Aktuelle Judikatur

BGH: Irreführung durch Unterlassen wesentlicher Angaben in der Printwerbung für ein Online-Verkaufsportal

In Deutschland enthält § 5a dUWG („Irreführung durch Unterlassen“) Bestimmungen, die – wie die österreichische Regelung – den Vorgaben des Art 7 UGP-Richtlinie 2005/29 entsprechen. So gilt nach § 7 Abs 4 lit b UGP-RL im Falle einer Aufforderung zum Kauf unter anderem die „Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, wie sein Handelsname und gegebenenfalls Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden, für den er handelt“ als wesentliche Information (sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt). Im konkreten Fall ging es um ein ganzseitiges Werbeinserat in einer deutschen Zeitung für Angebote auf einer Online-Verkaufsplattform, in welchem nach Ansicht der Klägerin die Identität und Anschrift der Warenverkäufer anzugeben gewesen wären. Die beklagte Betreiberin der Online-Verkaufsplattform habe dadurch eine unlautere Irreführung durch Unterlassen im Sinne des § 5a dUWG begangen. Der BGH nahm diesen Fall zum Anlass, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob „die Angaben zu Anschrift und Identität des Gewerbetreibenden im Sinne von Art. 7 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2005/29/EG schon in der Anzeigenwerbung für konkrete Produkte in einem Printmedium gemacht werden, auch wenn die Verbraucher die beworbenen Produkte ausschließlich über eine in der Anzeige angegebene Website des werbenden Unternehmens erwerben und die nach Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie erforderlichen Informationen auf einfache Weise auf dieser oder über diese Website erhalten können?“ (BGH-Beschluss vom 28. Januar 2016).

Der EuGH beantwortete diese Frage dahingehend (Urteil vom 30. März 2017 - C-146/16), dass Art 7 Abs 4 der UGP-RL so auszulegen sei, dass eine Werbeanzeige wie diese, die unter den Begriff "Aufforderung zum Kauf" fällt, die in dieser Vorschrift vorgesehene Informationspflicht erfüllen kann. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, in jedem Einzelfall zu prüfen, ob es aufgrund räumlicher Beschränkungen in dem Werbetext gerechtfertigt ist, Angaben zum Anbieter nur auf der Online-Verkaufsplattform zur Verfügung zu stellen.

Mit seinem Urteil vom 14.9.2017 – I ZR 23114 – MeinPaket.de II gab der BGH der Klage statt und begründete das Vorliegen einer Irreführung durch Unterlassen im konkreten Fall – zusammengefasst – wie folgt: Das Zeitungsinserat ist eine „Aufforderung zum Kauf“. Nach der Rechtsprechung des EuGH reiche es dafür aus, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht. Der Begriff der "geschäftliche Entscheidung" umfasse nach dem EuGH nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 = WRP 2014, 161 Rn. 36 - Trento Sviluppo). Das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet steht insofern dem Besuch eines stationären Geschäfts gleich.

Die Beklagte ist verpflichtet, bei der beanstandeten Werbung die Identität und Anschrift der Anbieter der von ihr beworbenen Produkte anzugeben. Indem das UWG die Informationspflicht auf die Identität und Anschrift desjenigen Unternehmers erweitert, für den der anbietende Unternehmer handelt, stellt das Gesetz sicher, dass dem Verbraucher auch dann die Identität und die Anschrift seines Vertragspartners offenbart werden, wenn dieser beim Abschluss des Geschäfts nicht selbst in Erscheinung tritt, sondern ein Dritter dem Verbraucher das Geschäft anbietet.

Wie sich aus Art. 7 Abs. 2 der UGP-RL ergibt, steht das nicht rechtzeitige Bereitstellen dem Vorenthalten einer Information gleich. Im Fall des § 5a Abs. 3 UWG erreicht den Verbraucher eine wesentliche Information grundsätzlich nur rechtzeitig, wenn er sie erhält, bevor er aufgrund der Aufforderung zum Kauf eine geschäftliche Entscheidung treffen kann. Diese geschäftliche Entscheidung ist bei der Werbeanzeige der Beklagten das Aufsuchen ihres Verkaufsportals im Internet, um ein in der Anzeige beworbenes Produkt zu erwerben oder sich damit näher zu befassen. Die Informationen zu Identität und Anschrift der Anbieter der beworbenen Produkte müssen grundsätzlich bereits in dieser Werbeanzeige erfolgen.

