Aktuelle Judikatur

Vergabeverfahren und UWG: Zulässigkeit einer Unterlassungsklage eines ausgeschiedenen Bieters

Nach § 341 Abs 2 BVergG 2006 sind Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs nur zulässig, wenn bereits eine Feststellung der zuständigen Vergabekontrollbehörde vorliegt, dass ein Vergaberechtsverstoß begangen wurde. Durch diese Beschränkung der Zulässigkeit des Rechtswegs – bei Fehlen dieser Voraussetzung wäre eine UWG-Klage ohne inhaltliche Behandlung vom Gericht zurückzuweisen – sollen aus Gründen der Rechtssicherheit mögliche Unterschiede in der Spruchpraxis zwischen Vergabekontrollbehörden und Gerichten vermieden werden.

Im konkreten Fall ging es um den Ankauf von Papierservietten durch einen Krankenanstaltenverbund. Die Servietten sollten nach den Ausschreibungsbedingungen zu 100% aus Altpapier bestehen. Die Klägerin hatte zunächst an der Ausschreibung teilgenommen und auch ein Angebot gelegt, teilte jedoch dann mit, dass ihre Servietten mangels Recycling-Faserstoffen doch nicht der Leistungsbeschreibung entsprechen würden. Ihr Angebot wurde daraufhin ausgeschieden womit sie auch nicht mehr Bieterin und Beteiligte des Vergabeverfahrens war. Nach einiger Zeit stellte sie fest, dass der Zuschlag einem Mitbewerber erteilt worden war, dessen Produkte ebenfalls nicht zu 100% aus Altpapier bestanden und brachte dies entsprechend vor. Der betreffende Krankenanstaltenverbund hob zwar nun vom siegreichen Bieter eine Vertragsstrafe ein, bezog jedoch weiterhin von diesem die Servietten.

Die „unterlegene“ Bieterin begehrte daraufhin nun klageweise (verbunden mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung), es ihrem Mitbewerber zu verbieten, die Lieferungen fortzusetzen, weil sich dieser den Vertrag durch eine UWG-widrige Irreführung erschlichen habe. Die Beklagte brachte dagegen vor, dass es sich um ein bloßes Versehen gehandelt habe, das nur unerheblichen Auswirkungen auf den Markt gehabt hätte, dass aber vor allem aufgrund des § 341 Abs 2 BVergG 2006 mangels Vorliegen einer positiven Feststellungsentscheidung einer Vergabekontrollbehörde eine auf das UWG gestützte Klage unzulässig sei.

Der OGH stellte in seiner Entscheidung vom 28.2.2012 (4 Ob 216/11 k – Papierservietten) fest, dass hier trotz Fehlens einer vergabekontrollbehördlichen Feststellung die Zulässigkeit des Rechtswegs gegeben sei:

- Die gesetzliche Beschränkung des UWG-Klagerechts in § 341 Abs 2 BVergG 2006 erstrecke sich auf alle Klagen, „deren Gegenstand ein vom Vergaberecht erfasstes Verhalten des Auftraggebers oder eines Mitbewerbers ist, dies unabhängig von der rechtlichen Begründung des konkret geltend gemachten Anspruchs“. Im Falle eines aus anderen Gründen unlauteren Verhaltens im Zusammenhang mit einem Vergabeverfahren, wie etwa wie im konkreten Fall einer irreführenden, den Auftraggeber täuschenden Angebotslegung, sei jedoch eine auf das UWG gestützte Klage durchaus zulässig (die Klägerin hatte ausdrücklich erklärte, sich nicht auf das Vergaberecht zu berufen). Insoweit bestätigte der OGH seine bereits ein halbes Jahr zuvor in der Entscheidung Westbahn vom 9.8.2011, 4 Ob 100/11 a, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht.

- Dass keine vergabekontrollbehördliche Feststellung vorgelegen habe, bedeute im vorliegenden Fall keine Unzulässigkeit des Rechtsweges, sei doch die Klägerin nach dem Ausscheiden ihres Angebots keine Beteiligte des Vergabeverfahrens mehr gewesen und habe sie deshalb auch keinen solchen Feststellungsbescheid mehr erwirken können. Das gesetzliche Erfordernis einer vorherigen Feststellungsentscheidung der zuständigen Vergabekontrollbehörde gemäß § 341 Abs 2 BVergG 2006 sei seinem Zweck nach auf jene Fälle zu beschränken, in denen die Beteiligten zur Einleitung vergaberechtlicher Feststellungs- oder Nachprüfungsverfahren legitimiert sind.

Was den Einwand der nur unerheblichen Beeinträchtigung des Marktes betrifft (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG sieht vor, dass die beanstandete Geschäftspraktik geeignet sein müsse, „den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht nur unerheblich zu beeinflussen“) nahm der erkennende Senat den Standpunkt ein, dass die Handlungsweise diesbezüglich nicht nur „geeignet“ gewesen sei, sondern sich die Nichtoffenlegung der tatsächlichen Produkteigenschaften durch die Beklagte und die folgende Zuschlagserteilung an diese „effektiv“ zum Nachteil der Klägerin ausgewirkt hätten.

Mit dieser interessanten Entscheidung an der Schnittstelle von Vergaberecht und Lauterkeitsrecht erweitert das Höchstgericht die Möglichkeiten für ausgeschiedene Bieter, UWG-Verstöße anlässlich eines Vergabeverfahrens gerichtlich geltend zu machen und auch die Unterlassung von daraus resultierenden Lieferungen zu begehren. Der OGH führt dazu in seinem Beschluss weiters aus (unter Hinweis auf frühere Entscheidungen), dass nach dem UWG auch die Erfüllung eines Vertrags mit einem Dritten verboten werden kann, und zwar eben auch in vergaberechtlichem Zusammenhang, und dass dem wettbewerbswidrig Handelnden keine Früchte seines unlauteren Verhaltens verbleiben dürfen.

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