Aktuelle Judikatur

Verstoß gegen nichtige ABG-Klausel ist keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung

Die Klägerin ist eine Energielieferantin für Stromprodukte an Privat- und Geschäftskunden. Nach ihren Geschäftsbedingungen ist für den Abschluss ihrer Online-Tarife vorausgesetzt, dass der Kunde den Vertrag persönlich und nicht durch Stellvertreter abschließt. Die Beklagte bietet auf ihren Websites ein automatisches Energieanbieter-Wechselservice für Privatpersonen an. Dazu muss der Kunde der Beklagten eine Vollmacht erteilen. Bei Abschluss eines Online-Vertrags mit der Klägerin wird das Kästchen mit der Erklärung, die persönlichen Daten selbst eingegeben zu haben, von einem Mitarbeiter der Beklagten wahrheitswidrig angeklickt. Der Sicherungsantrag der Klägerin (der Beklagten im geschäftlichen Verkehr zu verbieten für Dritte Online-Tarife bei der Klägerin abzuschließen, wenn diese nach den Tarifbedingungen nicht für den Abschluss durch Stellvertreter offenstehen, sowie der Klägerin gegenüber unrichtige Angaben in Bezug auf ihre Eigenschaft als Vertreter zu machen) wurde vom Erstgericht abgewiesen und vom Rekursgericht stattgegeben.

Der Oberste Gerichtshof stellte die abweisende Entscheidung des Erstgerichts wieder her und entschied dazu folgendes:
Die Klägerin wirft dem Beklagten eine Täuschung im B2B Bereich vor und qualifiziert dies als Verstoß gegen den lauterkeitsrechtlichen Wahrheitsgrundsatz. Die Beklagte gibt (durch Anklicken des entsprechenden Kästchens auf den Webseiten der Klägerin) die wahrheitswidrige Erklärung ab, nicht als Stellvertreterin des Kunden zu handeln und täuscht die Klägerin daher über das Vorliegen eines Eigenabschlusses.

Demnach wirft die Klägerin der Beklagten das Erschleichen einer Leistung durch Täuschung vor, was an einen Schleichbezug erinnert (vgl dazu etwa 4 Ob 84/15d). Einen vergleichbaren Sachverhalt hatte der deutsche BGH in der Entscheidung zu I ZR 224/12 (GRUR 2014, 785) zu beurteilen. Dort ging es um die Vermittlung von Flugbuchungen durch das beklagte Internetvergleichsportal, wobei die dortige Klägerin diese Praktik in den AGB auf ihrer Website, die die dortige Beklagte durch Anklicken akzeptierte, ausdrücklich untersagt hatte. Der BGH gelangte in dieser Entscheidung zum Ergebnis, dass kein Schleichbezug (durch Täuschung) vorliege, wenn das System an sich nicht schützenswert sei, weil die AGB der Klägerin nichtig seien. Diese Überlegungen sind auf den Anlassfall übertragbar. Es gilt daher folgender Grundsatz: Ist die zugrunde liegende vertragliche Regelung, auf deren Verstoß durch die beklagte Partei sich die klagende Partei im Lauterkeitsprozess beruft (hier Ausschluss der Stellvertretung), zufolge Sittenwidrigkeit oder gröblicher Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB nichtig und damit unwirksam, so begründet der inkriminierte Verstoß keine lauterkeitsrechtlich relevante Täuschung.

Zur Frage der Möglichkeit, sich auf Nichtigkeit der zugrunde liegenden Vertragsklausel berufen zu können oder ob dies wegen bloß relativer Nichtigkeit ausgeschlossen ist, stellt der OGH klar, dass sich die geltend gemachte Unlauterkeit des Verhaltens der Beklagten nur daraus ergeben kann, dass sie gegen die in Rede stehende vertragliche Vorgabe einer Vertragspartei verstoßen hat und die Nichtigkeit dieser Klausel daher dem Täuschungsvorwurf die Grundlage entzieht und sich die Gegenseite im Lauterkeitsprozess daher darauf berufen können muss. Hier handelt es sich um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung zur Bestreitung eines vorgeworfenen Vertragsbruchs, die nicht gleichbedeutend mit der rein vertraglichen Beurteilung der absoluten oder relativen Nichtigkeit einer sittenwidrigen Vertragsbestimmung ist. Bestärkt wird dieses Ergebnis laut OGH durch die Überlegung, dass der Beitrag (der Beklagten) zu einem fremden Vertragsbruch (hier: wahrheitswidrige Erklärung im Namen des Kunden) nach der Rechtsprechung dann nicht unlauter ist, wenn sich der Vertrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als ungültig herausstellt.

Im konkreten Fall kann sich die Beklagte im Lauterkeitsverfahren auf eine allfällige Nichtigkeit der in Rede stehende Vertragsklausel über den Ausschluss der Stellvertretung beim Online-Vertragsabschluss berufen. Die gewillkürte Höchstpersönlichkeit in den AGB ist an § 879 Abs 3 ABGB zu messen. Bei der Abweichung einer Vertragsklausel von den dispositiven Rechtsvorschriften liegt eine gröbliche Benachteiligung eines Vertragspartners dann vor, wenn sie unsachlich und unangemessen ist. Dabei ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Fest steht, dass der Ausschluss der Stellvertretung in den AGB vom dispositiven Recht abweicht. Er ist für die Kunden nachteilig, da Online-Angebote unter Umständen von Kunden nicht in Anspruch genommen werden können, weil sie sich etwa vertreten lassen wollen, das Internet nicht oft bzw. gern nutzen oder zu einer schützenswerten Gruppe gehören.

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