Aktuelle Judikatur

Verstöße gegen das FAGG als unlautere Geschäftspraktik

OGH vom 19.12.2019, Geschäftszahl 4 Ob 96/19z

Der OGH bestätigte mit Beschluss vom 19.12.2019, 4 Ob 96/19z – Digitale Vignette, eine von der ASFINAG beantragte einstweilige Verfügung gegen ein deutsches Unternehmen, das auf seiner Website eine „sofort gültige“ Digitale Vignette für die österreichischen Autobahnen angeboten hatte. Das Unternehmen hatte damit geworben, dass anders als in Österreich, wo von der ASFINAG wegen des gesetzlichen Rücktrittsrechts der Verbraucher nach dem FAGG eine Wartezeit von 18 Tagen nach dem Kauf bis zur Gültigkeit der Vignette vorgesehen sei, man als Anbieter mit Sitz in Deutschland aufgrund einer unterschiedlichen Rechtslage die Vignette mit sofortiger Gültigkeit ausstellen könne. De facto kaufte das Unternehmen die Vignetten im ASFINAG-Webshop und gab dort für die einzelnen Kunden jeweils an „Ich bin Unternehmer“, wodurch für diese das Rücktrittsrecht nach dem FAGG, das nur für Verbraucher gilt, entfiel. Die Vignetten wurden zu einem deutlich erhöhten „Pauschalpreis“ verkauft (zB um EUR 98,20 statt um regulär EUR 89,20 für die Jahresvignette). Rücktrittserklärungen von Verbrauchern (innerhalb der 14-tägigen Frist nach dem FAGG) wurden zurückgewiesen. Darüber hinaus verwendete das Unternehmen Wort-Bild-Marken der ASFINAG ohne deren Zustimmung.

Das Klage- bzw Antragsbegehren war im Wesentlichen darauf gerichtet, es der Beklagten nach dem UWG zu untersagen, Digitale Vignetten ohne Zustimmung der ASFINAG gewerbsmäßig anzubieten, insbesondere die Verbraucher nicht ordnungsgemäß über ihr gesetzliches Widerrufsrecht zu informieren, den Verbrauchern ihr gesetzlich zustehendes Widerrufsrecht nicht zu gewähren und/oder ihre Dienstleistungen unter unrichtiger Information über die Markt- bzw Preisbedingungen zu bewerben, mit dem Ziel, den umworbenen Verbraucher dazu zu bewegen, die Mautprodukte zu höheren Preisen, insbesondere als den Mauttarifen im ASFINAG-Webshop, zu erwerben.

Der OGH hielt zunächst zur Frage der Aktivlegitimation fest, dass es für das Vorliegen eines Ad-hoc-Wettbewerbsverhältnisses genüge, wenn sich der Verletzer etwa durch die Übernahme eines fremden Zeichens oder eine sonstige Behinderung im Absatz in Wettbewerb zum Betroffenen stelle. Beide Voraussetzungen lägen hier vor, weil zum einen die Streitteile ihr Angebot an den gleichen Abnehmerkreis richteten und zum anderen die Beklagte durch die Art ihres Vertriebs Kundenanfragen und -beschwerden bei der Klägerin verursachte und derart den Wettbewerb der Klägerin beeinträchtigte.

Das FAGG gelte grundsätzlich für alle Arten von Verträgen und hätte die Beklagte demnach auch bei ihrem Vignetten-Vertrieb die Informationspflichten gemäß § 4 iVm §§ 7 ff FAGG zu erfüllen gehabt. Der Verlust des Rücktritts- bzw Widerrufsrechts gemäß §§ 11 ff FAGG sei nur nach Maßgabe des § 18 FGG möglich, was im vorliegenden Fall schon daran scheitere, dass hier eine Dauerleistung geschuldet werde, die erst nach Ablauf der Laufzeit der Vignette vollständig erbracht sei (vgl § 18 Abs 1 Z 1 FAGG). Entgegen dieser klaren Rechtslage hätten die Beklagten ihren Kunden kein Rücktrittsrecht gewährt und damit § 1 Abs 1 Z 2 UWG verletzt, der die Anwendung von unlauterer Geschäftspraktik verpöne, die den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspreche und in Bezug auf das jeweilige Produkt geeignet sei, das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreiche oder an den sie sich richte, wesentlich zu beeinflussen. Dass im konkreten Fall die Nichtgewährung des Widerrufsrechts unter Verschleierung der wahren Rechtslage nicht der beruflichen Sorgfalt entspreche, sei evident. Die Eignung der wesentlichen Beeinflussung des Durchschnittsverbrauchers sei schon dadurch bescheinigt, dass die Beklagte mit ihrem Geschäftsmodell „Digitale Vignette sofort“ (laut eigenen Angaben) einen durchschnittlichen Monatsgewinn von 33.000 EUR erzielt hätte.

