Aktuelle Judikatur

EuGH verneint Produkthaftung einer Zeitung für falschen Gesundheitstipp

Eine auflagenstarke österreichische Tageszeitung veröffentlichte 2016 den Gesundheitstipp eines Kräuterpfarrers. Darin wurde bei Rheuma empfohlen, die betroffenen Zonen zunächst mit Öl oder Schmalz einzureiben und danach geriebenem Kren für „zwei bis fünf Stunden“ – für eine gute ableitende Wirkung – aufzulegen. Diese Zeitangabe war jedoch unrichtig, tatsächlich hätten es „zwei bis fünf Minuten“ sein sollen. Die Klägerin des österreichischen Ausgangsverfahrens, die auf die Richtigkeit der im Zeitungsartikel angeführten Behandlungsdauer vertraute, setzte den Gesundheitstipp wie abgedruckt zur Behandlung ihres Fußgelenks um. Nach etwa drei Stunden entfernte sie die Auflage, als es bereits zu starken Schmerzen aufgrund einer toxischen Hautreaktion gekommen war. Die Klägerin begehrte vom Verlag Schadenersatz wegen der dadurch erlittenen Schmerzen.

Nach Abweisungen der Klage durch die Vorinstanzen legte der OGH dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:
Ist Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 und Art. 6 der Richtlinie 85/374 dahin auszulegen, dass als (fehlerhaftes) Produkt auch ein körperliches Exemplar einer Tageszeitung anzusehen ist, die einen fachlich unrichtigen Gesundheitstipp enthält, dessen Befolgung einen Schaden an der Gesundheit verursacht?
Somit prüfte der EuGH, ob eine gedruckte Zeitung mit einem falschen Gesundheitstipp ein „fehlerhaftes“ Produkt im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie sein kann. Nach Art. 2 der Richtlinie ist ein „Produkt“ jede bewegliche Sache sowie auch Elektrizität. Aus dem Wortlaut dieses Artikels ergibt sich, dass Dienstleistungen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen können.

Da es im vorliegenden Fall um die besondere Konstellation einer Dienstleistung (Gesundheitstipp) in einer körperlichen Sache (Printzeitung) ging, prüfte der EuGH daher weiters, ob ein Gesundheitstipp, der in eine bewegliche körperliche Sache aufgenommen wird, aufgrund der Tatsache, dass er sich als unrichtig erwiesen hat, dazu führen kann, dass die Zeitung selbst fehlerhaft wird.

Der EuGH verneinte dies mit folgenden Begründungen. Die Fehlerhaftigkeit eines Produkts wird anhand von Faktoren ermittelt, die dem Produkt selbst innewohnen und insbesondere mit seiner Darbietung, seinem Gebrauch und dem Zeitpunkt seines Inverkehrbringens. Im gegenständlichen Fall bezog sich die Dienstleistung (falscher Gesundheitstipp) nicht auf die gedruckte Zeitung. Daher gehört diese Dienstleistung nicht zu den der gedruckten Zeitung innewohnenden Faktoren, die als Einzige die Beurteilung ermöglichen, ob dieses Produkt fehlerhaft ist.

Es entspricht dem Willen des Unionsgesetzgebers eine bewusste Unterscheidung zwischen der Haftung von Dienstleistern und der Haftung von Herstellern körperliche Produkte zu machen. Somit fällt ein unrichtiger Gesundheitstipp, der in einer gedruckten Zeitung veröffentlicht wird und der den Gebrauch einer anderen körperlichen Sache betrifft, nicht in den Anwendungsbereich der Produkthaftungsrichtlinie und vermag keine verschuldensunabhängige Produkthaftung des „Herstellers“ auszulösen, egal, ob es sich um den Zeitungsverleger, die Druckerei oder den Autor des Artikels handelt.

Eine verschuldensunabhängige Haftung eines Zeitungsverlags, von der er sich nicht oder nur eingeschränkt befreien könnte, entspricht nicht dem Ziel der Produkthaftungsrichtlinie, die Risiken zwischen dem Geschädigten und dem Hersteller gerecht zu verteilen. Summa summarum ist daher laut EuGH festzuhalten, dass hier kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne der Produkthaftungsrichtlinie vorliegt.

Der Wortlaut des EuGH in diesem Vorabentscheidungsverfahren ist folgender:
Art. 2 der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte in der durch die Richtlinie 1999/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 1999 geänderten Fassung ist im Licht der Art. 1 und 6 dieser Richtlinie dahin auszulegen, dass ein Exemplar einer gedruckten Zeitung, die im Zuge der Behandlung eines Themas aus dem Umfeld der Medizin einen unrichtigen Gesundheitstipp zur Verwendung einer Pflanze erteilt, durch dessen Befolgung eine Leserin dieser Zeitung an der Gesundheit geschädigt wurde, kein „fehlerhaftes Produkt“ im Sinne dieser Bestimmungen ist.

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