Aktuelle Judikatur

OGH untersagt irreführendes 1-Mio-Euro-Handy-Gewinnspiel

Der Schutzverband ist nach erfolgloser außergerichtlicher Intervention klagsweise gegen eine Fotohandelskette eingeschritten, weil diese mit der „Sensation“ eines Gewinnspiels mit einer Million Euro in bar geworben hatte, obwohl die Gewinnchance für alle Teilnehmer praktisch gleich null war. Konkret wurde über mehrere Monate hindurch blickfangartig in Prospekten, auf Plakaten und im Internet mit der Ankündigung „Die Sensation: Mit Ihrer Handynummer 1 Mio. Euro in bar gewinnen!“ geworben, wobei an diesem Gewinnspiel teilnehmen konnte, wer bis Ende Jänner 2013 bei diesem Unternehmen ein Handy neu anmeldete bzw den Vertrag verlängerte. Bei näherer Betrachtung dieses „Gewinnspiels“ stellte sich allerdings heraus, dass von einer sensationellen Gewinnchance keine Rede sein konnte.

Eine genaue (mathematische) Analyse der ausgeklügelten, in den – kleingedruckten – Teilnahmebedingungen kursorisch beschriebenen „Gewinnspiellogik“ führte nämlich bei errechneten 56 Millionen Rufnummern-Kombinationsmöglichkeiten in Verbindung mit der Beschränkung auf 300.000 Teilnehmer zu dem Ergebnis, dass de facto mit allergrößter Wahrscheinlichkeit niemand den Preis gewinnen würde. Der Anbieter konnte sich praktisch sicher sein, den ausgelobten Gewinn gar nicht auszahlen zu müssen. Die Ziehung mittels Glücksrad (live auf Puls4) brachte dann auch keinen Gewinner, weil der ermittelten Telefonnummer kein Anschluss zugeordnet war.

Die beiden Vorinstanzen sahen keine Irreführung und wiesen die Klage ab. Der OGH korrigierte diese Rechtsansicht und gab in seinem Erkenntnis (4 Ob 149/13k vom 17.12.2013) der Revision des Schutzverbandes Folge: Die beklagte Partei hat es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, blickfangmäßig hervorgehoben auszuloben, dass bei einer Handy-Neuanmeldung bzw -Vertragsverlängerung innerhalb eines bestimmten Zeitraumes 1 Mio. Euro in bar gewonnen werden können, wenn nach den Spielregeln des Gewinnspiels nicht sichergestellt ist, dass zumindest ein Teilnehmer den Gewinn auch tatsächlich erhält.

Der OGH hielt zunächst fest, dass wegen des abschließenden Charakters der „schwarzen Liste“ unzulässiger Geschäftspraktiken die Ankündigung von Zugaben nur mehr dann untersagt werden kann, wenn sie einen Tatbestand des Anhangs zum UWG erfüllt oder im Einzelfall irreführend, aggressiv oder sonst unlauter ist. Eine Koppelung des Warenbezugs mit einem Gewinnspiel verstoße als solche nicht gegen das Lauterkeitsrecht. Es sei im vorliegenden Fall auch nicht gegen eine Bestimmung des Anhangs verstoßen worden (in Betracht gekommen wären hier Z 19 – Anbieten von Preisausschreiben, ohne dass die beschriebenen Preise vergeben werden, und Z 31 lit a – Erwecken des unrichtigen Eindrucks, der Verbraucher werde einen Preis gewinnen, obwohl es in Wirklichkeit keinen Preis gibt).

Die UWG-Novelle 2007 hat laut OGH nichts an der Rechtsprechung geändert, wonach eine Ankündigung bezüglich der Irreführung nach ihrem Gesamteindruck zu beurteilen ist. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, da der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden könne. In solchen Fällen darf auch der blickfangartig herausgestellte Teil der Ankündigung für sich allein nicht irreführend im Sinne des § 2 UWG sein.

