Aktuelle Judikatur

Schutz der bekannten Marke

OGH vom 5. Juni 2020, 4 Ob 27/20d

Die Streitteile betreiben jeweils Automatenglücksspiel.
Die Klägerinnen bieten ein Online Walzen-Glücksspiel an und verwenden das Bild gemäß UM 12456828 (Wort-Bild-Marke) als Titel des Spiels und die Bilder gemäß Marken UM 12414975 (Bildmarke)und UM 12414702 (Bildmarke)als Gewinnsymbole im Spiel.

Weiters verfügen die Klägerinnen (die Erstklägerin als Markeninhaberin und die Zweitklägerin als Lizenznehmerin) über die Unionsmarke (Wortmarke) UM 4451431: BOOK OF RA.

Die Zweitbeklagte bietet ebenfalls ein Online Walzen-Glücksspiel an. Dieses bezeichnet sie als „Rick Wilde and the Book of Dead“ und verwendet als Titel des Spiels folgendes Bild
Im Spiel werden als Gewinnsymbole unter anderem auch folgende Bilder verwendet:
Die Klägerinnen machen gegen die Beklagten markenrechtliche und lauterkeitsrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit ihren Kennzeichen geltend. Das Spiel der Klägerinnen „Book of Ra“ sei berühmt und zähle zu den erfolgreichsten Topsellern am Markt der europäischen Union. Die Marken der Klägerinnen seien bekannt; die Beklagten nutzten sie unlauter.

Bei einem aus Wort und Bild zusammengesetzten Zeichen ist für den Gesamteindruck in der Regel der Wortbestandteil maßgebend, weil der Geschäftsverkehr sich meist an diesem Kennwort
– sofern es unterscheidungskräftig ist – zu orientieren pflegt und vor allem dieses Wort im Gedächtnis behalten wird. Anderes gilt dann, wenn der Wortbestandteil weder unterscheidungskräftig/prägend, noch im Vergleich zum Bildbestandteil auffälliger ist.

Der Grad der Aufmerksamkeit eines Durchschnittsverbrauchers ist für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit relevant (RS0117324). Weshalb es für den Grad der Aufmerksamkeit darauf ankommen sollte, dass der Glücksspielmarkt in Österreich reguliert ist, macht die Revision in keiner Weise deutlich. Der Grad der Aufmerksamkeit hängt von der jeweiligen Situation, insbesondere von der Bedeutung der beworbenen Waren oder Dienstleistungen für den angesprochenen Verbraucher ab (RS0114366). Dabei werden Verbraucher bei Walzenspielen zwar keine besonders hohe, aber auch keine äußerst geringe, Aufmerksamkeit an den Tag legen.
Die maßgeblichen Verkehrskreise, aus denen der angesprochene Durchschnittsverbraucher entnommen wird, bestimmen sich aus den Konsumenten der betreffenden Ware/Dienstleistung. Ist eine Ware/Dienstleistung zwar primär für eine spezielle Käufergruppe unter den Endverbrauchern bestimmt, wird aber dem allgemeinen Publikum angeboten, so kommt es auf den allgemeinen Verkehr an.

Nach ständiger Rechtsprechung besitzt eine Marke Unterscheidungskraft, wenn sie in der Lage ist, ihre Hauptfunktion zu erfüllen, nämlich dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung zu garantieren, indem sie ihm ermöglicht, diese Ware oder Dienstleistung ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden und somit die Erfahrung zu wiederholen, falls sie positiv war, oder zu vermeiden, falls sie negativ war. Fehlt die Unterscheidungskraft, kann das Zeichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblicher Herkunftshinweis nicht erfüllen.

Es wird zwischen schwach, normal und erhöht kennzeichnungskräftigen Zeichen unterschieden. Je höher die Kennzeichnungskraft eines Zeichens ist, desto eher besteht die Gefahr von Verwechslungen.

