Aktuelle Judikatur

Unlauterer Rechtsbruch nach der UWG-Novelle 2007

OGH 10.4.2008, 4 Ob 225/07b

Im gegenständlichen Fall hat der OGH über eine Verletzung insbesondere des Gelegenheitsverkehrs-gesetzes im Stadtrundfahrtengewerbe zu urteilen gehabt. Dabei hat er ausführlich festgehalten, dass die Judikatur zum unlauter (früher: sittenwidrigen) Rechtsbruch auch nach der UWG-Novelle 2007 mit den gleichem Maßstab zu beurteilen ist.

Der neue Gesetzeswortlaut zwingt laut OGH nicht nur Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung. Eine Reduktion des Rechtsbruchtatbestands auf die Verletzung von „marktverhaltensregelnden" Normen lässt sich somit nicht auf den Willen des Gesetzgebers stützen. Aber auch unabhängig davon gibt es keinen ausreichenden Grund für eine solche Selbstbeschränkung des Lauterkeitsrechts. Denn entscheidend für die Wettbewerbsrelevanz der Verletzung einer Norm ist nicht deren Zweck oder Regelungsgegenstand, sondern die tatsächliche Auswirkung auf den Markt. Eine solche Auswirkung ist aber immer dann anzunehmen, wenn ein Unternehmer durch die Verletzung der Norm im Ergebnis einen spürbaren Vorteil gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern erlangen kann.

In einem solchen Fall sprechen die Interessen der Mitbewerber für eine auch lauterkeitsrechtliche Sanktionierung des rechtswidrigen Verhaltens. Denn diesbezügliche Toleranz wäre mit dem lauterkeits-rechtlichen Ordnungskonzept nicht vereinbar, das die Gleichheit der rechtlichen Ausgangslage der Wettbewerber untereinander postulieren muss. Damit parallel läuft das Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung genereller Normen und gegebenenfalls auch jenes von Verbrauchern an der praktischen Wirksamkeit von verbraucherschützenden Regelungen. All das gilt auch und gerade bei Vollzugsdefiziten im verwaltungsrechtlichen Bereich.

Eine auf das Erlangen eines Wettbewerbsvorsprungs gerichtete Absicht ist allerdings nicht mehr zu verlangen. Das Unwerturteil ergibt sich auch beim Rechtsbruchtatbestand aus dem Zweck des Lauterkeitsrechts, und zwar im konkreten Fall aus dem Interesse der Mitbewerber und der Allgemeinheit an der Durchsetzung gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen für das Handeln im Wettbewerb.

Demgegenüber ist in der Sache daran festzuhalten, dass nur eine solche Verletzung von Normen als unlauter anzusehen ist, die nicht mit guten Gründen vertreten werden kann. Denn gleiche Rahmen-bedingungen für das wirtschaftliche Handeln sind auch dann gegeben, wenn sich alle Marktteilnehmer an eine vertretbare Auslegung der für ihr Handeln maßgebenden Normen halten. Im Gegenteil: Die Maßgeblichkeit der jeweils strengsten Auslegung beeinträchtigte die für einen funktionierenden Leistungswettbewerb charakteristische Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer in einer Weise, die über das zur Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen Notwendige hinausginge. Der Funktion des Lauterkeitsrechts entspricht es daher viel eher, nicht unmittelbar am ex post ermittelten „richtigen" Inhalt der verletzten Norm anzuknüpfen, sondern das spezifisch lauterkeitsrechtliche Unwerturteil nicht nur auf die Eignung zur Wettbewerbsverzerrung, sondern auch auf die Unvertretbarkeit der jeweiligen Gesetzesauslegung zu gründen.

Dieses Verständnis des Rechtsbruchtatbestands verhindert ebenso wie das Spürbarkeitskriterium ein Ausufern der lauterkeitsrechtlichen Judikatur. Denn die Gerichte haben in dieser Fallgruppe der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel nur darüber zu wachen, dass die Marktteilnehmer in jenem Ordnungsrahmen bleiben, der ihnen durch den eindeutigen Wortlaut und Zweck der maßgebenden Regelungen sowie gegebenenfalls durch höchstgerichtliche Rechtsprechung gesetzt ist. Auch eine beständige Verwaltungspraxis ist in diesem Zusammenhang wie bisher zu beachten. Ein bloß formloses Dulden durch Verwaltungsbehörden wird freilich nicht dazu führen können, dass ein ansonsten eindeutiger Gesetzesverstoß mit guten Gründen vertretbar würde.

Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist daher zusammenfassend betrachtet dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinne von § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen.




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