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Neuerungen durch die Omnibus-Richtlinie: Regelungen zu „Dual Quality“, Haustürbesuchen und Werbefahrten

31.08.2022

Im UWG findet sich nun ein neuer Irreführungstatbestand. Dieser betrifft das Verbot der "Dual Quality" als „jegliche Vermarktung einer Ware in einem Mitgliedstaat als identisch mit einer in anderen Mitgliedstaaten vermarkteten Ware, obgleich sich diese Waren in ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen wesentlich voneinander unterscheiden, sofern dies nicht sachlich gerechtfertigt ist“ (§ 2 Abs 3 Z 3 UWG). Voraussetzung ist, dass eine solche Vermarktung geeignet ist, einen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

Hintergrund dieser Regelung war das Anliegen vor allem osteuropäischer Mitgliedstaaten, in Ergänzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) ein Verbot von Dual Quality-Produkten einzuführen. Das Phänomen der sogenannten „Dual Quality“ in Bezug auf Lebensmittel wurde bereits im Jahre 2017 in einer Sitzung des Rates „Landwirtschaft und Fischerei“ (AGRIFISH) von den slowakischen, tschechischen und ungarischen Delegationen angesprochen. Daneben wiesen auch mehrere, in einigen Mitgliedstaaten zwischen 2016 und 2018 durchgeführte Studien auf eine unterschiedliche Qualität von Markenlebensmitteln in verschiedenen Mitgliedstaaten hin. Im Fokus standen dabei vor allem Lebensmittel wie Fischstäbchen, Fertigsuppen, Kaffee und Erfrischungsgetränke. Durch das Joint Research Centre der EU (JRC) wurde dann eine EU-weite Studie zu diesem Thema initiiert. Ein Ost-West-Gefälle der Qualität von den dort untersuchten Lebensmitteln konnte durch die Studie allerdings nicht festgestellt werden.

Schon bisher konnten solche Dual Quality-Fälle auf Grundlage der Vorschriften der UGP-Richtlinie und, sofern Lebensmittel betroffen waren, auch der Lebensmittel-Informationsverordnung (Verordnung (EU) 1169/2011 – LMIV) geahndet werden. So darf nach der LMIV die Kennzeichnung, Aufmachung und Werbung von Lebensmitteln über die Eigenschaften des Produkts (insbesondere über die Art, Identität und Zusammensetzung), also auch über dessen „Qualität“, die Marktteilnehmer nicht in die Irre führen. Auch die EU-Kommission kam in einer Bekanntmachung zur Anwendung des EU-Lebensmittel- und Verbraucherschutzrechts auf Fragen der (Lebensmittel-)Produkte von zweierlei Qualität zu dieser Erkenntnis und gab dort eine Orientierungshilfe für die Anwendung der bereits damals geltenden Unionsvorschriften. Der Europäische Gesetzgeber hielt die bestehenden Möglichkeiten jedoch nicht für ausreichend. Für die Marktteilnehmer und Behörden sei möglicherweise nicht klar, welche Geschäftspraktiken gegen die bereits bestehenden Regeln verstoßen. Durch eine ausdrückliche Regelung des Falles von „Dual Quality“ sollte dieses Problem behoben und Rechtssicherheit geschaffen werden.

Ob das Ziel der Schaffung von Rechtssicherheit erreicht wird, ist fraglich. Durch die Aufnahme des ausdrücklichen Verbots von Dual Quality-Produkten in die UGP-Richtlinie haben sich jedenfalls neue Rechts- und Anwendungsfragen ergeben. Das neue Dual Quality-Verbot richtet sich vor allem an Gewerbetreibende, die ihre Produkte (nicht nur Lebensmittel) in mehreren Mitgliedstaaten unter derselben Marke vertreiben. Werden solche Produkte als identisch vermarktet, weichen in ihrer Zusammensetzung oder ihren Eigenschaften aber wesentlich voneinander ab, ist dies grundsätzlich unzulässig, es sei denn, der Gewerbetreibende kann diese Unterschiede mit legitimen Gründen rechtfertigen. Probleme in der Praxis könnte die Auslegung der unbestimmten Begriffe der „Vermarktung als identisch″, des „wesentlichen“ Unterschiedes der Waren in „ihrer Zusammensetzung oder ihren Merkmalen“ und der „legitimen und objektiven Faktoren“ bzw der „sachlichen Rechtfertigung“ bereiten. In Österreich sind bisher keine solchen Fälle konkret in Verfahren nach dem UWG bekannt geworden.

Außerdem ist es den Mitgliedstaaten nun erlaubt, nationale Regelungen zu aggressiven oder irreführenden Vermarktungs- oder Verkaufspraktiken im Zusammenhang mit unerbetenen Haustürbesuchen und Werbefahrten zu treffen. Damit wird auch das Vollharmonisierungsgebot der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (UGP-Richtlinie) durchbrochen, womit abweichende Vorschriften dazu in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU möglich sind. In Österreich sind dazu die §§ 57 und 59 GewO (Gewerbeordnung) einschlägig.

Weiters wurde durch das MoRUG I das Rücktrittsrecht für Verbraucher bei unerbetenen Hausbesuchen und Werbefahrten erweitert und sind nun im FAGG insbesondere in Fällen von typischerweise irreführenden oder aggressiven Geschäftspraktiken entsprechend großzügige Rücktrittsrechte vorgesehen. So besteht etwa in Fällen, wo Verbraucher durch Aufkleber klar zu erkennen gegeben haben, dass sie keine unerbetenen Hausbesuche von Unternehmern wünschen oder bei unerbetenen Besuchen zwischen 20 und 7 Uhr oder an Sonn- und Feiertagen ein erweitertes Rücktrittsrecht.

Eine gesetzliche Klarstellung wurde im Bereich des Schadenersatzes bei unlauteren Geschäftspraktiken vorgenommen. Hier ist nun in § 16 UWG festgehalten, dass Verbraucher, die durch irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken geschädigt wurden, gegen das unlauter handelnde Unternehmen einen Anspruch auf Ersatz des ihnen entstandenen Schadens haben. Dies wurde von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zwar bereits bisher so gesehen, nunmehr besteht dafür aber auch eine ausdrückliche Regelung im Gesetz.

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