Von einem Blickfang ist – so der OGH – zu sprechen, wenn in einer Gesamtankündigung einzelne Angaben im Vergleich zu den sonstigen Angaben besonders herausgestellt sind; sie dürfen für sich allein genommen nicht zur Irreführung geeignet sein. Im konkreten Fall hatten die Verbraucher dem als Blickfang besonders herausgestellten Teil der Ankündigung ohne jeden Zweifel entnommen, dass sie hier mit ihrer Handynummer eine Million Euro in bar gewinnen könnten. Der maßgebliche Durchschnittsverbraucher erwartet, so der OGH, im Fall der Ankündigung eines Gewinnspiels, dass der ausgelobte Preis jedenfalls einem Teilnehmer des Spiels zufällt (und hofft, selbst der Glückliche zu sein). Diese Erwartung wird enttäuscht, wenn ihm verschwiegen wird, dass das Gewinnspiel nach seinen Regeln so gestaltet ist, dass der ausgelobte Gewinn mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,9 %, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, gar nicht vergeben wird, weil schon vor Beginn des Glücksspiels feststeht, dass so gut wie sicher kein Teilnehmer die Gewinnspielbedingungen erfüllen wird. Der Verbraucher wird damit über die Werthaltigkeit des mit Vertragsabschluss oder -verlängerung gekoppelten Gewinnspiels getäuscht.

Auch an der Eignung dieser Irreführung, die geschäftliche Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen, ist nicht zu zweifeln. Dass der Durchschnittsverbraucher in Kenntnis der Regeln des Gewinnspiels seine geschäftliche Entscheidung, einen Vertrag bei der Beklagten neu abzuschließen oder dort einen bestehenden Vertrag zu verlängern und damit am Gewinnspiel teilzunehmen, möglicherweise anders getroffen hätte, liegt auf der Hand. Der Hinweis der Beklagten, auch bei Lotto- und Totospielen sei nicht gesichert, dass es zu einem oder mehreren Gewinnern komme, überzeugte den OGH nicht, weil „bei den genannten Spielen die in einer Spielrunde nicht ausgezahlten Beträge dem Spielkapital der nächsten Runde zugeschlagen werden, also - irgendwann - jedenfalls zur Auszahlung gelangen“.

Besonders beachtenswert sind auch die Ausführungen des Höchstgerichts zur Wahrnehmung aufklärender Hinweise: Ein aufklärender Hinweis kann eine Täuschung durch eine - wie hier - blickfangartig umfassend formulierte und daher in ihrer Unvollständigkeit irreführungsgeeignete Werbeaussage nur verhindern, wenn er von den angesprochenen Verkehrskreisen auch wahrgenommen wird. Das setzt im Regelfall gleiche Auffälligkeit voraus. Maßgebend ist, ob ein durchschnittlich informierter, verständiger Verbraucher den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird.

Im konkreten Fall ist die Gewinnspielankündigung in ihrer Auffälligkeit dreifach gestaffelt gewesen und erst in dritter Linie auf die dem Gewinnspiel zugrundeliegende Gewinnspiellogik hingewiesen worden. Diese Aufklärung über die Gewinnspiellogik hat keinesfalls denselben Aufmerksamkeitswert beanspruchen können wie der Blickfang, in welchem der Umstand verschwiegen worden ist, dass der ausgelobte Preis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht zur Auszahlung gelangen wird.

Der OGH griff die Anregung der beklagten Partei, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, nicht auf. Die hier einschlägigen Fragen sind einerseits in der Rechtsprechung des EuGH hinreichend geklärt und andererseits sei die Gesamtwürdigung und Gewichtung der relevanten Umstände im konkreten Einzelfall Sache der nationalen Gerichte ist. Dass die Einhaltung der beruflichen Sorgfalt (hier: Einholung des Rates eines im Lauterkeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalts) im Zusammenhang mit irreführenden Geschäftspraktiken nicht zu prüfen ist, hat der EuGH erst jüngst ausgesprochen (Entscheidung vom 19.9.2013, C-435/11 - CHS Tour Services, vgl dazu Prunbauer, Wichtige Klarstellung des EuGH zum Irreführungsverbot, RuW 2013 Nr. 182, 4).

Die vorliegende Entscheidung verdeutlicht, dass in jenen Bereichen der Werbung, in denen nach dem Wegfall des Zugabenverbots eine grundsätzliche Liberalisierung eingetreten ist, nach wie vor ein strenger Maßstab anzulegen ist, was eine mögliche Irreführung über den Wert des Zugegebenen (hier: Gewinnchance) anbelangt. Eine Information im Kleingedruckten neben einer großen, blickfangartigen Anpreisung genügt nicht, um hier die angesprochenen Verbraucher in adäquater Weise aufzuklären.

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