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Die aktuellen Initiativen der EU gegen irreführende Umweltaussagen (Teil 1)

28.06.2023

Die Kommission hat sich im Rahmen des „Grünen Deals“ dazu verpflichtet, sicherzustellen, dass Verbraucher befähigt werden, fundiertere umweltbezogene Entscheidungen zu treffen und aktiv beim ökologischen Wandel mitzuwirken. Damit verbunden war insbesondere die Zusage, gegen falsche Umweltaussagen vorzugehen („Grünfärberei“) und dafür zu sorgen, dass Verbraucher verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Informationen erhalten und so nachhaltigere Entscheidungen treffen können. Nachdem die Europäische Kommission bereits im März 2022 als Teil des „Green Deal“ einen Richtlinienvorschlag zur Anpassung der UGP-RL und der Verbraucherrechte-RL herausgegeben hatte, wurde nun ein Jahr danach zusätzlich ein Vorschlag für eine „Green Claims Richtlinie“ präsentiert (siehe dazu bereits die Meldung vom 15.6.2023).

Der Richtlinienvorschlag zur Änderung der Richtlinien 2005/29/EG (UGP-RL) und 2011/83/EU (Verbraucherrechte-RL) hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und bessere Informationen, 30.3.2022 COM(2022) 143 final, soll seiner Begründung nach zu einer kreislauforientierten, sauberen und grünen EU-Wirtschaft beitragen, indem die Verbraucher in die Lage versetzt werden, eine bewusste Kaufentscheidung zu treffen, damit längerfristig nachhaltige Verbrauchsmuster gefördert werden. Das Dossier zielt vorrangig auf unlautere Geschäftspraktiken ab, durch die Verbraucher getäuscht und tatsächlich nachhaltige Kaufentscheidungen erschwert werden. Die geplanten Änderungen der UGP-RL betreffen im Wesentlichen die Einführung neuer umweltbezogener Begriffsbestimmungen, die Erweiterung der irreführenden Geschäftspraktiken (inkl Unterlassungen) um zusätzliche Tatbestände sowie die Ergänzung der „schwarzen Liste“ durch weitere per se-Verbote.

So soll Artikel 2 der UGP-RL durch 11 zusätzliche Begriffsbestimmungen ergänzt werden, weil in den beabsichtigten Ergänzungen bzw Erweiterungen der Tatbestände (darunter auch per-se-Verbote) neue Begriffe verwendet werden, von denen manche weit außerhalb des allgemeinen Sprachgebrauchs liegen (wie zB „Nachhaltigkeitsinformationsinstrument“). Zusammen mit den aufgrund der Modernisierungs-RL vorgenommenen Ergänzungen würde dann § 1 Abs 4 UWG bei entsprechender Umsetzung mehr als 20 Begriffsbestimmungen enthalten. Es stelle sich die Frage, ob diese – zum Teil überaus detaillierten Definitionen und Beschreibungen – in dieser Form überhaupt praxistauglich sind, etwa wenn zwischen „Umweltaussage“, „ausdrücklicher Umweltaussage“ und „allgemeiner Umweltaussage“ unterschieden werden soll.

Sollte die beabsichtigte Ergänzung des Art 6 Abs 1 lit b der UGP-RL in die endgültige Richtlinie einfließen, so wäre vermutlich bei der Umsetzung in das nationale Recht eine Überarbeitung des Irreführungstatbestandes des § 2 Abs 1 Z 2 UWG nötig, weil der Richtlinienvorschlag eine Reihe von Parametern enthält (wie zB „ökologische und soziale Auswirkungen“) die sich nicht ohne weiteres unter das Tatbestandselement der „Merkmale des Produkts“ subsumieren lassen. Ein überaus strenger Maßstab bei der Beurteilung eines möglichen „Greenwashing“ wird bei der geplanten Ergänzung des Art 6 Abs 2 UGP-RL durch eine neue lit d angewendet, wenn hier das „Treffen einer Umweltaussage über die künftige Umweltleistung ohne klare, objektive und überprüfbare Verpflichtungen und Ziele sowie ohne ein unabhängiges Überwachungssystem“ als irreführend angesehen werden soll.
Die Einführung neuer per-se-Verbote erfordert in besonderem Maße, dass die jeweiligen Bestimmungen für den Rechtsanwender nachvollziehbar und klar verständlich sind. Dies scheint bei den nun vorgeschlagenen Ergänzungen des Anhangs zur UGP-RL nicht durchgehend der Fall zu sein. So werden hier teilweise nahezu „unauslegbare“ Begriffe verwendet (vgl wie „Umweltleistung“) und ist auch das Verhältnis mancher neuen Verbote zu den allgemeinen Irreführungsregeln unklar. Wenn zB der Anhang zur UGP-Richtlinie in den neuen Nummern 23d, 23e und 23i durch Tatbestände ergänzt werden soll, die sich auf die Unterlassung von bestimmten Informationen beziehen, so mögen die betreffenden Aufklärungspflichten zwar der Sache nach gerechtfertigt sein; es ist allerdings fraglich, ob sich die dort beschriebenen Verstöße geeignet sind, ein gesetzliches Verbot zu definieren.

Auch der Richtlinienvorschlag betreffend eine Ergänzung der Verbraucherrechte-RL enthält zu Beginn mehrere neue Begriffsdefinitionen, die dem bestehenden Definitionskatalog hinzugefügt werden sollen. Hinsichtlich der Definition des „Herstellers“ wird hier zu beachten sein, dass diese nicht nur den „klassischen“ Hersteller meint, sondern auch „den Importeur von Waren in die Union oder jede andere Person, die sich dadurch, dass sie ihren Namen, ihre Marke oder ein anderes Kennzeichen an den Waren anbringt, als Hersteller bezeichnet“. Damit können auch Handelsunternehmen von den entsprechenden, sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen betroffen sein. Inhaltlich betreffen die Ergänzungs-Vorschläge eine Erweiterung der vorvertraglichen Informationspflichten, vor allem bezüglich Haltbarkeitsgarantien, Updates und Reparaturen. Es wäre zu wünschen, dass es hier zu keinen überbordenden Informationspflichten kommt, bei denen der damit verbundene Aufwand für die Unternehmer in keinem Verhältnis zur Aufklärung der Verbraucher steht. Gemeinsam mit den vorgeschlagenen Ziffern 23d, 23e und 23i des Anhangs zur UGP-Richtlinie, wonach die Unterlassung bestimmter Informationen per-se irreführend ist, könnten diese Informationspflichten jedenfalls dazu führen, dass das Fehlen von Produktinformationen und die Vernachlässigung von Aufklärungspflichten deutlich öfter als bisher als wettbewerbswidrig beanstandet werden.

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