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Deutscher Jahresbericht zu unlauteren Handelspraktiken in der Lebensmittellieferkette

18.03.2024

In Österreich wurde die EU-Richtlinie über unlautere Handelspraktiken im Agrar- und Lebensmittelbereich (UTP-Richtlinie) im „Nahversorgungsgesetz“ umgesetzt, welches nun „Faire Wettbewerbsbedingungen-Gesetz“ (FWBG) heißt. Als zuständige Behörde wurde die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) bestimmt. In Deutschland erfolgte die Umsetzung durch das „Gesetz zur Stärkung der Organisationen und Lieferketten im Agrarbereich“ (AgrarOLkG) mit der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) in Bonn als zuständiger Durchsetzungsbehörde. Nach dem Jahresbericht der BWB (siehe dazu unsere Meldung vom 5.3.2024) hat nun auch die deutsche Behörde ihren Bericht für das Jahr 2023 dazu vorgelegt, der wie folgt – nach einem kurzen Blick auf die rechtliche Grundlage – zusammengefasst wird.

Das AgrarOLkG enthält einen der UTP-Richtlinie und dem FWBG entsprechenden Katalog von Handelspraktiken im Agrar- und Lebensmittelbereich, die – bei bestimmten Größen- bzw Umsatzverhältnissen zwischen Käufern und Lieferanten – stets als unlauter gelten. Weiters sind Handelspraktiken angeführt, die nur dann zulässig sind, wenn sie zuvor klar und eindeutig zwischen Käufer und Lieferant vereinbart wurden. Das Verbot unlauterer Handelspraktiken in § 23 AgrarOLkG stellt auf die „Ausnutzung des wirtschaftlichen Ungleichgewichts zwischen dem Käufer und dem Lieferanten“ ab.

Laut dem vorliegenden Bericht gingen im Jahr 2023 bei der BLE deutlich mehr Beschwerden zu möglichen Verstößen ein als in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen. Nach dem Eindruck der BLE ist die Beschwerdemöglichkeit für viele betroffene Lieferanten nach wie vor „ultima ratio“, von der sie nur dann Gebrauch machen, wenn sie alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Es habe sich bestätigt, dass auch Betroffene, die von den UTP-Verboten und ihrem Beschwerderecht wissen, sich häufig bewusst dagegen entscheiden, davon Gebrauch zu machen. Der wichtigste Grund dafür ist danach die Sorge der Lieferanten vor negativen Auswirkungen auf die entsprechende Lieferbeziehung (sogenannter „Angstfaktor“).

Von den im vergangenen Jahr bei der BLE eingegangenen elf Beschwerden führten fünf zur Einleitung von Verfahren. Bei den übrigen Beschwerden habe sich laut BLE der Vorwurf des Beschwerdeführers entweder nicht erhärtet oder sei keiner der Katalogtatbestände des AgrarOLkG erfüllt gewesen bzw sei der Sachverhalt nicht in den Anwendungsbereich des Gesetzes gefallen.

Die BLE hat im Berichtszeitraum folgende Verfahren abgeschlossen:

Preisveränderungen einer Erzeugergenossenschaft:
Nachdem sich ein Mitgliedsunternehmen einer Erzeugergenossenschaft aus dem Bereich Gartenbauprodukte über die Vergütungen dieser Genossenschaft beschwert hatte, prüfte die BLE, ob hier ein wirtschaftliches Ungleichgewicht ausgenutzt wird. In Betracht kam ein Verstoß gegen das Verbot einseitiger Preisveränderungen (§ 15 Nr. 4 AgrarOLkG). Die BLE hat den Beschwerdeführer zu dem Sachverhalt befragt und Auskunftsverlangen an die betroffene Erzeugergenossenschaft gerichtet. Im Ergebnis hat die BLE das Verfahren eingestellt, nachdem die Erzeugergenossenschaft im Dezember 2023 ihre Anlieferordnung angepasst hat.

