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Neue Richtlinie für Know-how-Schutz in Kraft

01.07.2016

Das Gesetzgebungsverfahren zur Erlassung einer neuen EU-Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung wurde mit dem Beschluss des EU-Rats vom 27. Mai 2016 abgeschlossen. Diese Richtlinie 2016/943 vom 8.Juni 2016 ist am 15.6.2016 im Amtsblatt der Europäischen Union (L 157/1) veröffentlicht worden und binnen zwei Jahren in nationales Recht umzusetzen.

Hintergründe des Vorschlags der Kommission aus dem November 2013 waren unter anderem das erhöhte Risiko hinsichtlich des Schutzes von Know-how und Geschäftsgeheimnissen in Folge vermehrten Outsourcings und längerer Lieferketten wie auch das Ziel der Erleichterung des Zugangs zu Risikokapital und Finanzierung, da es sich lohnen soll, innovativ zu sein. Laut einer Information des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) löst diese Richtlinie einen Umsetzungsbedarf in Österreich aus, der hauptsächlich das UWG (Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb) betreffen soll.

Im Wirtschaftsbericht 2016 wird unter dem Titel Wettbewerb und Innovationen - Schutz von Know-How vor Diebstahl ebenfalls bereits darüber berichtet. Betriebliches Know-How ist wertvolles Betriebsvermögen mit einer bedeutenden Rolle für Wirtschaftswachstum und Förderung von Innovation (z.B. technisches Know-How, aber auch Marketingmethoden). Mit der Richtlinie über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen soll der zersplitterten Rechtslage in der EU entgegengewirkt werden, die sich negativ auf die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungspartnern auswirkt. Denn Industriespionage schädigt die europäische Wirtschaft und geht
zulasten von Arbeitsplätzen.

Der Schutz von Know-how und Geschäftsgeheimnissen ist dort erforderlich, wo kein formaler Rechtsschutz (insbesondere kein Patent oder Gebrauchsmuster) zur Verfügung steht.

Geschäftsgeheimnisse sind Informationen, welche folgende Kriterien erfüllen:

• Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind;

• Sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind;

• Sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden, angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Information besitzt.

Es muss dabei kein „absolutes“ Geheimnis vorliegen, damit ein Geschäftsgeheimnis geschützt ist. Neu ist das Erfordernis der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme. Damit müssen Unternehmen künftig Geschäftsgeheimnisse aktiv schützen und das im Streitfall nachweisen. Es ist daher empfehlenswert, in diesem Sinne IT-Maßnahmen zu setzen, Mitarbeiter zu schulen, interne Richtlinien zu erarbeiten und Verträge entsprechend zu gestalten.

Wie schon bisher in Österreich sind sowohl technische als auch kommerzielle Geschäftsgeheimnisse umfasst. Ein weitergehender Schutz wird in das Ermessen der Mitgliedstaaten gestellt. Die Richtlinie führt außerdem aus, dass Erfahrungen und Fähigkeiten, die Arbeitnehmer im normalen Verlauf ihrer Tätigkeit ehrlich erworben haben, von ihnen weiterhin genutzt werden dürfen, soweit es sich dabei nicht um Geschäftsgeheimnisse handelt.

Rechtswidriger Erwerb gilt nach der Richtlinie bei unbefugtem Zugang, unbefugter Aneignung sowie unbefugtem Kopieren von Dokumenten, Gegenständen, Materialien, Stoffen oder elektronischen Dateien, die das Geschäftsgeheimnis enthalten oder aus denen es sich ableiten lässt. Weiters besteht ein Schutz auch von „nur“ ableitbaren Geschäftsgeheimnissen. Dabei ist anders als nach dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag nicht nur die vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung von Geschäftsgeheimnissen geschützt.


Neben einer Beschreibung der Tatbestände der rechtswidrigen Nutzung und Offenlegung sieht die Richtlinie weiters vor, dass auch Erwerb, Nutzung und Offenlegung bei Wissen oder Wissenmüssen der unmittelbaren oder mittelbaren rechtswidrigen Besitzerlangung durch den Vormann nicht erlaubt sind. Dasselbe gilt für das Herstellen, Anbieten und Inverkehrbringen von rechtsverletzenden Produkten.

