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Neue EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken im Lebensmittelsektor

02.05.2019

Die EU-Richtlinie 2019/633 über unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette wurde am 25.4.2019 veröffentlicht (Amtsblatt der Europäischen Union, L 111/59). Darin werden zur Bekämpfung von Praktiken, die gröblich von der guten Handelspraxis abweichen, gegen das Gebot von Treu und Glauben und des redlichen Geschäftsverkehrs verstoßen und einem Handelspartner einseitig von einem anderen aufgezwungen werden, … eine Mindestliste verbotener unlauterer Handelspraktiken in Beziehungen zwischen Käufern und Lieferanten in der Agrar- und Lebensmittelversorgungskette festgelegt (Artikel 1 Abs 1).
Die Bestimmungen der Richtlinie gelten jedoch nur, wenn sich die Partner in einem bestimmten „Umsatz-Größenverhältnis“ gegenüberstehen, wobei grundsätzlich der Käufer einen höheren Jahresumsatz haben muss als der Lieferant. So muss zB einem Lieferanten mit einem Jahresumsatz zwischen 2 Mio und 10 Mio EUR ein Käufer mit mehr als 10 Mio EUR Jahresumsatz gegenüberstehen und einem Lieferanten mit einem Jahresumsatz zwischen 10 Mio bis 50 Mio EUR ein Käufer, der mehr als 50 Mio EUR Jahresumsatz hat. Die Richtlinie gilt damit zB nicht für Vertragsverhältnisse zwischen einem Lieferanten mit 12 Mio EUR und einem Käufer mit 48 Mio EUR Jahresumsatz (es sei denn, der Käufer ist eine Behörde). Eine absolute Obergrenze ergibt sich daraus, dass sich Lieferanten mit mehr als EUR 350 Mio Jahresumsatz nicht mehr auf die Richtlinie berufen können.
Gemäß Artikel 3 Abs 1 der Richtlinie sind dem Käufer – zusammenfassend – insbesondere folgende Verhaltensweisen verboten:
- verspätete Zahlungen (für Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse, wie zB Zahlungen erst nach mehr als 30 Tagen nach der Lieferung bei verderblichen Erzeugnissen);
- kurzfristige Stornierung von Bestellungen, insbesondere dann, wenn der Lieferant keine alternativen Vermarktungs- oder Verwendungsmöglichkeiten für die Ware hat;
- einseitige Änderung von Liefervereinbarungen in Bezug auf Häufigkeit, Methode, Ort, Zeitpunkt, Umfang bzw von Qualitätsstandards, Zahlungsbedingungen oder Preisen;
- das Verlangen von Zahlungen vom Lieferanten, die nicht im Zusammenhang mit dem Verkauf von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen stehen;
- vom Lieferanten zu verlangen, dass er allgemein auch für Qualitätsminderungen einzustehen hat, die nach der Übergabe der Erzeugnisse an den Käufer auftreten;
- Verweigerung von schriftlichen Bestätigungen einer (individuellen) Liefervereinbarung;
- Vergeltungsmaßnahmen gegen den Lieferanten, wenn dieser seine vertraglichen oder gesetzlichen Rechte vor einer Behörde geltend macht.


Artikel 3 Abs 2 der Richtlinie zählt Handelspraktiken auf, die dem Käufer – zusammenfassend – nur dann erlaubt sind, wenn sie zuvor klar und eindeutig mit dem Lieferanten vereinbart wurden:
- das Zurückschicken nicht verkaufter Agrar- und Lebensmittelerzeugnisse, ohne für diese bzw für deren Beseitigung zu bezahlen;
- das Verlangen einer Zahlung vom Lieferanten dafür, dass die Erzeugnisse gelagert, zum Verkauf angeboten, gelistet oder auf dem Markt bereitgestellt werden;
- vom Lieferanten zu verlangen, die Kosten für Preisaktionen bei den entsprechenden Waren zu tragen;
- vom Lieferanten zu verlangen, die Werbe- und Vermarktungskosten des Käufers für die Produkte zu bezahlen;
- vom Lieferanten zu verlangen, Personal- bzw Einrichtungskostenzuschüsse zu leisten.
Werden solche Vereinbarungen getroffen, hat der Käufer dem Lieferanten auf Verlangen eine schriftliche Kostenschätzung samt Berechnungsgrundlagen vorzulegen.
Zu den Verhaltensweisen ist festzuhalten, dass es sich dabei ausdrücklich (siehe Artikel 9 Abs 1) um eine Mindestharmonisierung der EU handelt und strengere nationale Regelungen zulässig sind. Es können daher in den einzelnen Mitgliedstaaten noch weitere Handelspraktiken als unlauter im Sinne dieser Richtlinie erklärt und verboten werden. Auch andere nationale Vorschriften zur Bekämpfung unlauterer Handelspraktiken, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, bleiben unberührt.
Für die Durchsetzung der Verbote haben die Mitgliedstaaten eine oder mehrere Behörden („Durchsetzungsbehörden“) zu bestimmen, bei der die betroffenen Lieferanten – auch anonym – Beschwerde einbringen können. Darüber hinaus sollen auch bestimmte Organisationen im Interesse und auf Ersuchen des Lieferanten zur Einbringung einer Beschwerde berechtigt sein. Die nationalen Durchsetzungsbehörden werden gemäß den Vorgaben der Richtlinie mit umfassenden Ermittlungs- und Entscheidungs-Befugnissen ausgestattet sein.
Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Richtlinie bis spätestens 1.Mai 2021 in nationales Recht umzusetzen und die entsprechenden Bestimmungen spätestens ab 1. November 2021 anzuwenden.

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