Aktuelle Judikatur

UBER-App ist eine Verkehrsdienstleistung

OGH vom 19.12.2019, Geschäftszahl 4 Ob 206/19a

Die Klägerin vermittelt Taxifahrten, verfügt über ein Mietwagengewerbe und beantragt der Beklagten, die in Österreich die UBER-App betreibt, mit einstweiliger Verfügung zu verbieten, ohne Niederlassung und/oder Gewerbeberechtigung eine Verkehrsdienstleistung anzubieten. Für die bereits erfolgte Beurteilung des Angebots von UBER durch den EuGH als Verkehrsdienstleistung war entscheidend, dass UBER ein Beförderungsangebot durch Software-Tools zugänglich macht und organisiert und ohne diese Applikation die Verkehrsdienstleistungen nicht erbracht und die Kunden diese Dienste nicht in Anspruch nehmen würden, sowie dass UBER einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen für die Leistungserbringung (Einflussnahme auf den Preis, Einhebung des Preises, Qualitätskontrolle) ausübt.

Die von der Beklagten vermittelten Personenbeförderungen (UBER Fahrten) werden von der Beklagten nach ihren strikten Vorgaben organisiert und von den Partnerunternehmen nach diesen Vorgaben der Beklagten durchgeführt. Die Vorgaben der Beklagten beziehen sich insbesondere auf die in der zitierten Entscheidung des EuGH genannten Kriterien der Preisbestimmung, der Einhebung des Preises und der Qualitätskontrolle; zudem gibt die Beklagte die Fahrzeugkategorien vor und nimmt auch auf die Auswahl der UBER Fahrer einen bestimmenden Einfluss. Ohne das Vermittlungssystem der Beklagten könnten die Partnerunternehmen ihre Beförderungsdienstleistungen nicht, jedenfalls nicht in rentabler Weise erbringen, weil für die Inanspruchnahme der Mietwagenfahrten entscheidend ist, dass sie von den Fahrgästen leicht ausgewählt und angefordert werden können. Ohne das leicht handhabbare Vermittlungssystem der Beklagten (UBER App) würden die Kunden nicht auf andere Weise, etwa durch Abruf der individuellen Webseiten, das jeweilige Partnerunternehmen auswählen. Vielmehr würden sie ohne leichte Zugänglichkeit zum UBER Fahrdienst auf andere Vermittlungssysteme (zB Taxizentralen) ausweichen.

Dazu bezieht sich der Generalanwalt auf den Preis, das Angebotsvolumen und die dadurch bewirkte unverzügliche Bereitstellung der Dienstleistung sowie die Mindestqualität und Sicherheit der Dienstleistung, also die Qualitätsstandards. Nach dem hier zugrunde liegenden Sachverhalt sind auch diese Kriterien erfüllt. Die Beklagte gibt die Qualitätsstandards für die UBER Fahrzeuge und die Bereitstellung der UBER Fahrten vor und bestimmt auch, wie die Einhebung des Fahrpreises und die Verrechnung mit dem jeweiligen Partnerunternehmen erfolgt.

Schließlich übersieht die Beklagte bei ihrem Rechtsmittel auch, dass nach § 22 Abs 2 Z 5 ECG selbst bei (hier allerdings nicht vorliegender) prinzipieller Anwendbarkeit des Herkunftslandprinzips im Einzelfall davon abgewichen werden kann, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls zum Schutz der Verbraucher geboten und angemessen ist. Die Rechtsansicht der Beklagten, dass sie sich wegen des Herkunftslandprinzips nicht an die österreichischen gewerberechtlichen Vorschriften halten müsse, ist schon im Hinblick auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 162/18d unvertretbar. In dieser Entscheidung wurde darauf hingewiesen, dass es für die Qualifikation der Vermittlungstätigkeit der Beklagten als Verkehrsdienstleistung entscheidend auf den Einfluss der Beklagten auf die Leistungserbringung durch die Partnerunternehmen ankommt.

Der Beklagten ist allerdings darin zuzustimmen, dass sie selbst keine gewerbsmäßige Beförderung von Personen mit Kraftfahrzeugen durchführt und daher keiner Konzession nach § 2 Abs 1 des Gelegenheitsverkehrsgesetzes und auch keiner Niederlassung gemäß § 5 Abs 1 leg cit bedarf. Vielmehr ist für die Vermittlung von durch Verkehrsunternehmen durchzuführenden Personenbeförderungen nach § 126 Abs 1 Z 2 GewO eine Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe erforderlich. Die Beklagte verfügt über keine solche Gewerbeberechtigung in Österreich, weshalb sie das Gewerbe der Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen in Österreich auch nicht ausüben darf.

Auch darin ist – bei Unvertretbarkeit der Rechtsansicht und Spürbarkeit – ein Rechtsbruch gelegen, der als sonst unlautere Handlung gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG verstößt. Der auf Rechtsbruch gestützte Unterlassungsanspruch setzt auf der Sachverhaltsebene den Verstoß gegen eine bestimmte generelle abstrakte Norm voraus, auf die sich das Sachvorbringen der klagenden Partei bezieht.

Die Beklagte übe daher zu Unrecht eine dem nationalen Gewerberecht unterworfene Verkehrsdienstleistung aus. Damit beruft sich die Klägerin ausreichend deutlich auf die Ausübung des Gewerbes der Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen durch die Beklagte, ohne dass sie über die dazu erforderliche Gewerbeberechtigung nach der Gewerbeordnung verfügt. Dass sie bei Anwendbarkeit der österreichischen Gewerbeordnung einer Gewerbeberechtigung nach § 126 Abs 1 Z 2 leg cit bedarf, bestreitet sie gar nicht. Ein Verstoß dagegen ist aufgrund der klaren Anordnungen der Gewerbeordnung auch nicht vertretbar.

Auch im gegebenen Zusammenhang haben die Vorinstanzen zutreffend beurteilt, dass die Festsetzung eines Befreiungsbetrags im Anlassfall nicht in Betracht kommt. Abermals ist der Beklagten in ihrer Einschätzung nicht zu folgen, dass das beanstandete Verhalten keine relevanten Auswirkungen auf den Wettbewerb habe. Demgegenüber haben die Vorinstanzen die einstweilige Verfügung in Bezug auf den zweiten Teil des Sicherungsbegehrens, das die fehlende österreichische Gewerbeberechtigung der Beklagten für die Vermittlung von Personenbeförderungs-Dienstleistungen zum Gegenstand hat, zu Recht erlassen, wobei der Oberste Gerichtshof dieses Unterlassungsgebot – nach dem Rechtsschutzziel und dem Vorbringen der Klägerin – geringfügig modifiziert hat (Ersetzung des Wortes „anzubieten“ durch „vermitteln“).

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