Aktuelle Judikatur

OGH zu einer möglichen Mogelpackung

Unter dem Begriff „Mogelpackung“ wird eine Fertigverpackung verstanden, die durch ihre äußere Aufmachung über Anzahl, Maß, Volumen oder Gewicht der tatsächlich darin enthaltenen Waren irreführt. Ein ausdrückliches Verbot von Mogelpackungen war in § 6a UWG normiert. Der Wortlaut dieser Bestimmung deutete zunächst auf ein per-se-Verbot von Verpackungen hin, deren tatsächliche Füllmenge ohne Rechtfertigung dem äußeren Volumen widersprach. Daher wurde § 6a UWG mit der UWG-Novelle 2007 (als über die „Schwarze Liste“ des Anhangs zum UWG hinausgehend) aufgehoben. Sowohl die Rechtsprechung (4 Ob 330/84) als auch die Lehre (Schmelz, Zum Verbot von Mogelpackungen, ÖBl 1985, 33) reduzierten die Bedeutung dieser Norm aber bereits zuvor auf Fälle der Irreführung von Verbrauchern.

Insoweit ist durch die Aufhebung von § 6a UWG keine Änderung bei der Beurteilung der Zulässigkeit von Mogelpackungen eingetreten. Auch die Produktverpackung selbst kann als Form der kommerziellen Kommunikation über die wesentlichen Merkmale eines Produkts (§ 2 Abs 1 Z 2 UWG) täuschen, zu denen die genannten Kriterien (Anzahl, Maß, Volumen und Gewicht) zweifelsfrei zählen. Eine derartige Irreführung kann insbesondere durch die Überdimensionierung der Verpackung erzielt werden. Maßgebend ist, ob ein angemessen gut unterrichteter und kritischer Durchschnittsverbraucher, der eine der Bedeutung der Ware angemessene Aufmerksamkeit an den Tag legt, einen Eindruck vom Packungsinhalt gewinnt, der nicht den Tatsachen entspricht und geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Macht sich ein derartiger Adressat über bestimmte Beschaffenheiten eines Produkts allerdings ohnehin keine Vorstellungen, kann er auch insoweit nicht in die Irre geführt werden (4 Ob 228/10y, Waldbeeren Fruchtschnitte). Ein unrichtiger Eindruck bewirkt nach ständiger Rechtsprechung zudem dann keine Irreführung, wenn er noch rechtzeitig durch einen ausreichend deutlichen und gut sichtbaren Hinweis beseitigt wird.

In der deutschen Literatur und Rechtsprechung wird dies in Mogelpackungsfällen in der Regel abgelehnt. Danach könne auch eine normal kennzeichnungskräftige Angabe des Füllgewichts oder der Anzahl der enthaltenen Einzelwaren eine durch die überdimensionierte Verpackung bewirkte Irreführung in der Regel nicht beseitigen. Deren Verbot beruhe gerade auf der Erfahrung, dass Mengenangaben übersehen würden. Diese Ansicht gründet sich zum Teil auf die Übernahme der Erwägungen von EuGH C-195/14, Teekanne, wonach „in bestimmten Fällen“ eine Irreführung über die Inhaltsstoffe eines Lebensmittels nicht durch ein wahrheitsgemäßes Zutatenverzeichnis beseitigt werden könne.

Der Kernvorwurf der Klägerin („weit unter dem Fassungsvermögen der Verpackung“, „Karton nur zu 50 bis 60 % mit Kuchen befüllt“) gründet auf einer Irreführung über das Volumen der enthaltenen Ware. Da dieses mit dem Gewicht der Ware nicht in einem für den durchschnittlichen Verbraucher erkennbaren Verhältnis korreliert, wird eine allfällige durch die Packungsgröße bewirkte Irreführung über diesen Umstand auch nicht durch die Angabe des Füllgewichts beseitigt. Die Beklagte kann es auch nicht entlasten, dass eine derartige Volumenangabe gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Die Bedeutung eines aufklärenden Hinweises liegt in der Beseitigung einer selbst geschaffenen Irreführungsgefahr. Sein Fehlen wird der Beklagten nicht als Rechtsbruch angelastet, sondern eine allfällige Aufklärung steht ihr als Möglichkeit frei. Macht sie von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch, geht dies beim Irreführungstatbestand zu ihren Lasten.

Ein verständiger Verbraucher wird bei einer rechteckigen Verpackung für Kuchen annehmen, deren Volumen sei insoweit befüllt, als sich dies aufgrund der Form der Ware sinnvoll bewerkstelligen lässt. In Deutschland wird bei luftbedingten Hohlräumen durch eine Innenverpackung eine lauterkeitsrechtlich unbedenkliche Grenze von 30 bis 50 % angenommen. Auch der Oberste Gerichtshof erkannte die Annahme eines derartigen Spielraums bereits für nicht korrekturbedürftig: In der Entscheidung 4 Ob 220/02k wurde zu einer Verpackung von „WC-Tabs“, die auch mit zehn Stück befüllt hätte werden können, tatsächlich aber nur mit sechs Stück befüllt war, die Ansicht der Vorinstanzen, der Verbraucher erwarte „eine annähernd komplette Befüllung“ solcher Packungen gar nicht, für vertretbar erachtet. Das festgestellte Missverhältnis betrug dort also 40 %.

Im vorliegenden Fall ist dem Berufungsgericht darin zuzustimmen, dass eine Täuschung über das Volumen von 40 bis 50 % bei Kuchen grundsätzlich eine relevante Irreführung bewirken kann. Dass das Kuchenvolumen für einen Verbraucher für seine Kaufentscheidung gänzlich ohne Bedeutung sei, trifft nicht zu. Dass hier das Volumen der Einzelverpackungen durch den Einschluss von erst langsam entweichender Luft ursprünglich größer war, kann die Beklagte nicht entlasten. Denn dass dafür eine technisch zwingende Notwendigkeit ist durch die Feststellungen des Erstgerichts widerlegt. Die dagegen von der Rekurswerberin zitierte Entscheidung 4 Ob 330/84 betraf eine unvermeidbare Verringerung des Füllguts selbst und keine vermeidbare Überdimensionierung der Einzelverpackung.

Das exakte Verhältnis zwischen Ware (einschließlich [nicht aufgeblähter] Einzelverpackung) und Außenverpackung steht bisher nicht fest. Das Erstgericht hat zwar (vom Vorbringen des Klägers abweichende) Maße der Außenverpackung festgestellt, nicht aber das Verhältnis zwischen dem Fassungsvermögen der Außenverpackung und der Füllmenge, das für die Beurteilung der Unlauterkeit wesentlich ist. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, dann kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dem aus den aufgezeigten rechtlichen Gründen nicht entgegentreten (Entscheidung vom 29.1.2019, 4 Ob 150/18i).

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