Aktuelle Judikatur

Tatsachenbehauptung in der Werbung weit auszulegen

OGH vom 30.3.2020, 4 Ob 200/19v

Die Vorinstanzen haben dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung untersagt, seine als Nahrungergänzungsmittel bezeichneten Produkte „Coenzym Q10 Kapseln“, „L-Carnitin Tartrat (Lonza)“ und „L-Carnosin Kapseln“ krankheitsbezogen zu bewerben, wie beispielsweise auf dem eigenen Youtube-Kanal mit der Aussage (oder sinngleiche Aussagen), dass diese Produkte bzw deren Inhaltsstoffe die Herzleistung von 8 % auf 33 % steigern könnten.

Eine Geschäftspraktik nach § 1 Abs 4 Z 2 UWG ist jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Unternehmens, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts zusammenhängt. Der Beklagte bewirbt Produkte, die unter seinem Namen/seiner Marke vertrieben werden. Der an solchen Nahrungsergänzungsmitteln interessierte Durchschnittsverbraucher findet – auch ohne explizite Nennung der Produkte im Video – bei der Suche im Internet mit der Angabe der Wirkstoffe und des Namens des Beklagten die Produkte ohne weiteres.

Auf das Vorliegen einer Wettbewerbsabsicht kommt es seit der UWG Novelle 2007 nicht mehr an (RS0123244). Es ist ausreichend, wenn das beanstandete Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb zu fördern – was im hier gegebenen Fall vertretbar bejaht werden konnte. Etwas anderes gälte nur dann, wenn bei objektiver Betrachtung eine andere Zielsetzung eindeutig überwiegt.

Werturteile werden aufgrund einer gedanklichen Reflexion gewonnen und geben die rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder. Sie sind daher einer objektiven Nachprüfbarkeit nicht zugänglich. Bei der Prüfung, ob eine objektiv überprüfbare Tatsachenbehauptung oder nur eine rein subjektive Meinungskundgebung vorliegt ist anhand des Gesamteindrucks der Ankündigung vorzugehen. Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist nach Lehre und ständiger Rechtsprechung weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilung („konkludente Tatsachenbehauptung“). Eine konkludente Tatsachenbehauptung liegt immer dann vor, wenn der Äußerung entnommen werden kann, dass sie von bestimmten Tatsachen ausgeht, ihr Inhalt demnach objektiv auf seine Richtigkeit überprüft werden kann.

Die Äußerung, dass ein bestimmtes Produkt bzw dessen Inhaltsstoffe die Wirkung entfalten, dass sich die Herzleistung um eine bestimmte Prozentzahl steigern lasse, vermittelt jedenfalls den Eindruck, dass sie von bestimmten Tatsachen ausgeht, deren Inhalt objektiv auf seine Richtigkeit überprüft werden kann. Demnach haben die Vorinstanzen im gegebenen Fall das Vorliegen eines (bloßen) Werturteils vertretbar verneint.

Der Rechtsmittelwerber kann sich dabei nicht auf den Schutz der freien Meinungsäußerung nach Art 10 EMRK berufen: Das Erstgericht hat als bescheinigt angenommen, dass der Beklagte wahrheitswidrig behauptet, dass die Wirkstoffe der unter seinem Namen vertriebenen Produkte eine bestimmte Wirkung entfalten. An unwahren Behauptungen besteht kein öffentliches Interesse.

Auch das Vorliegen einer Irreführung im Sinne von § 2 UWG bzw § 6 Abs 3 AMG haben die Vorinstanzen vertretbar bejaht: Mit gesundheitsbezogenen Angaben darf grundsätzlich nur geworben werden, wenn sie eindeutig belegt sind und eine Irreführung für die umworbenen Verbraucher ausgeschlossen ist. Gesundheitsbezogene Angaben sind dann irreführend, wenn Wirkungen behauptet werden, die nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis nicht hinreichend belegt sind. Bei gesundheitsbezogener Werbung sind grundsätzlich besonders strenge Anforderungen an die Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit von Werbeaussagen zu stellen, da mit irreführenden gesundheitsbezogenen Angaben erhebliche Gefahren für das hohe Schutzgut des Einzelnen sowie der Bevölkerung verbunden sein können. Die Frage, wie die angesprochenen Kreise eine Angabe oder Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Im vorliegenden Fall ist nicht bescheinigt, dass die vom Beklagten unter seinem Namen vertriebenen Produkte die Herzleistung von 8 % auf 33 % steigern. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen die Irreführungseignung der Aussagen des Beklagten angenommen haben.

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