Weiters bewertete das Höchstgericht das Verhalten der Beklagten als irreführend im Sinne des § 2 Abs 2 UWG, weil hier auch der in Z 18 des Anhangs zum UWG angeführte Tatbestand erfüllt sei, nämlich die unrichtige Informationen über die Marktbedingungen oder die Möglichkeit, das Produkt zu finden, mit dem Ziel, den Umworbenen dazu zu bewegen, das Produkt zu weniger günstigen als den normalen Marktbedingungen zu kaufen. Soweit ersichtlich zum ersten Mal zieht hier das Höchstgericht diesen Tatbestand zur Beurteilung eines Verhaltens als unlautere Geschäftspraktik heran. Begründet wird dies im konkreten Fall im Wesentlichen damit, dass § 4 Abs 1 FAGG den Unternehmer zur Aufklärung des Verbrauchers über die wesentlichen Eigenschaften der Ware bzw der Dienstleistung sowie über den Gesamtpreis und das Rücktrittsrecht verpflichte. Da die Beklagte ihren Kunden gegenüber Pauschalpreise für die Vignette als vermittelte Fremdleistung und ihre eigenen Dienstleistungen nenne, habe dies zur Folge, dass die Kunden der Beklagten die höheren Preise für die digitalen Mautprodukte gegenüber einem Bezug im Webshop der Beklagten nicht unmittelbar und deutlich erkennen könnten. Zudem erläuterten die Beklagten das bei einem Fernabsatzvertrag zu gewährende Rücktrittsrecht nicht im Sinn des österreichischen FAGG, sondern würden sich stattdessen pauschal und irreführend auf die – zumindest für inländische Verbraucher nicht anwendbare – deutsche Rechtslage berufen, wonach allen Kunden der Erwerb einer digitalen Vignette ohne Wartezeit möglich sei.

Wenn die Beklagte weiters unzutreffend von der Zulässigkeit einer Ausnahme vom Rücktrittsrecht bei allen Arten von Vignetten ausgehe, so entspreche diese Information nicht dem Inhalt des § 18 FAGG (Ausnahmen vom Rücktrittsrecht), sondern erwecke den – unrichtigen – Eindruck, die Beklagten seien allein aufgrund ihres Sitzes in Deutschland in der Lage, den Verbrauchern (anders als die Klägerin) sofort gültige digitale Vignetten anzubieten. Diese Information sei aber unrichtig und verfolge das offensichtliche Ziel, inländische Verbraucher dazu zu bewegen, das Produkt teurer zu kaufen. Überdies verschweige die Beklagte ihren Kunden, dass sie diese in allen Fällen ungeprüft der Klägerin gegenüber als Unternehmer deklariert hätten, um die Wartezeit zu vermeiden. Dieses Verhalten erfülle den Tatbestand des UWG Anhang Z 18, wobei dieser Tatbestand Sachverhalte erfasse, bei denen ein Unternehmer durch unrichtige Informationen ein falsches Bild über die Marktverhältnisse oder die Verfügbarkeit eines Produkts zeichne, um es schließlich zu für den Kunden nachteiligen Konditionen zu verkaufen. Unter den Begriff „Produkt“ fielen nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen (§ 1 Abs 4 Z 1 UWG).

Mit „Marktbedingungen“ sei alles gemeint, was für das betreffende Produkt charakteristisch oder für den Kunden relevant sei, hier also die unrichtigen und unvollständigen Informationen über den Inhalt und Geltungsbereich des gesetzlichen Rücktrittsrechts sowie den Umstand, dass die Beklagten die digitalen Produkte der Klägerin um einen Aufpreis verkauften und die sofortige „Freischaltung“ damit bewirkten, dass sie ihre Kunden der Klägerin gegenüber pauschal als Unternehmer ausgeben würden.

Der OGH bejahte auch die Verletzung von Markenrechten gemäß § 10 Abs 1 Z 1 MSchG, weil die Beklagte unterscheidungskräftige Marken der Klägerin zur Bewerbung ihrer eigenen Dienstleistung verwendet habe. Der Hinweis der Beklagten auf die Duldungspflicht des Markeninhabers gemäß § 10 Abs 3 MSchG sei nicht relevant, weil dort nur solche Benutzungshandlungen Dritter für zulässig erklärt würden, die den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entsprechen würden und im Anlassfall aber die Beklagte mit ihrem Geschäftsmodell gegen das UWG verstoße.

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