einer Besitzstörungsklage unterbreitet würden. Die Antragsgegnerin verhalte sich unlauter im Sinne des § 1 Abs 1 Z 1 UWG („Vorsprung durch Rechtsbruch“). Sie betreibe gewerbsmäßig ein außergerichtliches Abmahnwesen bei Besitzstörungen und übe damit im geschäftlichen Verkehr eine Tätigkeit aus, die gemäß § 8 RAO Rechtsanwälten vorbehalten sei, indem sie vorprozessual für Dritte in Rechtsangelegenheiten einschreite. Mit den Gewerbeberechtigungen der Antragsgegnerin (für Sicherheitsgewerbe und für Dienstleistungen in der automatischen Datenverarbeitung und Informationstechnik) sei keine Kompetenz zur Vertretungstätigkeit in rechtlichen Angelegenheiten verbunden.

Die Vorinstanzen wiesen den Sicherungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass der Antragsgegnerin von den Kunden Mitbesitz an den konkreten Parkplätzen eingeräumt werde und sie daher keine Vertretungstätigkeit zugunsten Dritter entfalte, sondern nur eigene rechtliche Interessen geltend mache. Der OGH korrigierte diese Rechtsansicht mit Beschluss vom 25.1.2024, 4 Ob 5/24z, und führte dazu insbesondere Folgendes aus.

Das Vertretungsrecht eines Rechtsanwalts umfasst die Befugnis zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen, in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten (§ 8 Abs 1 RAO). Die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung ist den Rechtsanwälten vorbehalten (§ 8 Abs 2 RAO). Ein Eingriff in die Befugnis zur umfassenden berufsmäßigen Parteienvertretung nach § 8 Abs 2 RAO liegt damit nicht nur bei prozessualen Vertretungshandlungen für andere in einem konkreten Verfahren vor, sondern genügt es vielmehr, dass einzelne oder auch nur eine einzige Tätigkeit aus dem Gesamtspektrum der vorbehaltenen Tätigkeiten gewerbsmäßig ausgeübt wird, wie zB eine Korrespondenz in juristischen Angelegenheiten mit Androhung einer Klage und Anzeige.

Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin zielt zentral darauf ab, die Interessen des besitzenden Kunden gegenüber dem Besitzstörer zu vertreten und die sich daraus ergebenden zivilrechtlichen Ansprüche des Kunden außerprozessual durchzusetzen. Die Ausführungen der Antragsgegnerin, sie mache nur eigene Ansprüche geltend, weil ihr von den Kunden im Zusammenhang mit dem Auftrag zur Bewachung von Liegenschaften „Mitbesitz“ eingeräumt werde, sind nicht geeignet, einen Verstoß gegen § 8 Abs 2 RAO zu verneinen. Rechtsbesitz setzt voraus, dass die Ausübung des Rechtsinhalts als Recht in Anspruch genommen wird, was hier nicht vorliegt. Zudem scheitert ein Rechtsbesitz im Anlassfall schon daran, dass kein Gebrauch im eigenen Namen (§ 312 ABGB) vorliegt. Darüber hinaus steht dem bloßen Bewacher einer Sache weder Sach- noch Rechtsbesitz zu, weil dieser keinen Willen hat, die Sache für sich zu haben. Der Überwachungsauftrag kann allenfalls zu einer (bloßen) Innehabung an den Liegenschaften führen. Selbst bei Setzen einer Überwachungshandlung würde die Antragsgegnerin keine Rechtsausübung vornehmen, weil darunter keine Handlungen fallen, die nur zur Erfüllung einer Pflicht unternommen werden.

Abgesehen von der evidenten sachenrechtlichen Unwirksamkeit der Einräumung eines Mit- bzw Rechtsbesitzes an die Antragsgegnerin als Bewacherin der Liegenschaft, dient die Konstruktion des angegriffenen Geschäftsmodells primär (nur) dazu, um nach außen hin zu verschleiern, dass die Interessen der von der Antragsgegnerin betreuten Kunden durchgesetzt werden sollen. Dies ergibt sich aus der von den Vorinstanzen detailliert dargestellten Vorgangsweise, wie die Kunden „ganz ohne Klage und Gerichtsverfahren zu ihrem Recht kommen“.

Ungeachtet des mit der gegenständlichen Konstruktion verbundenen Umstands, dass die Antragsgegnerin gegenüber den störenden Dritten formal nicht als Vertreterin der Kunden auftritt, liegt im Anlassfall ein Eingriff in das Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte vor, weil die Antragsgegnerin ihre Kunden außergerichtlich dahin unterstützt, dass deren verletzte Rechte durchgesetzt werden. Mit Blick auf die Judikatur, wonach beim Vorbehalt des § 8 Abs 2 RAO nicht bloß auf reine Vertretungstätigkeiten, sondern auf das typische Berufsbild des Rechtsanwalts und die traditionellerweise von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten abzustellen ist, ist die lauterkeitsrechtliche Vertretbarkeit des der Antragsgegnerin vorzuwerfenden Rechtsbruchs zu verneinen. Die Rechtsdurchsetzung im Fall von Besitzstörungen gehört zu den typisch von Rechtsanwälten ausgeübten Tätigkeiten. Die behauptete nachgelagerte Einschaltung von Rechtsanwälten für die klagsweise Durchsetzung ändert daran nichts. Zudem zielte das Vorgehen der Antragsgegnerin geradezu darauf ab, die Bestimmung des § 8 Abs 2 RAO durch die von ihr gewählte Konstruktion zu umgehen.

Siehe dazu auch die Meldung auf www.schutzverband.at vom 3.10.2023 zur Entscheidung des OGH 4 Ob 45/23f vom 12.9.2023, in welcher das Höchstgericht festgestellt hat, dass die Vermittlung von außergerichtlichen Vergleichen und die Betreibung von bestrittenen und somit strittigen Forderungen durch ein Inkassoinstitut unzulässigerweise in den Vorbehaltsbereich der Rechtsanwälte eingreift.

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