Aktuelle Judikatur

EuGH präzisiert Auslegungsparameter für irreführende Preiswerbung

Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rechtssache C-611/14) hatte in einem Vorabentscheidungsverfahren zur Auslegung der Artikel 6 über irreführende Handlungen und Artikel 7 über irreführende Unterlassungen der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Hinblick auf einen Fall irreführender Preiswerbung in Dänemark zu urteilen.

Das Fernsehunternehmen Canal Digital mit Sitz in Dänemark hatte in einer Werbekampagne im Fernsehen und Internet für seine Fernsehprogramm-Abonnements gegen das dänische Marketinggesetz hinsichtlich des Verbots irreführender Werbung verstoßen. Der Preis für Abonnements bestand dabei grundsätzlich einerseits aus einer Monatsgebühr, andererseits aus einer Halbjahresgebühr für einen Kartendienst. In den TV-Werbespots wurde die Monatsgebühr in einem Filmkommentar genannt und in einem Kreis sowie in einem Text am unteren Bildrand genannt, die Halbjahresgebühr jedoch wurde nicht im Filmkommentar ausgeführt, sondern in wesentlich kleinerer Schriftgröße im Text am unteren Bildrand angezeigt, in dem auch der Gesamtpreis angegeben war, der vom Verbraucher im ersten Jahr – der Mindestlaufzeit – zu entrichten war.

In den Banner-Ads (Internetwerbung) wurde die Monatsgebühr und nur teilweise in kleinerer Schrift die Gesamtsumme, jedenfalls aber keine klare Information über die Halbjahresgebühr angegeben. Vorgeworfen wurde Canal Digital im nationalen Verfahren, dass es nicht hinreichend deutlich darauf hingewiesen hatte, dass zur angegebenen attraktiven Monatsgebühr ein Abonnement eines halbjährlichen Kartendienstes hinzukomme und so mit einem irreführenden Preis geworben wurde.

Der EuGH urteilte auf die Fragen des dänischen Gerichts, dass

1. der Artikel 7 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken hinsichtlich der umgesetzten dänischen Bestimmung im Marketinggesetz dahingehend auszulegen ist, dass für die Beurteilung, ob eine Geschäftspraktik als irreführende Unterlassung anzusehen ist, der Zusammenhang dieser Geschäftspraktik wie die räumlichen und zeitlichen Beschränkungen des Kommunikationsmediums und alle Maßnahmen des Unternehmens, um den Verbrauchern die Information anderweitig zur Verfügung zu stellen auch dann zu berücksichtigen ist, wenn sich ein solches Erfordernis dem Wortlaut der betreffenden nationalen Regelung nicht ausdrücklich entnehmen lässt.

2. Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass eine Geschäftspraktik, die darin besteht, den Preis in mehrere Bestandteile aufzuteilen und einen davon hervorzuheben, als irreführend einzustufen ist, wenn sie dazu geeignet ist, dem Durchschnittsverbraucher den falschen Eindruck zu vermitteln, dass ihm ein vorteilhafter Preis angeboten wird, und ihn dazu zu verleiten, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er ansonsten nicht getroffen hätte. Die zeitlichen Zwänge bestimmter Kommunikationsmedien wie TV-Werbespots dürfen bei der Beurteilung des irreführenden Charakters am Maßstab von Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie allerdings nicht berücksichtigt werden.

3. Artikel 7 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass in Fällen, in denen ein Unternehmer den Preis für ein Abonnement so zusammenzusetzen, dass der Verbraucher sowohl eine Monatsgebühr als auch eine Halbjahresgebühr zu entrichten hat, diese Praktik als irreführende Unterlassung anzusehen ist, wenn die Monatsgebühr in der Werbung besonders hervorgehoben wird, die Halbjahresgebühr aber ganz vorenthalten oder nur auf eine weniger auffällige Weise dargestellt wird, soweit eine solche Unterlassung den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte, was vom vorlegenden Gericht unter Berücksichtigung der Beschränkungen des verwendeten Kommunikationsmediums, der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts sowie der anderen Maßnahmen, die der Unternehmer tatsächlich getroffen hat, um den Verbrauchern die wesentlichen Informationen zum Produkt zur Verfügung zu stellen, zu prüfen ist.

4. Artikel 7 Absatz 4 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass er eine abschließende Aufzählung der wesentlichen Informationen enthält, die in einer Aufforderung zum Kauf genannt sein müssen. Die Beurteilung, ob der betreffende Unternehmer seiner Informationspflicht unter Berücksichtigung der Beschaffenheit und der Merkmale des Produkts, aber auch des für die Aufforderung zum Kauf verwendeten Kommunikationsmediums und der vom Unternehmer gegebenenfalls bereitgestellten Zusatzinformationen genügt hat, obliegt dem nationalen Gericht. Der Umstand, dass ein Unternehmer in einer Aufforderung zum Kauf alle in Artikel 7 Absatz 4 dieser Richtlinie aufgezählten Informationen bereitstellt, schließt nicht aus, dass diese Geschäftspraxis als irreführend im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 oder Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie eingestuft werden kann.

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