Aktuelle Judikatur

Unternehmer haben für Gutscheine grundsätzlich eine Verfallsfrist von 30 Jahren zu beachten

Im konkreten Fall ging es um den Kauf von Erlebnisgutscheinen, wobei das beklagte Unternehmen die jeweiligen Erlebnisse bloß vermittelt. Bei einem ersatzlosen Verfall der Gutscheine würde das Unternehmen den gesamten bezahlten Betrag erhalten – sowohl das Entgelt für das Erlebnis als auch für die Vermittlungstätigkeit. Dies wurde vom OGH als Einnahme ohne Leistung qualifiziert. Ohne Rückzahlungsmöglichkeit des Gutscheins liegt eine gröbliche Benachteiligung vor. Diese und weitere AGB-Klauseln, etwa umfassende Leistungsänderungsvorbehalte für Erlebnisgutscheine und zu weit gefasste AGB-Änderungsmöglichkeiten, wurden vom Höchstgericht für rechtswidrig erklärt.

Im gegenständlichen Fall klagte die Bundesarbeiterkammer einen Gutscheinanbieter auf Unterlassung hinsichtlich rechtswidriger AGB-Klauseln und Vertragsformblätter im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern.
Die Beklagte mit Sitz in Deutschland betreibt Online-Handelsplattformen und wendet sich über ihre deutschsprachige Website auch an Verbraucher in Österreich. Sie vertreibt ihre Waren und Dienstleistungen („Erlebnis-Geschenkboxen“) in Österreich in den Filialen diverser Handelsketten. Sie schließt als Unternehmerin iSd § 1 KSchG mit Verbrauchern Verträge über den Erwerb eines Gutscheins für Leistungen oder Waren, denen sie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) – ua mit 19 von der Klägerin beanstandeten Klauseln – zugrunde legt.

Die Beklagte ist allerdings nur Vermittlerin, sie selbst hat nicht die in den Gutscheinen angegebenen Leistungen oder Lieferungen von Waren zu erbringen, sondern nur dafür zu sorgen, dass der Gutschein einen Anspruch auf Leistungserbringung durch Partnerunternehmen – sogenannte „Erlebnispartner“ – gewährt. Herausgeber der Gutscheine und Schuldner der darin genannten Leistungen oder Waren sind allein die jeweils angegebenen Erlebnispartner, die diese Leistungen wiederum aufgrund ihrer eigenen AGB erbringen.

Betreffend der Rechtswahlklausel der AGB, über die Dissens zwischen den Streitparteien vorlag, entschied der OGH, dass eine mögliche Unwirksamkeit nicht näher zu untersuchen ist. Soweit das österreichische Recht strenger ist als das deutsche, ist die Zulässigkeit der betreffenden Klausel(n) unstrittig nur nach österreichischem Recht zu prüfen. Ist die österreichische und die deutsche Rechtslage hingegen deckungsgleich, ist eine Benachteiligung der Beklagten durch die Beurteilung (nur) nach österreichischem Recht jedenfalls auszuschließen.
Bezüglich der Verfallsfrist von Gutscheinen hielt der OGH fest, dass die Verjährungsregeln nach österreichischem Recht für Verbraucher günstiger sind als die (in der beanstandeten Klausel abgebildete) Verjährung nach deutschem Recht, sodass das österreichische Recht (unabhängig von der Wirksamkeit der Rechtswahlklausel) jedenfalls vorrangig ist.

Der OGH bekräftigte, dass Klauseln, die das eigentliche Leistungsversprechen einschränken, verändern oder aushöhlen, der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB unterliegen. Dies gilt insbesondere auch für eine in AGB enthaltene Verkürzung der Verjährungsfrist.
Bei Nichteinlösung der Erlebnisgutscheine (innerhalb der in den AGB verankerten drei Jahren), erhält der beklagte Unternehmer bereits am Tag nach Ablauf der Einlösefrist den Gesamtbetrag, der sowohl das Entgelt für die verbriefte Leistung (des Erlebnispartners) als auch die eigene Vermittlungstätigkeit umfasst. Dadurch ist der beklagte Unternehmer um das Entgelt für die verbriefte Leistung des Erlebnispartners bereichert, ohne dass es dafür einen sachlich gerechtfertigten Grund gibt. Würde es eine Rückzahlungsmöglichkeit geben, könnte die gröbliche Benachteiligung des Verbrauchers verhindert werden (vgl 7 Ob 22/12d zu einer vergleichbaren Klausel).
Weiters wurden vom OGH unzulässige, einseitige Leistungsänderungsrechte in den AGB festgestellt, weil sie iSd § 6 Abs 2 Z 3 KSchG zu umfassend und vage formuliert sowie intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG sind.

Bei Erlebnisgeschenken mit mehreren Wahlmöglichkeiten bestand kein Anspruch auf ein bestimmtes Erlebnis oder ein Erlebnis an einem bestimmten Ort, sofern es für Verbraucher noch eine „angemessene Wahlmöglichkeit“ gab. Somit hätte das beklagte Unternehmen auch sämtliche angebotenen Erlebnisse gegen – eventuell unattraktivere Angebote – austauschen können.

Eine weitere rechtswidrige AGB-Klausel bekräftigte das ständige Bemühen des Unternehmens, die präsentierten Erlebnisse korrekt und möglichst genau zu beschreiben, dass aber die Inhalte der Erlebnisbeschreibungen und Abläufe eines Erlebnisses geändert werden können. Das Bemühen um fortlaufende Aktualisierung der Erlebnisbeschreibung auf der Website war auch Teil der intransparenten Klausel. Das beklagte Unternehmen schuldet jedoch die Vermittlung des Erlebnispartners auf Basis der Erlebnisbeschreibung und hat dafür einzustehen, dass der Erlebnispartner die Leistungen zu den im Gutschein verbrieften Bedingungen erbringt.

Schließlich wurden vom OGH auch zu weit gefasste AGB-Änderungsmöglichkeiten als gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB und intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG beurteilt.

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