Aktuelle Judikatur

Keine Ausbeutung von Geschmacksmustern bei Einkaufswagenlösern

OGH vom 28.1.2020, Geschäftszahl 4 Ob 239/19d

Bei Beurteilung der Frage, ob ein anderes Geschmacksmuster in den Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters fällt, ist der jeweilige Gesamteindruck zu ermitteln und zu vergleichen. Es kommt nicht auf einen mosaikartig aufgespaltenen Vergleich von Einzelheiten an. Maßgeblich ist vielmehr die Würdigung des Gesamteindrucks unter dem Blickwinkel, ob sich bei einer Gegenüberstellung zweier Formgebungen insgesamt der Eindruck einer Übereinstimmung ergibt. Dies ist danach zu beurteilen, ob beim informierten Benutzer ein anderer Gesamteindruck erweckt wird. Dieser Benutzer unterscheidet sich durch ein gewisses Maß an Kenntnissen und Aufgeschlossenheit für Designfragen vom „durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher“, wenn auch nicht Wissen und Fähigkeiten eines Fachmanns anzulegen sind. Ein hohes Maß an Eigenart gibt dabei Raum für einen großen Schutzumfang, umgekehrt führt geringe Eigenart auch nur zu einem kleinen Schutzumfang. Ist der informierte Benutzer des Geschmacksmusters bereit, trotz geringer Unterschiede zwischen Formenschatz und Geschmacksmuster die Eigenart zu bejahen, muss er gleichermaßen im Verletzungsstreit bei derartigen Unterschieden zwischen dem Geschmacksmuster und der angegriffenen Ausführungsform die Verletzung verneinen. Ob ein informierter Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck gewinnt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Das Berufungsgericht ist zum Ergebnis gelangt, dass ein informierter Benutzer bei einem Vergleich der bloßen Umrissformen diese nicht eindeutig als „T Shirt mit Ball“ identifiziere, zumal die Eingriffsform zwanglos auch für andere grafische Gestaltungen verwendbar sei. Zudem räume das Geschmacksmusterrecht auch kein Monopol auf eine Designidee „T Shirt mit Ball“ ein. Selbst bei Annahme einer Erkennbarkeit der Geschmacksmuster der Klägerin als „T Shirt mit Ball“ ergebe sich im Hinblick auf die unterschiedliche Gestaltung im Bereich des – an sich zudem technisch bedingten – Loches für den Schlüsselring sowie der „Schultern“, „Ärmel“ und „Taille“ des Shirts ein unterschiedlicher Gesamteindruck.
Diese Beurteilung im Einzelfall überschreitet den dem Berufungsgericht in dieser Frage eingeräumten Ermessensspielraum nicht.

Das Berufungsgericht hat ausdrücklich nicht auf markenrechtliche Verwechslungsgefahr abgestellt, sondern den nach der Rechtsprechung maßgeblichen Gesamteindruck durch Aspekte der Formgebung illustriert. Die Revision zeigt nicht auf, warum dies eine methodische Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts sein sollte, zumal sich ein Gesamteindruck jedenfalls auch im direkten Vergleich aufgrund von Ähnlichkeiten oder Unterschieden der (hier Umriss-)Formgebung bilden kann. Soweit die Revision aus der Behauptung, die Geschmacksmuster in Form eines „T Shirts mit Ball“ heben sich vom überkommenen Formenschatz deutlich ab, einen hier relevanten hohen Schutzumfang ableiten will, ist sie darauf hinzuweisen, dass nur die oben abgebildete (Umriss-)Formgebung geschützt ist. Warum aus dieser entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch unter Außerachtlassung des Aufdrucks der prägende Eindruck einer „T Shirt mit Ball“-Form erschließen sollte, zeigt sie nicht auf.

Bereits das Erstgericht hat hervorgehoben, dass das runde Kopfstück mit Einbuchtung („Ball“) und das Loch für einen Schlüsselring als durch die technische Funktion bedingt außer Betracht zu bleiben haben. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH, wonach Erscheinungsmerkmalen eines Erzeugnisses kein Geschmacksmusterschutz zukommt, wenn sie ausschließlich durch die technische Funktion des Erzeugnisses bedingt sind. Warum aber den verbliebenen Umrisselementen von einem Benutzer, der gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente hat, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und der diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt, eine so hohe Eigenart beigemessen werden sollte, dass sich ihm gegenüber dem Eingriffsmuster trotz der vom Berufungsgericht hervorgehobenen Formunterschiede kein unterschiedlicher Gesamteindruck ergäbe, vermag die Revision nicht konkret darzulegen.

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