Aktuelle Judikatur

Zulässigkeit „kopflastiger“ Vorspannangebote

Der Entscheidung lag ein Rechtsstreit zwischen zwei Tageszeitungen zugrunde. Die beklagte Zeitung hatte für eine von ihr zusammengestellte, im Handel erhältliche Musik-CD-„Edition“ geworben. Dazu druckte sie einen Gutschein ab, mit dem ein Tonträger dieser Edition bei einer bestimmten Handelskette um 4,99 EUR statt um 7,99 EUR erworben werden konnte. Die Ersparnis beim Kauf einer CD betrug somit das Dreifache (3 EUR) der betreffenden Zeitung, die 1 EUR kostete.
Die klagende Mitbewerberin beantragte, dieses Angebot wegen unlauteren Wettbewerbs zu untersagen. Der Wert des Gutscheins übersteige den Preis der Zeitung deutlich, womit ein sachfremder Anreiz zu deren Erwerb geschaffen werde. Es würden Personen, die gar nicht an der Zeitung sondern nur an den CD´s interessiert seien, dazu verleitet, die Zeitung zu kaufen, weil ihnen auch nach Abzug des Kaufpreises ein materieller Vorteil verbleibe. Durch diese unzulässige Beeinflussung würden rationale Erwägungen des Verbrauchers beim Erwerb der Zeitung ausgeschlossen, was im Sinne der Rechtsprechung zu Vorspannangeboten eine aggressive Geschäftspraktik nach §1a UWG sei und auch gegen die Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG verstoße.
Die Beklagte entgegnete, die Judikatur zu kopflastigen Vorspannangeboten habe ihre Rechtfertigung aus dem Zugabenverbot bezogen und könne daher nach dessen Wegfall nicht aufrechterhalten werden. Vorspannangebote seien wie (andere) Koppelungsangebote zu behandeln. Unzulässig seien sie nur dann, wenn ihre Ausgestaltung oder Ankündigung irreführend ist, was hier nicht zutreffe. Ein übertriebenes Anlocken könne nur vorliegen, wenn auch bei einem verständigen Verbraucher die Rationalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund trete. Wenn der Verbraucher ausreichend Gelegenheit habe, das Angebot und seinen Bedarf zu prüfen, könne er auch dann rational entscheiden, wenn er neben der eigentlich gewünschten Ware eine weitere erwerben müsse, für die er keine Verwendung habe. Diese Erwägungen hätten in der deutschen Rechtsprechung dazu geführt, dass der Wert der Nebenware oder dessen Relation zum Wert der Hauptware keine Rolle mehr spiele.
Das Erstgericht und das Berufungsgericht gaben dem Unterlassungsbegehren unter Hinweis auf die bisherige höchstgerichtliche Rechtsprechung statt. Die große Ersparnis bei der Nebenware sei hier geeignet, den Verbraucher zum Erwerb der Hauptware zu bewegen, ohne sie sachlich zu prüfen. Es sei daher anzunehmen, dass der Verbraucher seine Kaufentscheidung nur wegen des Vorspannangebots treffe, sodass eine unzulässige Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers vorliege.
Der OGH wies die Klage ab (Erkenntnis vom 22.10.2013, 4 Ob 129/13v – Tonträger-Edition) und hielt fest, dass die bisherige, allein mit Wertrelationen begründete Rechtsprechung zur Unzulässigkeit von Vorspannangeboten nicht aufrechterhalten werden könne:
Zugaben und Vorspannangebote seien grundsätzlich gleich zu behandeln – auch im vorliegenden Fall könne die zu beurteilende Ankündigung als kopflastiges Vorspannangebot, ebenso aber auch als unentgeltliche Zugabe eines Gutscheins im Wert von 3 EUR verstanden werden. Das Angebot, eine Nebenware mit einer über dem Preis der Hauptware liegenden Gesamtersparnis erwerben zu können, könne für sich allein keinesfalls als Ausnutzen einer gegenüber dem Verbraucher bestehenden Machtposition angesehen werden (der OGH bezieht sich hier auf die Definition der „unzulässigen Beeinflussung eines Verbrauchers“ in § 1 Abs 4 Z 6 UWG als „Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck ..., wodurch die Fähigkeit … eine informierte Entscheidung zu treffen, wesentlich eingeschränkt wird“). Gleiches gelte für eine hochwertige Zugabe. Eine aggressive Geschäftspraktik sei daher nicht anzunehmen, wenn nicht weitere Umstände vorlägen, die über die bloße Wertrelation hinausgehen. Belästigung oder Nötigung scheiden bei einem „nur“ überaus günstigen Vorspannangebot jedenfalls aus. Aber auch eine „unzulässige Beeinflussung“ sei in solchen Fällen nicht zu erkennen. Damit könne aber die Auffassung, dass solche Zugaben ohne Hinzutreten weiterer Elemente der Druckausübung unter den Tatbestand der aggressiven Geschäftspraktik nach § 1a UWG fallen, nicht aufrechterhalten werden.
Auch die Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 2 UWG könne, so der OGH, die bisherige Rechtsprechung nicht begründen, weil die Rationalität des Verbrauchers in solchen Fällen durchaus nicht ausgeschaltet werde. Möchte der Verbraucher einen Tonträger erwerben, ist es für ihn sogar in höchstem Maße rational, die Zeitung zu kaufen und allenfalls ungelesen wegzuwerfen, wenn er dann mit dem Gutschein die CD unter dem Strich um zwei Euro billiger als sonst bekommt. Diese Sichtweise entspreche auch der neueren Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofs, welcher das Rationalitätskriterium auf das Gesamtangebot beziehe und nicht auf die isoliert betrachtete Hauptware. Der Umstand, dass bei einem Vorspannangebot die Ersparnis bei der Nebenware höher ist als der Preis der Hauptware, begründet daher für sich allein nicht die Unlauterkeit dieser verkaufsfördernden Maßnahme.
Die Aufhebung des Zugabenverbots hat mit diesem Erkenntnis des Höchstgerichts nun auch im Bereich der entgeltlichen Koppelungsangebote seinen Niederschlag gefunden. Auch Vorspannangebote, bei denen der Wert der Nebenware den Preis der Hauptware übersteigt, sind nun grundsätzlich zulässig. Allerdings wird weiterhin eine Prüfung im Einzelfall erforderlich sein, ob durch das betreffende Kombiangebot nicht eine irreführende oder sonst unlautere Geschäftspraktik verwirklicht wird.

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