Aktuelle Judikatur

Werbung nach Gesamteindruck zu beurteilen

OGH vom 7. April 2020

Im Rahmen der lauterkeitsrechtlichen Beurteilung richtet sich der Bedeutungsinhalt einer Äußerung nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein aufmerksamer Durchschnittsadressat gewinnt. Richtet sich eine Werbeaussage allein an Fachkreise, so ist für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung das Verständnis eines fachkundigen Lesers der Fachzeitschrift maßgebend. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, weil der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, entscheidend geprägt werden kann. Bei einer blickfangartigen Aussage bedarf es zur Vermeidung eines irreführenden Gesamteindrucks eines deutlich wahrnehmbaren Hinweises, mit dem über die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen die Aussage gilt, ausreichend aufgeklärt wird. Maßgebend ist dabei, ob ein aufmerksamer Durchschnittsadressat den aufklärenden Hinweis wahrnimmt, wenn er mit der Werbeaussage konfrontiert wird.

Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, so dass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen und so geeignet ist, die Adressaten der Werbung zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie sonst nicht getroffen hätten; dies gilt auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist.

Der Frage, wie die angesprochenen Verkehrskreise eine Werbeaussage verstehen und ob sie demnach zur Irreführung geeignet ist, kommt keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage begründet; dasselbe gilt für die Beurteilung, ob eine bestimmte Werbung mit Reichweitenangaben, die ähnlich streng wie vergleichende Werbung zu beurteilen sind, eine irreführende Geschäftspraktik iSd § 2 UWG ist.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte nach dem maßgebenden Gesamteindruck der beanstandeten Werbung über die Reichweite ihrer Zeitungen iSd § 2 UWG in die Irre führt, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung.

Soweit die Revisionswerberin auf aufklärende Hinweise in ihrer Werbung verweist, übergeht sie, dass sie nach Einschätzung der Vorinstanzen gerade jene wesentliche Information nicht erteilt hat, die das Publikum erst in die Lage versetzt hätte, sich selbst ein objektives Urteil zu bilden. Es ist dies die Information darüber, dass der Leserzuwachs, mit dem sie besonders hervorgestellt wirbt, zumindest zu einem großen Teil durch die erstmals erfolgende Mitzählung von bis dahin nur die Online Ausgabe lesenden Personen zustande kam. Verschwiegen wird damit, dass der beworbene Vergleich gerade keine signifikante Reichweitensteigerung im Sinne des Gewinnens neuer Leserschichten gegenüber der Vorperiode abbildet.


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