Aktuelle Judikatur

Direkte Aufforderung an Kinder in der Werbung unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die beiden Handelsketten auf Unterlassung nach dem UWG geklagt, weil hier jeweils mit unmittelbar an Kinder gerichteten Werbebotschaften versucht worden sei, den Verkauf von Produkten zu fördern.

Nach Z 28 des Anhangs zum UWG ist die Einbeziehung einer direkten Aufforderung an Kinder in der Werbung, die beworbenen Produkte zu kaufen, per se unlauter. Gleiches gilt, wenn dadurch Eltern oder andere Erwachsene überredet werden sollen, die Produkte für sie zu kaufen. Es liegt hier ein gesetzlich formulierter Tatbestand einer aggressiven Geschäftspraktik gemäß § 1a UWG vor, mit dem Ziel, einerseits Kinder keinen unmittelbaren Kaufaufforderungen auszusetzen und andererseits, Erwachsene vor Beeinträchtigungen ihrer Konsumfreiheit durch indirekte „psychische“ Kaufzwänge zu schützen. Eine unlautere Geschäftspraktik liegt nach dieser Bestimmung vor, wenn sie „geeignet ist, die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Marktteilnehmers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, oder durch unzulässige Beeinflussung wesentlich zu beeinträchtigen und ihn dazu zu veranlassen, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“ (§ 1a Abs 1 UWG).

Im Rahmen der betreffenden Aktionen erhielt man pro € 10.- Einkaufswert an der Kasse jeweils ein Päckchen (mit fünf Stück) der beliebten Tierbilder-Sticker (Abziehbilder). Darüber hinaus waren die Sticker-Päckchen um 50 Cent zu kaufen. Ein Lebensmittelhändler hatte im Rahmen seiner „Stickermania“-Aktion (Sammeln und Einkleben von Abziehbildern in ein Sammelalbum) zu einer „Entdeckungsreise zu den Wüsten und Steppen“ eingeladen und dafür insbesondere mit dem Slogan geworben: „Hol´ Dir hier das Buch dazu! Stickersammelbuch zum Sensationspreis … “. Der OGH hielt dazu fest (Entscheidung vom 18.9.2012, 4 Ob 110/12y), dass diese Werbung aufgrund des verwendeten Imperativs („Hol Dir …!“) jedenfalls als direkte und nachdrückliche, an Kinder gerichtete Kaufaufforderung im Sinne der Z 28 Anhang UWG anzusehen sei.

Zum Einwand, diese Bestimmung beziehe sich nur auf Kinder unter sieben Jahren (so die Beklagte unter Hinweis auf eine frühere zivilrechtliche „Kind“-Definition) und könnten diese mangels Lesekenntnissen von der Aufforderung gar nicht angesprochen worden sein, führte das Gericht aus, dass diese Norm seinem Schutzzweck nach jedenfalls Minderjährige bis 14 Jahre erfasse. Strittig sei nur, ob auch ältere Minderjährige erfasst sein könnten. Dementsprechend wurde dem Klagebegehren (auch schon von den Vorinstanzen) stattgegeben und die Supermarktkette zur Unterlassung von „direkten Auf-forderungen an unmündige Minderjährige, insbesondere Volksschulkinder, zum Kauf bestimmter, beworbener Produkte“ verurteilt.

Im Parallelfall ging es um „Rekorde im Tierreich“ (das Stickeralbum war um € 1,99 erhältlich), wo die betreffende Aktion eines anderen Lebensmittelhändlers unter anderem mit den Worten „Holt Euch jetzt die tierischen Sammel-Sticker!“ beworben worden war. In diesen und ähnlichen Slogans (zB auch „Hol Dir jetzt dein Stickerbuch!“ oder „Geh auf Rekordjagd und hol Dir die Sammel-Sticker an der Kasse!“), die sowohl auf Plakaten als auch auf der speziell für Kinder eingerichteten Website www.billa4kids verwendet wurden, sah das Oberlandesgericht (OLG) Wien – wie kurz zuvor der OGH – einen eindeutigen, direkten Kaufappell an Kinder (Entscheidung vom 27.9.2012, 5 R 69/12x).

In diesem Verfahren war unter anderem eingewendet worden, Z 28 des Anhangs zum UWG untersage nur die Aufforderung zum Kauf bestimmter (konkreter) Produkte, was hier nicht der Fall sei. Dem hielt das OLG in ausführlicher Erörterung und unter Bezugnahme auf die Europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) entgegen, dass es allein darauf ankomme, Kinder vor unmittelbaren Kaufaufforderungen zu schützen, unabhängig davon, ob die Werbung produkt- oder unternehmensbezogen sei. Davon abgesehen würden hier Kinder jedenfalls als „Kaufmotivatoren“ eingesetzt, sodass auch allgemein der Tatbestand einer (die Eltern) belästigenden und damit aggressiven Geschäftspraktik gemäß § 1a Abs 1 UWG gegeben sei.

Die beiden Entscheidungen illustrieren Inhalt und Reichweite des seit der UWG-Novelle 2007 geltenden Verbots einer werbemäßigen, direkten Kaufaufforderung an Kinder. Es ist durchaus zulässig, eine Werbung gezielt an Kinder zu richten und sie entsprechend zu gestalten, damit sie von dieser Zielgruppe wahrgenommen wird. Problematisch ist allerdings die Verwendung imperativer Formulierungen („Hol Dir …!“, „Komm, kauf …!“ oder „Sag Papi, er soll … kaufen!“) oder ähnlicher Werbeslogans, die einen unmittelbaren Kaufappell darstellen. In diesem Fall ist damit zu rechnen, dass allein aufgrund dessen ein Wettbewerbsverstoß festgestellt würde.

Darüber hinaus unterliegt „Kinderwerbung“ allgemein strengeren Beurteilungsmaßstäben, insbesondere was mögliche irreführende Elemente betrifft (zB unvollständige Kostenangaben – siehe dazu das Ponyclub-Urteil des OGH aus dem Jahr 2008, 4 Ob 57/08y). Hinsichtlich Fernsehwerbung (die vom Anwendungsbereich der Z 28 Anhang UWG ausgenommen ist) gilt, dass diese keine direkten Kaufaufforderungen an Minderjährige enthalten darf, die deren Unerfahrenheit und Leichtgläubigkeit ausnützt.

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