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Der Digital Services Act und das Kommunikationsplattformen-Gesetz

05.09.2023

Mit dem am 1. Jänner 2021 in Kraft getretenen Kommunikationsplattformen-Gesetz (KoPl-G) wurden in Österreich die Betreiber von großen Online-Plattformen wie Facebook, Instagram und Twitter dazu verpflichtet, Beschwerden über bestimmte rechtswidrige Inhalte (wie Verleumdungen oder Drohungen) unverzüglich nachzugehen und die betreffenden Beiträge gegebenenfalls kurzfristig zu löschen. Anlass dafür war laut den Gesetzesmaterialien die „besorgniserregende Entwicklung, dass das Internet bzw die Sozialen Medien – neben den Vorteilen, die damit verbunden sind – auch eine neue Form der Gewalt etabliert hätten und ‚Hass im Netz‘ (wie Beleidigungen, Bloßstellungen etc) generell zunehmen würde“. Das Gesetz zielt(e) im Wesentlichen auf Folgendes ab (siehe im Einzelnen die ErläutRV 463 BlgNR 27. GP): Einrichtung eines effektiven und transparenten Meldeverfahrens für den Umgang mit strafrechtswidrigen Inhalten, ständige und leichte Erreichbarkeit für die Nutzer, Prüfpflicht bei konkreten Meldungen, unverzügliche Löschung von strafrechtswidrigen Inhalten, umfassende Informationspflichten gegenüber den Nutzern, Bereitstellung einer Überprüfungsmöglichkeit bei Beschwerden wegen ungerechtfertigter oder mangelnder Löschung, Berichtspflicht über den Umgang mit Meldungen sowie angemessene Sanktionierung bei Gesetzesverstößen.

Das KoPl-G hat damit auf nationaler Ebene bereits weitgehend die Regeln vorweggenommen, die von der EU in Form des Digital Services Act (DSA, „Gesetz über digitale Dienste“, ABl L 277/63) ab 17. 2. 2024 in allen Mitgliedstaaten gelten. Diese EU-Verordnung ergänzt bzw ändert die E-Commerce-Richtlinie (EC-RL, vgl dazu das österreichische E-Commerce-Gesetz, ECG) und bringt – allgemein formuliert – erweiterte Sorgfaltspflichten für digitale Vermittlungsdienste. Der im gesamten Unionsgebiet unmittelbar (ohne Umsetzung in nationales Recht) anwendbare DSA wird grundsätzlich für alle digitalen Dienste gelten, wobei es für „sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen“ mit mehr als 45 Millionen monatlichen Nutzern in der EU besondere Verpflichtungen geben wird (für diese, von der Kommission bereits im April 2023 als „sehr groß“ benannte Plattformen – darunter Facebook, Instagram, TikTok und Twitter – gelten die Bestimmungen des DSA bereits seit 25.8.2023). Auch hier stehen strengere und wirksamere Maßnahmen gegen illegale Online-Inhalte bzw Hass in Netz im Mittelpunkt. So sollen die Dienste künftig verpflichtet sein, solche Inhalte kurzfristig zu löschen, ansonsten hohe Strafen drohen. Weiters richtet sich der DSA gegen Desinformation und intransparente, manipulative Algorithmen in Sozialen Medien. Schließlich enthält die Verordnung neben einer Reihe anderer Verpflichtungen für Vermittlungsdienste spezifische Vorschriften für Werbung auf Online-Plattformen und ist dort zB ausdrücklich festgehalten, dass für den Nutzer eindeutig erkennbar sein muss, dass es sich um Werbung handelt und welches Unternehmen hinter der Werbung steht.

Der Regelungsansatz und auch die Vorgaben des KoPl-G für die Schaffung entsprechender Melde- und Überprüfungsverfahren stimmen im Wesentlichen mit denen des DSA überein. Beide Rechtsakte sehen – auch wenn es im Einzelnen gewisse Unterschiede geben mag (wie etwa bei der Definition der „rechtswidrigen Inhalte“) und auch einige Widersprüche bestehen (so gilt etwa der DSA anders als das KoPl-G auch für Online-Marktplätze) – gleichermaßen umfangreiche Verpflichtungen hinsichtlich der Behandlung von einschlägigen Beschwerden vor und verfolgen beide dasselbe Ziel, nämlich es den Betroffenen zu erleichtern, gegen die jeweiligen Inhalte vorzugehen. Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht ist anzumerken, dass sich der DSA auch gegen sogenannte „dark patterns“ richtet. Darunter werden Online-Inhalte bzw -Schnittstellen verstanden, mit denen das Verhalten der Nutzer in manipulativer Weise beeinflusst werden soll, wie zB systematische Aktivitäts- oder Knappheitshinweise („7 andere schauen sich das Produkt derzeit an“, „nur mehr 1 Zimmer verfügbar“).

Im Hinblick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts (vgl Art 288 AEUV) und der Konzeption des DSA als „vollharmonisierende“ Verordnung (ein Regelungsspielraum für die Mitgliedstaaten besteht nur im Verfahrensbereich) stellt sich die Frage, ob bzw inwieweit dem KoPl-G nach dem (vollständigen) Inkrafttreten des DSA im Februar nächsten Jahres noch ein eigener inhaltlicher Anwendungsbereich verbleibt. Darüber hinaus ist fraglich, ob das KoPl-G mit dem in Art 3 Abs 1 und 2 EC-RL festgeschriebenen Herkunftslandprinzip vereinbar ist, wonach Online-Diensteanbieter grundsätzlich den Rechtsvorschriften des Landes unterliegen, in dem sie niedergelassen sind (und nicht den Rechtsvorschriften des Landes, in dem die Dienstleistungen erbracht werden).

Was die erste Frage betrifft, so wird im Schrifttum ganz überwiegend die Ansicht vertreten, dass das KoPl-G im Februar nächsten Jahres inhaltlich praktisch vollständig vom DSA überlagert wird und dementsprechend aufgehoben und nicht nur bloß angepasst werden sollte (siehe zB – mit ausführlicher Begründung – Mischensky/Denk, Der Digital Services Act und das Kommunikationsplattformen-Gesetz, MR 2023, 128). Betreffend die zweite Frage ist gegenwärtig ein Verfahren vor dem EuGH über ein Vorabentscheidungsersuchen des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) anhängig (Rechtssache C-376/22). Dieser war von den Plattformen Google, Facebook und TikTok angerufen worden, weil ihrer Meinung nach das KoPL-G aufgrund des Herkunftslandprinzips der EC-RL nicht auf sie anzuwenden ist, zumal sie nicht in Österreich, sondern in einem anderen Mitgliedstaat, nämlich Irland, niedergelassen sind. Der zuständige Generalanwalt führte dazu Anfang Juni in seinen – für den EuGH nicht bindenden – Schlussanträgen aus, dass es unzulässig sei, den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten als dem des Sitzes durch gesetzliche Maßnahmen generell-abstrakter Natur zu beschränken und dürfen somit Online-Plattformen von anderen Mitgliedstaaten nur einzelfallbezogene Maßnahmen auferlegt werden. Sollte sich der EuGH – wie in den meisten Fällen – dem Standpunkt des Generalanwalts anschließen, so wäre damit das KoPl-G größtenteils unionsrechtswidrig und daher in der derzeitigen Form nicht aufrechtzuerhalten.

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