Aktuelle Judikatur

Die Ursprungsbezeichnung bei Etikettierungen für Obst und Gemüse hängt laut EuGH allein vom Ernteland ab

Zum Sachverhalt:
Die deutsche Wettbewerbszentrale klagte die Firma Prime Champ Pilzkulturen GmbH wegen Irreführung der Verbraucher, da sie Kulturchampignons mit der bloßen Angabe „Ursprung: Deutschland“ herstellt und in Verkehr bringt, obwohl nur die Ernte in Deutschland erfolgt, alle wesentlichen Produktions-, und Wachstumsschritte jedoch nicht in Deutschland stattfinden. Die Wettbewerbszentrale bemängelte, dass diese Ursprungsangabe ohne weitere Hinweise für Verbraucher irreführend sei.

Konkret stellt sich der Prozess von Anbau bis Ernte der Kulturchampignons folgendermaßen dar: In einem ersten Schritt werden für die Dauer von sieben bis elf Tagen die Rohsubstanzen für den Kompost in Belgien und den Niederlanden verschnitten und vermischt. Zweiter Herstellungsschritt ist die über fünf bis sechs Tage andauernde Pasteurisierung und Aufbereitung des Komposts in den Niederlanden. Im dritten Herstellungsschritt wird über die Dauer von 15 Tagen das Myzel (Pilzsporen) in den Kompost injiziert. Im vierten Schritt wird in den Niederlanden die Fruchtkörperbildung auf einer Torf- und Kalkschicht in Kulturkisten initiiert, wobei die Pilze nach zehn bis elf Tagen bis zu 3 mm gewachsen sind. Die Kulturkisten werden nach etwa 15 Tagen nach Deutschland transportiert, wo im Betrieb von Prime Champ nach etwa ein bis fünf Tagen die erste Ernte und nach etwa zehn bis 15 Tagen die zweite Ernte der Champignons erfolgt.

Der deutsche Bundesgerichtshof als Revisionsgericht legte dem EuGH zu Vorabentscheidung mehrere Fragen vor. In der rechtlichen Beurteilung dazu stellte der EuGH zunächst fest, dass die genannten Verordnungen Nr. 1234/2007 und Nr. 1308/2013 keine Definition des „Ursprungslandes“ vorsehen. Das Zollrecht hingegen nimmt explizit auf diese Agrarvorschriften Bezug. Gemäß Art. 59 Buchst. c des Zollkodex der Union sind nämlich die in den Art. 60 und 61 dieses Kodex vorgesehenen Vorschriften zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren auf sonstige Unionsmaßnahmen im Zusammenhang mit dem Warenursprung wie Art. 113a Abs. 1 der Verordnung Nr. 1234/2007 und Art. 76 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1308/2013 anwendbar. Art 113a („Zusätzliche Anforderungen für die Vermarktung von Erzeugnissen des Sektors Obst und Gemüse“) der Verordnung Nr. 1234/2007 sieht in Absatz 1 folgendes vor: „Die Erzeugnisse des Sektors Obst und Gemüse, die frisch an den Verbraucher verkauft werden sollen, dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie in einwandfreiem Zustand, unverfälscht und von vermarktbarer Qualität sind und das Ursprungsland angegeben ist.“

Der in der 2. Frage thematisierte EU-zollrechtliche Art. 23 hält im Absatz 2 lit b fest, dass „pflanzliche Erzeugnisse, die in diesem Land geerntet worden sind“ als Ursprungswaren eines Landes gelten. Der in diesem Zusammenhang ebenso zu berücksichtigende Art. 60 („Ursprungserwerb“) des EU-Zollkodex bestimmt in Absatz 2: „Waren, an deren Herstellung mehr als ein Land oder Gebiet beteiligt ist, gelten als Ursprungswaren des Landes oder Gebiets, in dem sie der letzten wesentlichen, wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen wurden, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen wurde und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt.“

Laut EuGH sind daher die einschlägigen Vorschriften dahin auszulegen, dass für die Bestimmung des Begriffs des Ursprungslands gemäß diesen Vorschriften auf die Zollregelungen zur Bestimmung des nichtpräferenziellen Ursprungs von Waren abzustellen ist. Diese Bestimmungen sind dahin auszulegen, dass das Ursprungsland von Kulturchampignons ihr Ernteland im Sinne dieser Vorschriften ist, und zwar unabhängig davon, ob wesentliche Produktionsschritte in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union erfolgt sind und ob die Kulturchampignons erst drei oder weniger Tage vor der ersten Ernte ins Erntegebiet verbracht worden sind.

Das in der Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür und in der Verordnung betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel allgemeine Verbot, den Verbraucher über das Ursprungsland von Lebensmitteln zu täuschen, ist bei frischem Obst und Gemüse nicht auf die Ursprungsangabe anzuwenden. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass keine aufklärenden Zusätze als Ergänzung der vorgeschriebenen Angabe des Ursprungslands vorgeschrieben werden dürfen, um einer Irreführung des Verbrauchers entgegenzuwirken.

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