Aktuelle Judikatur

Zur Haftung des Herstellers bei irreführender Preiswerbung im Einzelhandel

Das streitgegenständliche Trinkjoghurt war in einer normalen Verpackungsgröße mit sechs Flaschen und einer Großpackung mit zehn Flaschen erhältlich. Die Verpackung beider Produktgrößen in Kartonverpackungen erfolgte durch den beklagten Lebensmittelgroßhändler. Die größere Packung hatte im rechten Fünftel ein auffallend anders gestaltetes Design mit der blickfangartigen Aufschrift „VORTEILSPACK“ und dem Zusatz „x 10“ neben einem roten Flaschensymbol. Wie festgestellt wurde, war der Preis pro Flasche im Einzelhandel in der 10er-Packung allerdings nicht durchwegs günstiger als in der 6er-Packung, sondern teilweise sogar höher, sodass die Bundesarbeitskammer eine Klage auf Unterlassung dieser Werbung bzw Kennzeichnung wegen Irreführung nach dem UWG einbrachte. Durch die Gestaltung der Großpackung werde bei den Verbrauchern der Eindruck eines Preisvorteils bei höherer Abnahmemenge erweckt, obwohl die Großpackung in Relation zum Grundpreis de facto teurer sei als das 6er-Pack. Die Ankündigung einer Preisherabsetzung durch den Hersteller bzw Großhändler sei irreführend, wenn die Einzelhändler ihre Preise nicht in allen Fällen entsprechend herabsetzen würden. Die Beklagte habe daher wettbewerbsrechtlich dafür einzustehen, wenn die unmittelbar auf dem Produkt beworbene Preisreduktion vom Einzelhandel nicht umgesetzt werde.

Die Beklagte hielt dem entgegen, dass der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gar nicht gegen sie gerichtet sein könne (fehlende Passivlegitimation), weil es hier nicht um die Packungsgestaltung, sondern um die Preisgestaltung im Einzelhandel gehe. Es sei ihr kartellrechtlich verboten, den Einzelhändlern die Verkaufspreise verbindlich vorzugeben. Die Händlereinkaufspreise und unverbindlichen Preisempfehlungen würden so festgelegt, dass es dem Einzelhandel leicht möglich sei, den „Vorteilspack“ im Verhältnis zum Grundpreis günstiger anzubieten als den 6er-Pack. Sie könne somit davon ausgehen, dass die Einzelhändler diesen Preisvorteil an ihre Endkunden weitergegeben würden. Geschehe dies nicht, könne das nicht ihr angelastet werden. Außerdem genüge nach neuerer Rechtsprechung eine bloße adäquate Verursachung für die Haftung als Mitstörer nicht, vielmehr werde eine bewusste Förderung des Verstoßes verlangt. Im Übrigen sei auch der Irreführungstatbestand des § 2 UWG nicht erfüllt, weil der Durchschnittsverbraucher die Ankündigung nicht dahingehend verstehe, dass der (vom Hersteller bereits auf der Verpackung ausgelobte) Vorteil zwingend und ohne Ausnahme auch vom in seiner Preisgestaltung freien Händler weitergegeben werde.

Nachdem bereits das Handelsgericht Wien in erster Instanz der Klage stattgegeben hatte, bestätigte auch das Oberlandesgericht Wien mit (rechtskräftigem) Urteil vom 24.10.2019, 2 R 82/19x, die Irreführung und Verantwortlichkeit des Großhändlers für die Umsetzung der von ihm angekündigten Preisreduktion. Zur Irreführungseignung der Verpackung, insbesondere durch die Bezeichnung „VORTEILSPACK“, hielt das OLG fest, dass der Erwerb eines Trinkjoghurts ein Geschäft des täglichen Lebens darstelle, weshalb der Durchschnittsverbraucher die angegebenen Werbeaussagen auf der Verpackung und die ausgezeichneten Preise nur flüchtig betrachte. Gerade bei dieser flüchtigen Betrachtung erwarte der Durchschnittsverbraucher aufgrund der blickfangartigen Gestaltung des rechten Fünftels der Großpackung und der Bezeichnung als „Vorteilspack“ einen Preisvorteil im Vergleich zur normalen Packungsgröße. Dass sich der Durchschnittsverbraucher in der gegebenen Situation Gedanken darüber mache, ob der angekündigte Vorteil vom Händler oder vom Hersteller ausgelobt wurde und komplexe Überlegungen dazu anstelle, ob und unter welchen Voraussetzungen der Händler diesen Vorteil weitergibt, erscheine völlig lebensfremd. Naheliegend sei vielmehr, dass der Verbraucher bei einem solchen Geschäft ohne nähere Überprüfung des Grundpreises durch Vergleich mit anderen Packungsgrößen aufgrund des Blickfangs gleichsam automatisch zum „Vorteilspack“ greife. Die Ankündigung sei daher irreführend im Sinne des § 2 UWG und es fehle auch nicht an der wettbewerblichen Relevanz, weil im Lebensmittelhandel aufgrund der Vielzahl von Produkten mit einstelligen EURO-Preisen bereits marginale Abweichungen für die Kaufentscheidung der Konsumenten beeinflussend seien.

Zum Vorbringen der Beklagten, sie sei nicht passiv legitimiert und werde zu Unrecht als unmittelbare Täterin für die irreführende Preisgestaltung durch den Einzelhandel verantwortlich gemacht, verwies das OLG auf die Entscheidung des OGH vom 18.05.1982, 4 Ob 362/82 – Riesenspender (ÖBl 1982, 158). Danach sei die Ankündigung einer Preisherabsetzung durch den Hersteller irreführend, wenn die Detailhändler ihre Preise nicht in allen Fällen um den angekündigten Betrag herabsetzen. Werde die vom Hersteller getätigte Preisankündigung im Einzelhandel nicht lückenlos umgesetzt, liege eine irreführende Preisankündigung durch den Hersteller vor. Der Umstand, dass die Beklagte die Preisgestaltung im Einzelhandel faktisch nicht beeinflussen könne, ändere daran nichts, zumal die Beklagte nach den Feststellungen wusste, dass sich der Handel weder an unverbindliche Preisvorgaben noch an Höchstpreise hielt. Ihr habe somit klar sein müssen, dass ihr „Vorteilspack“ vom Einzelhandel derart angeboten werden kann, dass der Kunde bei dessen Erwerb nicht nur keinen preislichen Vorteil, sondern sogar einen Nachteil haben könne. Dennoch habe sie ihre als „Vorteilspack“ bezeichnete 10er-Packung über den Einzelhandel vertrieben. Die Beklagte habe auch zu Unrecht in Abrede gestellt, dass sie aus der inkriminierten Verpackung einen Vorteil ziehen könne. So seien Kunden, die beim Kauf einer Großpackung von einem Preisvorteil ausgehen, eher geneigt, anstelle der 6er-Packung die Großpackung zu kaufen, wodurch im Ergebnis mehr Produkte der Beklagten abgesetzt würden.

Zusammenfassend habe daher die Beklagte durch die von ihr allein vorgenommene Gestaltung der Großpackung den unrichtigen Eindruck erweckt, dass der Kunde bei deren Kauf (insbesondere gegenüber dem Kauf einer herkömmlichen 6er-Packung) einen besonderen Preisvorteil lukriere, ohne dass ein solcher Vorteil im Einzelhandel in allen Fällen faktisch gewährt wurde. Damit sei sie als unmittelbare Täterin nach § 2 Abs 1 Z 4 UWG (Täuschung über den Preis, die Art der Preisberechnung oder das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils) passiv klagslegitimiert.

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