Aktuelle Judikatur

Haftung für Laienwerber bei Werbung in Zügen des Konkurrenten

Im konkreten Fall ging es um Werbung in Personenzügen der ÖBB durch einen neuen Mitbewerber auf der Westbahnstrecke. Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens hatte im Internet zu einer „Feier“ am Westbahnhof eingeladen und den ersten 100 Erscheinenden eine Belohnung in Aussicht gestellt. Diese erhielten vor Ort Werbemittel, die sie nach Art einer Startnummer über die Oberbekleidung hängen mussten. Sie wurden durch den Westbahnhof geführt, mit Krapfen und Salzgebäck verköstigt und anschließend zu einem Bahnsteig gebracht, um einen „Westbahn-Zug“ zu erwarten. Vor Eintreffen dieses Zuges bestiegen dann mehrere Teilnehmer in ihrer werbemäßigen Aufmachung einen zur Abfahrt bereitgestellten Zug der ÖBB und gingen durch die Waggons. Sie sprachen zwar keine Fahrgäste an, hinterließen jedoch Werbefolder.

Die ÖBB brachten daraufhin eine Unterlassungsklage samt Sicherungsantrag ein: Die Mitbewerberin habe durch die Werbung in den Zügen das Hausrecht verletzt und daher unlauteren Wettbewerb begangen. Nach der Rechtsprechung seien schon Werbemaßnahmen vor dem Geschäft eines Mitbewerbers unlauter; umso mehr müsse das für Werbung direkt in den Zügen der Klägerin gelten.

Die beklagte Partei berief sich auf ihre „Meinungsäußerungs- und Bekleidungsfreiheit“ und brachte vor, dass sie nicht für das eigenmächtige Verhalten privater Teilnehmer an dieser Veranstaltung einzustehen habe. Ein allenfalls unlauteres Verhalten habe keine spürbaren Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt.

Der OGH gab in seiner Entscheidung – wie schon zuvor das Erstgericht und das Rekursgericht – dem Sicherungsbegehren der ÖBB statt (4 Ob 1/13w vom 12.2.2013 – Feier der Westbahn):
Was die Unlauterkeit des Verhaltens betreffe, so sei Werbung in unmittelbarer Nähe des Geschäfts eines Mitbewerbers zwar zulässig, soweit kein gezieltes Abfangen von Kunden vorliege. Davon zu unterscheiden ist aber die Werbung im Geschäftslokal eines Mitbewerbers selber, wie im vorliegenden Fall in den Zugwaggons der Klägerin. Einer solchen Werbung kann sich der Geschäftsinhaber schon aufgrund seiner dinglichen Rechtsstellung (insb nach dem ABGB) widersetzen und geht hier der zivilrechtlich gewährleistete Schutz des Hausrechts der Meinungsäußerungsfreiheit vor.

Eine konkludente Zustimmung zu einem solchen Verhalten wird der Mitbewerber regelmäßig nicht annehmen können; auch ein tauglicher Rechtfertigungsgrund ist nicht zu erkennen. Wegen dieses Verstoßes gegen das Hausrecht ist das Verhalten der Beklagten der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ zuzuordnen und unlauter nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Es könne auch kein Zweifel daran bestehen, dass die unübliche Werbemethode geeignet war, den Wettbewerb zum Nachteil der Klägerin nicht nur unerheblich zu beeinflussen, weil sie für die Kunden der Klägerin im Zug unerwartet war und hohe Aufmerksamkeit erregte.

Von besonderem Interesse sind die anschließenden Feststellungen des OGH in dieser Entscheidung zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für das Verhalten dritter Personen:
Nach § 18 UWG kann der Inhaber eines Unternehmens wegen einer unlauteren Handlung auch dann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wenn die Handlung im Betrieb seines Unternehmens von einer anderen Person begangen worden ist. Es handelt sich hierbei, so der OGH, um eine Erfolgshaftung, wobei „im Betrieb seines Unternehmens“ weit auszulegen sei und primär im organisatorischen Sinn zu verstehen sei. Es genügt bereits eine lockere Eingliederung.

Entscheidend ist, dass der Unternehmensinhaber aufgrund seiner Beziehung zum Handelnden die rechtliche Möglichkeit hat, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern, wobei diese jedenfalls dann besteht, wenn er Weisungen erteilen kann; demgegenüber ist es unerheblich, ob der Unternehmer faktisch in der Lage ist, den Wettbewerbsverstoß zu verhindern.
Auch wenn im vorliegenden Fall die Teilnehmer ganz von sich aus den ÖBB-Zug betreten hätten, hätte nach Ansicht des OGH eine rechtliche Einflussnahmemöglichkeit bestanden, weil man die Übergabe der Werbebekleidung und die Verköstigung von der Bedingung abhängig machen hätte können, die Züge der Klägerin nicht zu betreten.

Wesentlich ist war hier dem OGH die Eingliederung der Dritten als Werbeträger in das Unternehmen: Es mache für die Anwendung des § 18 UWG keinen Unterschied, ob der Werbende mit solchen „Laienwerbern“ formell Verträge schließt oder ob er sie nur durch faktische Gegenleistungen, wie einer Bewirtung, zu einem werbemäßigen Verhalten bewegt. Das Durchgehen durch den Zug stand in einem engen zeitlichen, räumlichen und sachlichen Zusammenhang mit der betreffenden Werbeaktion, sodass die Eingliederung der Werbeträger in das Unternehmen der Beklagten daher noch aufrecht war.
Die Entscheidung zeigt, dass bei der Einbindung von dritten Personen in Werbeaktionen, insbesondere von „Laienwerbern“, eine verschuldensunabhängige Haftung für deren unlauteres Verhalten besteht und darauf geachtet werden sollte, diese vor Beginn zur Einhaltung der möglichst genau definierten Grenzen der Werbeaktion zu verpflichten.

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