Aktuelle Judikatur

Deutsche Leitentscheidung zu irreführenden Branchenbuchangeboten

BGH, Urteil vom 30.6.2011 – I ZR 157/10

Die Klägerin betreibt in Deutschland bundesweit das Branchentelefonbuch „Gelbe Seiten“ in Print und Online. Die Beklagte bietet Branchenbücher für zahlreiche deutsche Städte im Internet an, für die im Jahr 2008 Angebotsschreiben an Unternehmer für kostenpflichtige Eintragungen in den Branchenbüchern übermittelt wurden. Diese Schreiben enthielten den grafisch hervorgehobenen Hinweis „Bitte die Adressdaten überprüfen und auf Wunsch vervollständigen!“. Beim flüchtigen Lesen wurde leicht die Kostenpflicht übersehen, da der Eindruck eines Korrekturabzuges erweckt wurde. Die Kostenpflicht wurde mit 89 Euro pro Monat angeführt. Im Fließtext sind entscheidende Vertragsbedingungen wie Veröffentlichung im Internet, Laufzeit (2 Jahre), Bezahlung des Jahresbetrages im Voraus, etc. zu finden.

Die Klägerin vertrat die Ansicht, dass die Anbotsschreiben wegen Irreführung wettbewerbswidrig waren, da die Empfänger über den tatsächlichen Inhalt des Anschreibens getäuscht werden, denn nach der Gesamtgestaltung könnten sie davon ausgehen, dass es sich bloß um einen Korrekturabzug im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses handle. Weiters beanstandete die Klägerin die monatliche Preisangabe in einem Kasten über dem Korrekturfeld als irreführend, weil dadurch eine monatliche Zahlungsmöglichkeit suggeriert werde. Dem Unterlassungsantrag der Klägerin wurde vollumfänglich stattgegeben, dagegen wurde von der Beklagten erfolglos Berufung eingelegt.

Zur von der Beklagten angestrengten Revision stellte der deutsche Bundesgerichtshof in der Sache fest, dass der Werbecharakter des Anschreibens an die Gewerbetreibenden verschleiert wurde. Eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 dUWG und damit eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 d UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen. An einer hinreichend klaren und eindeutigen Erkennbarkeit fehlt es, wenn der Werbeadressat zur Annahme eines vom Unternehmer unterbreiteten Angebots verleitet werden soll und der werbende Charakter des Angebots dadurch getarnt wird, dass der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt. Für das Verständnis der Werbung ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers maßgebend. Dies ist auch bei der Beurteilung, ob der Werbecharakter einer geschäftlichen Handlung verschleiert wird, maßgebend. Richtet sich die Handlung an Gewerbetreibende, so ist das durchschnittliche Verständnis der Mitglieder dieser Gruppe heranzuziehen.

Der BGH hat keine Rechtsfehler in der Ansicht des Berufungsgerichts erkannt, wonach gerade Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter nicht selten unter Zeitdruck stehen und deshalb den Inhalt von solchen Schreiben oft auch dann nicht mit der an sich gebotenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nehmen, wenn ihnen eine Einverständniserklärung in Form einer Unterschrift abverlangt wird. Im Geschäftsleben werden erfahrungsgemäß Schreiben von vermeintlich geringer Bedeutung auch mit weniger Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Weiters war die Bezeichnung „Branchenbuch Berg“ blickfangartig mit einem gelben Rechteck unterlegt und konnte bei den Adressaten die Annahme hervorrufen, das Schreiben hätte etwas mit dem allgemein bekannten Branchenverzeichnis „Gelbe Seiten“ zu tun und es daher seine Richtigkeit habe.

Schließlich hielt der BGH fest, dass bei flüchtiger Betrachtung des Anbotschreibens, worauf es der Beklagte abgesehen hat, der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Leistung sei bereits bestellt. Besonders deutlich stellte der BGH gerade zu dieser auf flüchtiges Lesen ausgerichteten Werbung fest, es könne – ebenso wie bei einer „dreisten Lüge“ – auch davon ausgegangen werden, dass ein ausreichender Teil des so angesprochenen Verkehrs getäuscht werde. Die Revision der Beklagten wurde letztlich zurückgewiesen.

Zusammenfassend hat der deutsche BGH (wie bereits der OGH) formularmäßig gestaltete Anbotsschreiben für Branchenbucheintragungen, die nach der Gestaltung und dem Inhalt darauf angelegt sind, beim flüchtigen Leser den Eindruck zu erwecken, es wären bloß Daten im Rahmen eines bestehenden Vertragsverhältnisses aktualisiert, als Verstoß gegen das Verschleierungsverbot nach § 4 Nr. 3 UWG und gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG angesehen. Damit wurde auch in Deutschland, von wo aus zahlreiche Betrüger agieren, ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die grassierenden irreführenden Angebote von Schwindelfirmen gesetzt.

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