Kennzeichnungskraft kann entweder originär vorliegen oder durch die Benutzung des Zeichens und dessen Bekanntheit erworben werden. Grundsätzlich ist von normaler Kennzeichnungskraft auszugehen; originär erhöhte Kennzeichnungskraft ist nur in besonderen Ausnahmefällen anzunehmen, etwa bei berühmten Namen oder einer ganz besonders herausragenden Gestaltung.

Bei (Wort-)Bildmarken, die hier mit der Marke „Buch“ und „männlicher Kopf“ vor allem zur Prüfung stehen, wird der von der Revision de facto geforderte Motivschutz bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr aber grundsätzlich abgelehnt. Dabei ist zu beachten, dass das Motiv einer Darstellung umso weniger Bedeutung für den Verkehr hat, umso einprägsamer und individueller seine konkrete bildliche Ausgestaltung ist. Einen allgemeinen Motivschutz gibt es im Markenrecht nicht, auch nicht bei bekannten Marken.

Ob zwischen zwei Marken Verwechslungsgefahr besteht, ist bei hier gegebener Warenidentität nach der Zeichenähnlichkeit zu prüfen. Dafür sind die verwendeten Zeichen unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft in Bild, Klang und Bedeutung einer gesamthaften Würdigung zu unterziehen.

Entgegen der Revision besteht auch bei den Zeichen „Book of ra“ und „Book of dead“ keine klangliche Ähnlichkeit. Auch bei der Frage klanglicher Ähnlichkeit ist nämlich der Gesamteindruck maßgeblich. Es ist daher nicht zulässig, isoliert nur die Zeichenbestandteile „Book of“ zu vergleichen. Die Endworte RA bzw DEAD sind in klanglicher Hinsicht nicht verwechselbar.

Insoweit ist nach dem bisher Gesagten die Beurteilung des Berufungsgerichts zu allen drei Zeichen zutreffend, dass keine unmittelbare Verwechslungsgefahr besteht.

Bei der Wortbildmarke „BOOK OF RA“ ist der prägende Wortbestandteil das RA; die Beklagte verwendet den Wortbestandteil „Rick Wilde and the BOOK OF DEAD“. Die grafische Gestaltung weicht ausreichend voneinander ab.

Zutreffend sind aber letztlich die Ausführungen der Revision, die Klägerin habe umfangreiches Vorbringen zur Bekanntheit ihrer Marken erstattet, das die Vorinstanzen zu Unrecht nicht beachtet hätten.

Der Schutz der bekannten Marke setzt keine Verwechslungsgefahr voraus, sondern nur eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpft. Der Grad der dafür erforderlichen Ähnlichkeit ist niedriger anzusetzen als der Grad der Ähnlichkeit, der für Verwechslungsgefahr verlangt wird; es reicht zudem aus, wenn die Ähnlichkeit in einem der drei Punkte Bild, Klang oder Sinngehalt besteht. Dann ist die Marke gegen unlautere Beeinträchtigung oder Ausnutzung der Unterscheidungskraft oder Wertschätzung geschützt. Bei Verwendung eines identischen oder ähnlichen Zeichens liegt es wegen der bei bekannten Marken offenkundigen Möglichkeit einer Rufausnutzung nahe, unlautere Motive zu vermuten. Das trifft insbesondere dann zu, wenn ein Dritter versucht, sich durch Trittbrettfahren an den Ruf der bekannten Marke anzuhängen und von diesem zu schmarotzen. Zudem kann die Bekanntheit der Marke die Gefahr von Verwechslungen steigern.

Da zur Bekanntheit der Marken der Klägerinnen Feststellungen fehlen, können die mit dem gegenständlichen Teilbegehren geltend gemachten markenrechtlichen Ansprüche unter dem Gesichtspunkt einer gedanklichen Verknüpfung der konkurrierenden Zeichen sowie einer unlauteren Ausnutzung der Marken der Klägerinnen noch nicht abschließend beurteilt werden.

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