Die Richtlinie enthält als zweiten wichtigen Bereich auch Bestimmungen über die Rechtsdurchsetzung im Fall der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen. Aus dem Erwägungsgrund 6 der Richtlinie folgt, dass für die Geltendmachung von Ansprüchen kein Wettbewerbsverhältnis vorausgesetzt wird. Vorgesehen ist, dass die im Fall der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen zur Verfügung stehenden Abhilfemaßnahmen verhältnismäßig sein müssen. Dabei ist auf den Wert des Geschäftsgeheimnisses, die Schwere und die Auswirkungen des Verhaltens sowie die Interessen Beteiligter und Dritter sowie gegebenenfalls der Verbraucher Rücksicht zu nehmen.

Eine während des Rechtssetzungsverfahrens strittige Frage war der Umgang mit Geschäftsgeheimnissen im Zuge von Prozessen. Es soll nicht passieren, dass in einem Prozess, bei dem es darum geht, ob eine Information ein schützenswertes Geschäftsgeheimnis ist, und/oder ob ein solches verletzt wurde, durch die zivilprozessualen Grundsätze und Verfahrensregeln genau das Gegenteil des Prozesszieles, nämlich die Offenlegung der Information erfolgt.

Weiters können zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen auch einstweilige Verfügungen erlassen werden, was in Österreich jetzt schon möglich ist. Darunter fallen unter anderem das Verbot des Herstellens etc rechtsverletzender Produkte und deren Beschlagnahme. Auch hier ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzuwenden, für den Artikel 11 Parameter beschreibt.

Ähnliches gilt für das Hauptverfahren. Neben dem Gebot der Einstellung oder dem Verbot der Nutzung oder Offenlegung des Geschäftsgeheimnisses und dem Verbot der Produktion etc rechtsverletzender Produkte können auch andere „geeignete Abhilfemaßnahmen hinsichtlich der rechtsverletzenden Produkte“ vorgesehen werden. Ergänzt wird das durch die Möglichkeit der Vernichtung rechtsverletzender Gegenstände. Die erwähnten geeigneten Abhilfemaßnahmen können - wie in Österreich bereits bekannt - der Rückruf oder die Beseitigung rechtsverletzender Produkte sein.

Schließlich sieht die Richtlinie vor, dass dem Verletzten Schadenersatzansprüche zuzugestehen sind, wobei hier wie schon in anderen Zusammenhängen ein europarechtlicher Schadenersatzbegriff angewendet wird, der auch entgangenen Gewinn des Geschädigten, durch die Rechtsverletzung erzielte unlautere Gewinne und gegebenenfalls immaterielle Schäden umfasst. Alternativ kann ein aus Lizenzgebühren abgeleiteter Pauschalbetrag angesetzt werden.

Ein gewisses natürliches Spannungsverhältnis bringt diese Richtlinie im Verhältnis zur Meinungsäußerungsfreiheit, zur Medienfreiheit und betreffend den Schutz von Whistelblowern, was auch in Stellungnahmen vorgebracht wurde. Laut der Richtlinie darf jemanden, der ein Fehlverhalten aufdeckt, ein allfälliger Geheimnisverrat nicht zum Verhängnis werden, wenn er in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Auch dürfen Arbeitnehmer ihre ehrlich erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten weiterhin ungehindert nutzen und ihre Mobilität darf nicht beschränkt werden. Hier ist wie so oft ein angemessener und sachgerechter Interessensausgleich zielführend.

Die Richtlinie ist außerdem ein Beispiel dafür, dass die österreichische Rechtslage im Bereich des Immaterialgüterrechtes und des Lauterkeitsrechts einen hohen Standard mitbringt. Manche Vorschriften werden einführen, was es im österreichischen Recht ohnedies schon gibt. Dessen ungeachtet sollte durch die Umsetzung eine weitere Verbesserung des Rechtsschutzes von Geschäftsgeheimnissen zu erwarten sein, zumal damit dann eine europaweite Harmonisierung verbunden ist.

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