Retournierung von Obst und Gemüse:
Diesem Verfahren lagen mehrere anonyme Meldungen an die BLE zugrunde, dass drei der vier größten deutschen Lebensmitteleinzelhandelsunternehmen bestelltes und vertragsgemäß geliefertes, aber nicht weiterverkauftes Obst und Gemüse an die Erzeuger retournierten und entsprechende Rechnungskürzungen vornehmen würden. Es seien sogar Rechnungen gekürzt worden, wenn das Obst und Gemüse in den Filialen ohne Nachweis oder Mitteilung an die Erzeuger vernichtet worden sei. Weiters wurde moniert, dass die Einzelhandelsunternehmen die gelieferten Produkte nicht sachgemäß handhaben und Qualitätskontrollen teilweise erst mehrere Tage nach der Warenannahme durchführen würden.
Die BLE forderte die Einzelhandelsunternehmen auf, die Sachverhalte intern zu untersuchen und etwaige Missstände unverzüglich abzustellen. Weiters ließ sich die BLE über die jeweils bestehenden Wareneingangs-, Qualitätssicherungs- und Reklamationsprozesse informieren. Die Unternehmen wurde überdies dazu angehalten, konkrete Maßnahmen zu treffen, um die gesetzlichen Regelungen betreffend das Absatzrisiko (§ 12 AgrarOLkG) und die Gefahrtragung (§ 16 Abs 1 Nr 1 AgrarOLkG) einzuhalten. Die BLE blieb nach ihren Angaben während des gesamten Verfahrens mit den anonymen Hinweisgebern in Kontakt, um zu prüfen, ob die ergriffenen Maßnahmen tatsächlich Wirkung zeigen. Die BLE hat schließlich das Verfahren eingestellt, nachdem sie weder von den anonymen Hinweisgebern noch sonst konkrete Meldungen zu erneuten oder ähnlichen Vorkommnissen erhalten hat.

Kaufland Distributionsvergütung:
Die BLE führte 2023 zwei Verfahren gegen das Unternehmen „Kaufland“, in denen es um eine sogenannte Distributionsvergütung ging, die Kaufland im Zusammenhang mit der Übernahme von Standorten mit zahlreichen Lieferanten vereinbart hatte. Die BLE hatte den Verdacht, dass Kaufland damit ein wirtschaftliches Ungleichgewicht gegenüber seinen umsatzschwächeren Lieferanten ausnutze. Es wurde daher geprüft, ob Kaufland hier unzulässige Listungsgebühren im Sinne des § 17 S 1 AgrarOLkG verlange bzw es sich bei der Distributionsvergütung um Zahlungen für Vermarktungsleistungen im Sinne von § 20 Abs 1 Nr 2 AgrarOLkG handle. Außerdem wurde untersucht, ob für diese Zahlungen ein verkaufsspezifischer Zusammenhang im Sinne des § 16 Abs 2 S 1 AgrarOLkG bestehe.

Nach umfassenden Ermittlungen stellte das BLE schließlich das Verfahren ein, weil sich insbesondere der Verdacht, dass Kaufland von Lieferanten unzulässige Listungsgebühren verlange, nicht bestätigen ließ. So hätten die Ermittlungen der BLE ergeben, dass die Vereinbarungen die Lieferanten nicht bereits dann und allein deshalb zur Zahlung verpflichteten, wenn und weil ihre Erzeugnisse eingelistet wurden bzw weiterhin gelistet blieben, sondern die Vereinbarungen umsatzbasiert seien und die Distributionsvergütung nur deshalb anfiel, wenn und soweit Kaufland – über die Listung hinaus – den Lieferanten ihre jeweiligen Erzeugnisse auch tatsächlich abnimmt, um sie in ihren Verkaufsstätten zum Verkauf anzubieten. Die Höhe der Zahlungen, die die Lieferanten leisten müssen, sei damit vom Erfolg der Vermarktung ihrer Erzeugnisse in den von Kaufland übernommenen Standorten abhängig.

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