Aktuelle Judikatur

Sperrverfügungen gegen Zugangsvermittler als BitTorrent-Plattformen zulässig

Zunächst hat der EuGH wie berichtet eindeutig bestätigt, dass Internetanbieter wie Host-Provider dazu verpflichtet werden können, Websites zu sperren, über die urheberrechtlich geschütztes Material verbreitet wird. Konkret ging es in dieser vielbeachteten kino.to-Entscheidung um die illegale Verbreitung von Filmen im Internet, wobei die Rechteinhaber einem Internetprovider untersagen wollten, den eigenen Kunden Zugang zu diesem Filmstreamingportal zu gewähren. Der OGH legte diese Frage als Vorabentscheidungsersuchen vor. In seiner Entscheidung nach der Beantwortung durch den EuGH hat der OGH erstmals einen Access-Provider iSd § 13 ECG dazu verhalten, seinen Kunden den Zugang zu einer konkreten Website mit bestimmten urheberrechtsverletzenden Inhalten nicht mehr zu vermitteln. Dabei geht er davon aus, dass hier nur ein Anspruch auf Unterlassung, nicht aber auf Auferlegung bestimmter Maßnahmen dazu vorliegt. Der Access-Provider hat damit selbst zu entscheiden, welche Schritte er zur Unterbindung des untersagten Erfolgs am besten zu setzen hat (OGH 21.6.2014, 4 Ob 71/14s).

Laut aktueller Entscheidung des EuGH sind auch Sperrverfügungen gegen Zugangsvermittler in Form von BitTorrent-Plattformen wie hier „The Pirate Bay“ ebenfalls zulässig. BitTorrent-Plattformen stellen selbst keine urheberrechtlich geschützten Werke zur Verfügung, sondern lediglich eine „Torrent-Datei“. Diese Datei ist eine Art Wegweiser, der alle nötigen Informationen zu einem (urheberrechtlich geschützten) Werk enthält (Name, Größe, Qualität des Werkes, IP-Adresse des Nutzers, der die gewünschte Datei zum Download anbietet, etc). Die Torrents selbst werden dabei von Nutzern (Anbietern) auf die Webseite hochgeladen, um es wiederum anderen Nutzern (Nachfragern oder sog „Leechern“) zu ermöglichen, die Anbieter zu finden. Der Nutzer, der auf der Suche nach einem (urheberrechtlich geschützten) Werk ist, ruft somit zuerst die BitTorrent-Seite auf, dort sucht er nach dem entsprechenden von ihm gewünschten „Torrent“ und mittels diesem und einem zum Download benötigten Programm (einem sog BitTorrent-Client) kann er dann eine Verbindung zu dem Anbieter herstellen, der das von ihm gewünschte Werk zur Verfügung stellt. Der tatsächliche Datenaustausch erfolgt damit ohne Zwischenschaltung der BitTorrent-Seite. Die Daten werden nur zwischen Anbieter und Nachfrager direkt ausgetauscht.

Aufgrund einer Vorlage aus den Niederlanden (wobei parallel ein Verfahren samt Unterbrechung beim OGH dazu anhängig war) hatte der EuGH zu prüfen, ob und wie Urheberrechtsverletzungen durch solche BitTorrent-Plattformen unterbunden werden können, auf denen selbst zwar keine geschützten Werke gespeichert sind, deren Dateien aber als Wegweiser zu urheberrechtlich geschützten Werken dienen. Das Bereitstellen und Betreiben solcher Plattformen mit dem Zweck des Online-Filesharing ist laut EuGH jedenfalls eine den Urhebern vorbehaltene öffentliche Wiedergabe, nachdem dieser Begriff weit zu verstehen ist. Mit diesem Urteil wurde somit klargestellt, dass auch BitTorrent-Portale in Schutzrechte eingreifen können und sich wie schon kino.to der Access Provider als Vermittler bedienen (EuGH 14.6.2017, C 610/15 – Stichting Brein/Ziggo BV). Damit besteht gegen diese Vermittler, welche einen Beitrag zu einer Rechtsverletzung im Internet leisten, ein (urheberrechtlicher) Unterlassungsanspruch, wie der OGH im fortgesetzten österreichischen Verfahren festgestellt hat. Dabei können diese Portalbetreiber auch im privilegierten Fall der §§ 13ff ECG (Verantwortlichkeit von Diensteanbietern und Ausschluss der Verantwortung als Haftungsprivileg) in Anspruch genommen werden, wenn eine Abmahnung vorausging, mit der der Vermittler über die Verletzungshandlungen informiert wurde. Nach § 19 ECG bleiben nämlich laut OGH Ansprüche zur Beseitigung von Rechtsverletzungen vom Haftungsprivileg unberührt. Dazu hat die gegenständliche BitTorrent-Plattform per Eigendefinition gerade darauf abgezielt, rechtswidrigen Content direkt oder hier indirekt zugänglich zu machen, was als „strukturell rechtsverletzend anzusehen“ ist (OGH 24.10.2017, 4 Ob 121/17y – BitTorrent).

Diese Ausführungen des OGH entsprechen dem vom EuGH in der kino.to-Entscheidung erstmals forcierten Tatbestandselement der bewussten oder zumindest fahrlässigen Förderung einer Urheberrechtsverletzung. Bei zukünftigen Entscheidungen noch weiter abzugrenzen gilt es zwischen Maßnahmen zur Beendigung bestehender Rechtsverletzungen sowie zur Vorbeugung von erneuten Eingriffen, nachdem eine generelle Vorab-Überwachungspflicht nicht anzunehmen ist. Ebenso im Detail offen ist noch, in welchem Ausmaß auch ein aktives Tun und nicht bloß die Unterlassung und die Beseitigung gefordert werden können. So hat der EuGH in der Entscheidung zu der Haftung eines Marktplatzbetreibers in Form einer weiten Auslegung ausgesprochen, dass es zulässig sei, Vermittlern eine Verpflichtung zum Aufkündigen von Mietverträgen mit Rechteverletzern aufzuerlegen. Für solche Fälle, bei denen sich auf den zu sperrenden Seiten auch legal zur Verfügung gestellte Inhalte befinden, nimmt der OGH neben einem quantitativen Kriterium auch eine qualitative Beurteilung vor, wonach der Wesensgehalt der abrufbaren legalen Informationen in die Abwägung miteinbezogen wird. Sind bestimmte legale Inhalte ausschließlich auf der inkriminierten Internetseite abrufbar, so kommt diesen stärkeres Gewicht zu als solchen Informationen, die auch woanders zur Verfügung stehen. Es besteht jedenfalls kein subjektives Recht des Einzelnen, Inhalte auf einer überwiegend rechtsverletzenden Website eines Dritten zugänglich zu machen. Ebenso wenig wird es ein Recht auf Zugang zu fremden Inhalten geben, wenn diese dort rechtswidrig zur Verfügung gestellt werden.

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