Aktuelle Judikatur

Werbung einer Bahngesellschaft mit einer Kilometerdatenbank irreführend

Die beklagte Partei ist eine private Bahngesellschaft, die mit Verbrauchern regelmäßig in rechtsgeschäftlichen Kontakt tritt und seit Dezember 2011 Personenverkehrsverbindungen auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Salzburg anbietet. Dabei warb sie auch mit einer sogenannten Kilometerbank, im Rahmen derer zwischen 1.000 und 10.000 Kilometern zu einem jeweils fixen Preis elektronisch gekauft werden konnten.

Sie führte dazu auf ihrer Website unter anderem wie folgt aus: „Kaufen Sie Zugkilometer im Voraus und sparen Sie gegenüber dem Einzelpreis! Für jede Fahrt wird eine festgelegte Anzahl an Kilometern abgebucht. Bei der ersten Nutzung wird Ihr Guthaben auf eine Plastikkarte übertragen, die Sie jederzeit wieder aufladen können. Was ist eine Kilometerbank? Mit der Kilometerbank kaufen Sie Zugkilometer im Voraus. Diese können Sie für sich oder mehrere Personen verwenden, unabhängig von der Strecke. Pro Fahrt und Person wird eine festgelegte Anzahl an Kilometern abgebucht.

Ihre online gekaufte Kilometerbank wird bei der ersten Verwendung im Zug gegen eine Plastikkarte eingetauscht, die Sie jederzeit wieder aufladen können. Ihr Kilometerguthaben ist zwei Jahre ab Kaufdatum gültig und kann beliebig an dritte Personen übertragen werden. Es ist bis vor der erstmaligen Inanspruchnahme über www.*****.at oder Customer Care Center der W***** unentgeltlich stornierbar. Eine Erstattung der Kilometerbank nach erstmaliger Inanspruchnahme ist nicht möglich. Die aktuelle Kilometerbank-Matrix finden Sie in den allgemeinen Tarifbestimmungen.“

Die „Allgemeinen Tarifbestimmungen“ der beklagten Partei enthalten unter anderem folgende Klauseln: „Die Kilometerbank der W***** stellt als eigenständiges Produkt eine Prepaid-Karte dar. Diese kann als Zahlungsmittel im Zug verwendet werden. Dabei wird je nach gewünschter Einheit ein Beförderungsguthaben aufgebucht. Je nach gefahrener Strecke werden von diesem Tarifkilometerguthaben die aus der Tabelle ersichtlichen Tarifkilometer abgebucht. Das Tarifkilometerguthaben ist 24 Monate ab Kaufdatum gültig. Bei der Inanspruchnahme der Kilometerbank als Zahlungsmittel im Zug wird die nachfolgende Tarifkilometeranzahl abgezogen. In einer darunter platzierten Tabelle werden Tarifkilometerzahlen für bestimmte Strecken angegeben, die sich nicht mit den realen Streckenkilometern decken. Kilometerbanken gemäß diesen Tarifbestimmungen sind bis vor der erstmaligen Inanspruchnahme über www.*****.at oder das Customer Care Center der W***** unentgeltlich stornierbar. Eine Erstattung der Kilometerbank nach erstmaliger Inanspruchnahme ist nicht möglich.

Die Vorinstanzen sind laut OGH mit zutreffender Begründung davon ausgegangen, dass ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für derartige Bahnreisen bzw ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Kreise die Aussagen der beklagten Partei zur Kilometerbank dahin verstehen wird, dass definierten Fahrtstrecken eine bestimmte Anzahl von Kilometer-Einheiten zugeordnet wird. Das wird insbesondere durch die mehrmalige Verwendung des Wortes „Kilometer“ deutlich (Kilometerbank, Zugkilometer, Anzahl an Kilometern, Kilometerguthaben). Darin wird ein Verbraucher in erster Linie einen Hinweis auf eine damit erworbene Beförderungsleistung des beklagten Bahnunternehmens sehen. Auch der Hinweis der beklagten Partei auf eine „festgelegte Anzahl an Kilometern“ deckt das von den Vorinstanzen zutreffend dargelegte Verständnis des Durchschnittsverbrauchers.

Dieses Verständnis entspricht nicht den Tatsachen, weil lediglich eine Vorauszahlung erfolgt, die in die Gegenleistung der beklagten Partei zum dann aktuellen Preis umgewandelt wird, was dazu führen kann, dass die erworbene Kilometeranzahl nicht der später konsumierten Leistung entspricht. Eine Relevanz der Irreführung ist hier daher schon deshalb zu bejahen, weil für Konsumenten eine mit einem Rabatt verbundene fix zugesagte Kilometerleistung eines Bahnunternehmens Anreiz für geschäftliche Entscheidungen sein kann. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass ein Verbraucher dieselbe Entscheidung trifft, wenn ihm bewusst ist, dass die Gegenleistung von der beklagten Partei nachträglich noch reduziert werden kann. Die (potenzielle) Relevanz der aufgezeigten Irreführung ist daher laut OGH zweifellos zu bejahen.

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