Aktuelle Judikatur

EuGH: Kostenpflichtige Gewinninformationen als unlautere, aggressive Geschäftspraktik

Die britische Wettbewerbsbehörde hatte im Ausgangsverfahren dieser Vorabentscheidung wegen mehrerer, individuell adressierter Werbesendungen geklagt, in denen den Empfängern mitgeteilt worden war, sie hätten einen Preis gewonnen. Welcher der angegebenen Preise, die von geringwertigen bis zu sehr wertvollen Gewinnen reichten, jeweils gewonnen worden war, konnte der Zusendung nicht entnommen werden. Um dies herauszufinden und den Gewinn in Anspruch zu nehmen, war es erforderlich, entweder eine Mehrwertnummer zu wählen, eine Mehrwert-SMS zu senden oder einen Brief zu schicken. Über 99% derjenigen, die sich meldeten, hatten lediglich Anspruch auf den häufigsten, geringwertigen Gewinn, dessen Wert dann entweder ganz oder größtenteils dem Betrag entsprach, den sie an Telefon- oder SMS-Gebühren bzw auch Liefer- und Versicherungskosten aufzuwenden hatten.

Nach Z 31 des Anhangs I der Europäischen Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL-UGP) ist es (unter anderem) unzulässig, wenn die Möglichkeit des Verbrauchers, Handlungen in Bezug auf die Inanspruchnahme eines mitgeteilten Gewinnes vorzunehmen, von der Zahlung eines Betrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird. Diese Bestimmung legt der EuGH nun in seiner ersten dazu ergangene Entscheidung (C-428/11 vom 18.10.2012 – Purely Creative) streng aus: Es ist eine unlautere, aggressive Geschäftspraktik, wenn hier dem Verbraucher irgendwelche Kosten auferlegt werden. Auf eine „Irreführung“ der Verbraucher kommt es hier nicht an. Es ist unerheblich, wenn die dem Verbraucher auferlegten Kosten, wie zB die Kosten einer Briefmarke, im Vergleich zum Wert des Preises geringfügig sind oder dem betreffenden Unternehmen keinen Vorteil bringen. Es ändert auch laut EuGH nichts an der Unlauterkeit solcher Praktiken, wenn dem Verbraucher für die Inanspruchnahme eines Preises mehrere Vorgehensweisen angeboten werden, von denen eine gratis ist, sofern einige der dieser Möglichkeiten voraussetzen, dass der Verbraucher Kosten übernimmt, um sich über den Preis oder die Modalitäten seiner Entgegennahme zu informieren.

Im Hinblick auf diese Auslegung der Richtlinie als generelles Verbot der Auferlegung jedweder Kosten ist die österreichische Umsetzung der Regelung in Z 31 lit b Anhang UWG unter Umständen nur mehr eingeschränkt auszulegen: Nach dieser Bestimmung ist es lediglich unzulässig, dem Verbraucher Kosten „über Post- oder Telefongebühren zum Standardtarif hinaus“ aufzuerlegen. Hier kann eine „teleologische Reduktion“ in Betracht kommen, wie sie der OGH etwa – wie berichtet – in Bezug auf das Zugabenverbot vorgenommen hat.

Als jedenfalls richtlinienkonform erachtete dagegen der OGH in einer Entscheidung vom 6.9.2012 (1 Ob 137/12x – Gewinnzusage) die ebenfalls Gewinnmitteilungen betreffende Regelung des § 5j KSchG (Konsumentenschutzgesetz): Diese Bestimmung, wonach mitgeteilte Gewinne dem einzelnen Verbraucher tatsächlich geleistet werden müssen und gerichtlich eingefordert werden können, sei kein unzulässiges Per-se-Verbot von Gewinnzusagen, sondern stehe im Einklang mit der Regelung in Z 31 des Anhangs I RL-UGP (hier betreffend den ersten Spiegelstrich: Gewinnmitteilung, obwohl „es in Wirklichkeit keinen Preis oder sonstigen Vorteil gibt“ – wörtlich übereinstimmend damit Z 31 lit a Anhang UWG). Die Richtlinie könne hier nur so verstanden werden, dass es „in Wirklichkeit“ für den betreffenden Verbraucher eben vor allem dann keinen Preis (oder sonstigen Vorteil) „gibt“, wenn der Gewerbetreibende nicht die Absicht hat, den angekündigten Preis dem Verbraucher zur Auszahlung zu bringen.

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