Zum Einwand der räumlichen bzw zeitlichen Beschränkungen des Kommunikationsmediums: Solche räumlichen Beschränkungen könnten bestehen, wenn in einem Printmedium für eine Online-Verkaufsplattform geworben wird, insbesondere wenn darin eine große Anzahl von Kaufmöglichkeiten bei verschiedenen Gewerbetreibenden angeboten wird. Im Streitfall bestünden derartige räumliche Beschränkungen nicht. In der beanstandeten, eine ganze Zeitungsseite füllenden Anzeige wurde lediglich für fünf konkrete Produkte geworben. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass es räumlich ausgeschlossen gewesen wäre, dort die Angaben zu Anschrift und Identität der jeweiligen Anbieter der Waren zu machen.

Zwar sei der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass räumliche oder zeitliche Beschränkungen des Kommunikationsmittels nicht erst dann anzunehmen sind, wenn es objektiv unmöglich ist, die fraglichen Angaben schon bei der Aufforderung zum Kauf zu machen. Erforderlich ist danach eine Prüfung des Einzelfalls. Dafür kommt es insbesondere auf die vom Unternehmer gewählte Gestaltung des Werbemittels und den Umfang der insgesamt erforderlichen Angaben an. Andererseits sei aber die Entscheidung des Gesetzgebers zu beachten, bestimmte Angaben als wesentlich anzusehen. Der werbende Unternehmer darf diese Angaben daher nicht allein deshalb in einer Anzeige unterlassen, weil er andere Angaben für besser geeignet hält, seinen Werbezweck zu erreichen.

Die Informationspflicht könne nicht deshalb erst nach Aufsuchen des Verkaufsportals der Beklagten erfüllt werden, weil der Verbraucher es für eine Bestellung der Produkte ohnehin zwingend aufsuchen muss oder weil er sich bei einer Bestellung im Internet nicht in einer mit dem Besuch eines stationären Geschäfts vergleichbaren Drucksituation befindet. Diese Information sei für den Verbraucher auch wesentlich, weil dieser dadurch in die Lage versetzt wird, den Ruf des Unternehmers im Hinblick auf Qualität und Zuverlässigkeit der von ihm angebotenen Waren oder Dienstleistungen, aber auch dessen wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Bonität und Haftung einzuschätzen. So könnten die fehlenden Impressumsangaben einen Verbraucher dazu veranlassen, das Internetportal der Beklagten aufzusuchen, obwohl er bei Kenntnis von der Identität des anbietenden Unternehmers möglicherweise davon abgesehen hätte, sich näher mit dem beworbenen Angebot zu befassen. Das komme etwa in Betracht, wenn der Verkäufer in Bewertungsportalen negativ bewertet wird oder der Kunde mit ihm konkrete negative Erfahrungen gemacht hat.

Unerheblich sei, so der BGH, in diesem Zusammenhang, ob der Kunde die beworbenen Produkte ausschließlich über das Internetportal der Beklagten erwerben kann. Die erst dort gegebenen Informationen erreichten den Verbraucher zwar noch vor dem Kaufabschluss oder sind vor diesem Zeitpunkt abrufbar. Sie erfolgen jedoch zu spät, um ihm eine informationsgeleitete Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob er sich überhaupt näher mit einem der angebotenen Produkte befassen und dafür dieses Internetportal aufsuchen will. Auch der Umstand, dass ein Verbraucher am Computer eine Ware in Ruhe und unbeobachtet von Verkaufspersonal bestellen kann, ändere nichts daran, dass ihm die wesentlichen Informationen über Anschrift und Identität der Anbieter der beworbenen Produkte fehlen, bevor er die Internetseite der Beklagten aufsucht. Der Gesetzeszweck gebiete es daher, dass die Beklagte Identität und Anschrift der Verkäufer der Produkte bereits in der Werbeanzeige angibt.

Zurück zur Liste

Impressum | Suche | Newsletter | © Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb (2024)